Ein wunderbar atmosphärischer Fantasy-Roman mit tollen Protagonisten
Das Lied der KrähenIch bin ja vor allem durch mein Praktikum auf "Das Lied der Krähen" aufmerksam geworden, ansonsten weiß ich nicht, ob dieser Hype nicht vielleicht ein erst einmal an mir vorbeigegangen wäre. Aber so habe ...
Ich bin ja vor allem durch mein Praktikum auf "Das Lied der Krähen" aufmerksam geworden, ansonsten weiß ich nicht, ob dieser Hype nicht vielleicht ein erst einmal an mir vorbeigegangen wäre. Aber so habe ich dann doch ein bisschen nach dem Buch gesucht und vor allem die Pinterest-Pinnwand der Autorin hat mich neugierig gemacht.
Und es war eine großartige Entscheidung, denn "Das Lied der Krähen" hat mich richtig geflasht. Die Geschichte an sich ist schonmal richtig spannungsgeladen. Man kommt direkt im Geschehen an, lernt die wichtigsten Charaktere kennen. Hier wird nicht lange gewartet, bis endlich mal Fahrt aufgenommen wird. Nein, es geht los und immer wieder geschieht etwas Neues, das noch mehr Action hereinbringt. Wobei das Buch nicht nur durch die Action so spannend wird, mir haben besonders die Hintergründe von allem gefallen, wie verstrickt die Story ist, die verschiedenen Motive. Und manche Ereignisse sind zwar ein wenig vorhersehbar, aber vieles dann doch wieder nicht, man wird noch oft genug überrascht. Außerdem auch die Liebesgeschichten, die angedeutet werden. Richtig, angedeutet. Denn man wird von der Lovestory nicht wie in anderen Jugendbüchern wie von einem Brett erschlagen, nein, sie bahnen sich leise an, sind ein bisschen schief und schräg, aber haben mich trotzdem sehr berühren können. Etwas, das ich auch noch nicht oft hatte. Was aber fast am coolsten ist, ist die allgemein düstere Stimmung, die in der Geschichte aufkommt. Das dunkle Cover passt hier sehr gut zum Inhalt, einfach weil er so schonungslos und teilweise brutal ist. Manche Szenen waren ein wenig eklig (na gut, sogar mehr als ein wenig eklig) und oft handeln die Personen einfach so rücksichtslos und unmoralisch, dass es dich richtig stocken lässt. Fand ich einfach nur mega toll, denn so hat das Ganze für mich an Authentizität gewonnen.
Die ganze Welt, in der "Das Lied der Krähen" spielt, fand ich außerdem auch sehr interessant. ich habe zuvor ja noch kein Buch von Leigh Bardugo gelesen, aber sie hat da eine richtig tolle Welt erschaffen. Die unterschiedlichen Länder, jedes anscheinend mit einer anderen Kultur. Die Sprachen, die Traditionen, die Feste, die man mitbekommt. Das ist alles mit so viel Liebe zum Detail ausgedacht, dass ich einfach fasziniert sein musste.
Der Schreibstil der Autorin tat dann sein Übriges, um mich vom Buch zu überzeugen. Die Beschreibungen sind in Maßen und sinnvoll, sodass man sich alles vorstellen kann, es aber nicht langatmig wird. Die Geschichte lässt sich super lesen, schön flüssig, selbst wenn die Welt eher an die Zeit der Industrialisierung erinnert und damit auch die Sprache des Romans. Die Dialoge sind einfach herrlich, man hört hier förmlich die Gruppendynamik heraus zwischen den sechs Außenseitern. Es wundert mich wirklich fast ein bisschen, dass mir der Schreibstil so gut gefällt, weil in dritter Perspektive und Vergangenheitsform geschrieben wird, eigentlich genau die Kombination, die ich am wenigsten mag. Aber hier schaffte es die Autorin komischerweise trotzdem, dass ich unglaublich gut in die Story reingefunden und richtig mitgefiebert habe. Am Ende war ich richtig geschafft. Das einzige, was mir manchmal aufgefallen ist, war die nicht ganz so günstige Übersetzung, das hörte sich an ein paar Stellen holprig an.
Dadurch, dass die Geschichte von fünf Charakteren erzählt wird, dachte ich eigentlich nicht, dass man so gut mit ihnen allen mitfühlen kann. Ich dachte, es würde mich eher nerven, weil ich ein oder zwei Favoriten haben würde. Doch dann kam es gar nicht so. Zwar habe ich in Kaz und Inej Lieblingscharaktere gefunden, aber die beiden führen auch nur ganz knapp an, auch Nina, Jesper, Matthias und Wylan haben sich in mein Herz geschlichen. Die Sechs sind aber auch alle so herrlich unterschiedlich und haben so offensichtliche Schwächen, die nicht affektiert wirken, sondern einfach schön realistisch. Kaz, der Meisterdieb, der mit seinen genialen Plänen schon einige knifflige Aufträge ausgeführt hat. Aus Sicht der anderen wirkt er immer unnahbar, distanziert, aber wenn er erzählt, erfährt man seine Hintergründe und das macht seine jetzigen Handlungen nachvollziehbar. Inej, die "das Phantom" genannt wird, weil sie eine so herausragende Spionin ist, dazu noch erstklassige Mörderin, die aber eigentlich ein großes Herz hat. Nina mit ihrem so selbstsicheren Auftreten und den wirklich spannenden Fähigkeiten. Ich fand es jedes Mal wieder cool, wenn sie ihre Entherzer-Kraft eingesetzt hat, selbst wenn der Anlass eher ein langweiligerer war. Und trotzdem hat auch sie ihre verletzliche Seite, hadert mit Entscheidungen. Jesper, zu dem seine Pistolen genauso gehören wie seine Gliedmaßen und der anscheinend immer in Bewegung sein muss. Der die Gruppe mit Nina zusammen auflockert, aus todernsten Stimmungen herauslockt. Matthias, dessen Ansichten am Anfang auf jeden Fall etwas gewöhnungsbedürftig waren, der aber auch immer seine Gründe hatte und mich letztendlich von sich überzeugen konnte. Und Wylan, der in dieser skrupellosen Gruppe sehr jung und naiv wirkt und den ich gerade deswegen sehr mochte.
Sie alle machen so tolle Entwicklungen durch und müssen dauernd schwere Entscheidungen treffen. Besonders das Hadern der einzelnen Figuren mit der Moral war unfassbar spannend.
Ich habe das Buch vor allem zum Ende hin kaum noch aus den Händen legen können, weil es mich richtig gefesselt hat. Und nach dem fiesen Cliffhanger gibt es nur noch zu sagen: Ich will weiterlesen! Ach ja, und dass ich es jedem empfehle.