Chapeau! Ein grandioses Epos!
Die Burg der KönigeHier war jemand mit Leidenschaft am Schreiben und Eintauchen in eine vergangene Zeit dabei, das merkt man sofort wenn man das "mit Liebe gemachte" Buch vom sich sebst als "hoffnungslos romantisch" bezeichnenden ...
Hier war jemand mit Leidenschaft am Schreiben und Eintauchen in eine vergangene Zeit dabei, das merkt man sofort wenn man das "mit Liebe gemachte" Buch vom sich sebst als "hoffnungslos romantisch" bezeichnenden Autor Oliver Pötzsch aufschlägt. Die Überschriften sind rot abgesetzt - der Buchstabe am Beginn jedes Kapitels ganz mittelalterlich hervorgehoben und eine Karte im Einband sowie der Anhang mit Erklärungen zur Protagonisten und Örtlichkeiten des Romans sowie einer Chronik zeugen von der Sorgfalt, mit der hier gearbeitet wurde.
Der Inhalt passt sich dann auch diesen paratextuellen Elementen an. Leidschaftlich wird die Geschichte der Burg Trifels und der Begehrlichkeiten erzählt, die sowohl von bäuerlicher als auch von adliger sowie vor allem von royaler Seite an sie herantreten. Wir schreiben die Jahre 1524/1525: Der Habsburger Kaiser Karl V ist 24 und plötzlich Herrscher über ein Weltreich, sein Thron steht allerdings auf wackligen Beinen, da auch andere Häuser Anspruch auf das Heilige Römische Reich erheben - allen voran der französische König Franz I. Nun tauchen auch noch Gerüchte auf, in deren Zentrum ein längst vergangenes und vermeintlich ausgestorbenes Geschlecht liegt und die Herrschaft Karls V bedroht: die Staufer.
Im Pfälzerwald liegt deren ehemalige Stammburg, der Trifels - wo auch die Geschichte von Agnes, der Vogtstochter beginnt. Die burschikose Sechzehnjährige dressiert lieber ihren Falken Percival und liest in der Bibliothek als sich einen Gatten zu suchen. Ihr Vater Philipp von Erfenstein, der Burgvogt des Trifels, ist Witwer und zwar stolz auf seine einzige Tochter, er hat aber Probleme die Burg finanziell über Wasser zu halten, da er die Bauern nicht noch mehr belasten möchte als ohnehin schon. Er hofft Agnes an einen Mann aus dem aufstrebenden Patriziertum verheiraten zu können oder an den Grafen von Löwenstein-Scharfeneck, der sein Auge auf die hübsche Agnes - und den Trifels - geworfen hat.
Agnes' Freund seit Kindertagen ist der Sohn des Burgschmieds, Mathis, der sich aber ebenfalls zum Unmut seines Vaters eher für Schießpulver und für demokratische Ideen als für die väterliche Schmiede interessiert.
Agnes und Mathis wissen, dass eine Ehe für sie beide ausgeschlossen ist - das Standesdenken verbietet eine solche Verbindung.
Das sind so die wesentlichen Konfliktfelder, die sich in "Die Burg der Könige" auftun. Oliver Pötzsch schafft es eine in historische Wirklichkeiten eingebaute Geschichte heraufzubeschwören, die auf 913 Seiten mitreissend und lebendig ist - ohne je langweilig oder dröge zu sein. Hier hat man es mit einem leidenschaftlichen Erzähler zu tun, der ein sehr szenisch aufgebautes Werk erschaffen hat. Man könnte sich den Roman perfekt auf der Kinoleinwand vorstellen. Allein die Dialoge zwischen Karl V. und Franz I. würden einen Schlagabtausch abgeben, der wunderbar verfilmt werden könnte. Die wenigen Figuren, die in der Handlung eine wichtige Rolle spielen, sind alle lebendig charakterisiert und haben dort wo sie sind auch ihren Platz - keine Nebenfigur ist überflüssig. Auch die vermeintlich "bösen" Figuren wurden nicht in ein schwarz-weiß-Schema gepresst, manche bleiben sogar bis zum Ende zwiespältig.
Ich musste beim Lesen oft an "Der Name der Rose" denken, denn Pötzsch folgt einem änhnlichen Schema - mit viel Mythos, Mord und Geheimnisträgereien.
Der Autor versteht es wundervoll die Spannung sehr lange aufrecht zuerhalten, indem er dem Leser die Geheimnisse nicht preisgibt und ihn mit den Protagonisten Agnes und Mathis mitfiebern lässt.
Alles in allem kann man wirklich sagen dass man es hier mit einem in sich perfekten Roman zu tun. Ich weiß jetzt mehr über die Bauernkriege, über die sagenumwobenen Staufer, den Zerfall des Rittertums und die Anfänge der Reformation und wurde dabei perfekt unterhalten - und der "Kleine Burgen- und Reiseführer durch meinen Roman" (den man natürlich erst nach selbigem lesen sollte ) regt auch noch dazu an auf den Spuren der Protagonisten zu wandeln - was will der gemeine Leser mehr? Chapeau Herr Pötzsch!