Die Auslese – Nur die Besten überleben ist eine großartige, düstere Dystopie, die mühelos mit anderen Vertretern des Genres mithalten kann und ein Serienauftakt, der seine Leser von der ersten bis zur letzten Seite unablässig in seinen Bann zieht.
In der Zukunft, die Joelle Charbonneau kreiert hat, ist die Menschheit, deren Bevölkerung nach einem schrecklichen Krieg auf ein Minimum reduziert ist, immer noch damit beschäftigt die Erde wieder urbar zu machen und das verseuchte Wasser nachhaltig zu reinigen. Die notwendigen Technologien sind vorhanden, doch es mangelt an Energie und geeigneten Fachkräften.
Um bei letzterem für Nachschub zu sorgen, wurde vor vielen Jahren die Auslese eingeführt, bei der die besten Schüler der Abschlussklassen der jeweiligen Kolonien ausgiebigen Tests unterzogen werden. Wer besteht, darf hinterher die Universität in der Hauptstadt besuchen und wird womöglich einer der nächsten Anführer des Vereinigten Commonwealth.
Während die größtenteils unwissenden Eltern es für eine Ehre halten, wenn ihr Kind unter den Prüflingen ist und diese selbst sich darauf freuen an der Auslese teilnehmen zu dürfen, weil sie glauben, dass sie lediglich vor gewöhnliche, vollkommen ungefährliche Aufgaben gestellt werden, begeben sie sich in Wahrheit völlig ahnungslos in einen Kampf um Leben und Tod, den die Mehrheit verlieren wird. Was mit harmlosen, schriftlichen Tests beginnt, führt nämlich schon bald zu Prüfungen, bei denen Fehler sogar mit dem Tode bestraft werden und mündet in einen letzten Teil, den nur die wenigstens überstehen.
Das gesamte Verfahren, einschließlich fast aller Prüfer, kann man daher eigentlich nur als krank bezeichnen. Die Verantwortlichen haben keinerlei Achtung vor den jungen, vielversprechenden Leben, die sie so emotionslos auslöschen. Es kümmert sie nicht, was aus den Prüflingen wird, sodass sie lieber tatenlos dabei zusehen wie diejenigen, die dem Druck nicht mehr standhalten, sich erhängen, oder solche, die während eines Tests einen Fehler begangen haben, qualvoll an ihren Verletzungen sterben lassen. Ihrer offensichtlichen Ansicht nach heiligt der Zweck alle Mittel. Die Gleichgültigkeit, die einige Prüfer in Bezug diese unschuldigen Jugendlichen an den Tag legen, ist entsetzlich und dass manche von ihnen sogar ernsthaft glauben diese sinnlosen Tode würden dem Wohle der Allgemeinheit dienen, ist unfassbar. Immer, wenn man denkt, dass es nun unmöglich noch schlimmer werden kann, wird man eines besseren belehrt und mit noch schrecklicheren Methoden konfrontiert, bei denen sie beispielsweise bewusst die verzweifelte Lage der Teilnehmer ausnutzen um sie in eine tödliche Falle zu locken.
Beängstigenderweise schrecken jedoch selbst manche Prüflinge im Laufe der Auslese vor nichts mehr zurück um zu bestehen und sich einen Platz an der Universität zu sichern. Während einige sich darauf beschränken vergifteten Kekse anzubieten, verraten andere gewissenlos ihre Teammitglieder, in dem Wissen, dass ein Fehler deren Tod bedeuten könnte, oder werden sogar zu kaltblütigen Mördern, die erbarmungslos ihre Konkurrenten ausschalten.
Eine Möglichkeit dem zu entkommen gibt es nicht, denn die Teilnahme an der Auslese ist Pflicht. Wer versucht sich davor zu drücken, begeht Hochverrat, welcher – natürlich – ebenfalls die Todesstrafe nach sich zieht. Doch was geschieht mit den Prüflingen, die zwar antreten und nicht bei einem der Tests sterben, aber in deren Verlauf trotzdem scheitern? Werden diese tatsächlich zurück in ihre Kolonien geschickt oder müssen auch sie den höchsten Preis für ihr Versagen bezahlen?
Es ist zudem mehr als fraglich, warum dieses aggressive Vorgehen der Regierung tatsächlich notwendig erscheint. Muss ein Anführer wirklich in der Lage sein völlig rücksichtslos unschuldige Menschen oder sogar seine Freunde zu töten, nur um sich selbst einen Vorteil zu verschaffen? Ist es unbedingt nötig, dass die Prüflinge Fehler gleich mit ihrem Leben bezahlen müssen? Immerhin gäbe es genügend andere Methoden sie unter Druck zu setzen um zu testen, wie sie dann reagieren.
Aber selbst wenn sie sich auf Grund irgendeines falschen Verhaltens nicht als Anführer eignen sollten, könnten auch diejenigen, die nicht bestehen, noch gute Arbeit leisten, immerhin handelt es sich um die intelligentesten, fähigsten Schüler des jeweiligen Jahrgangs. Abgesehen davon werden etliche Absolventen der Universität ja nicht einmal zu Anführern, sondern üben danach ganz normale Berufe aus und arbeiten z.B. als Lehrer.
Zum Glück gibt es allerdings auch noch Leute, die erkennen wie falsch das alles ist, die Auslese deshalb verabscheuen und zumindest versuchen etwas dagegen zu unternehmen. Obwohl man ihnen hinterher die Erinnerungen nimmt, ahnen einige ehemalige Studenten durch Alpträume, was ihnen oder ihren Konkurrenten zugestoßen ist und wollen andere Schüler, insbesondere ihre eigenen Kinder, vor dem gleichen Schicksal bewahren. Einige Prüfer zählen ebenfalls zu dieser Gruppe, doch wer von ihnen versucht im Geheimen das Verfahren zu sabotieren und wer nicht?
Es sind jedoch nicht nur diese Grauen erregenden Umstände, die das Buch so fesselnd machen, sondern vor allem die Charaktere, allen voran natürlich Malencia, die beim Leser verschiedene Emotionen hervorrufen und der Geschichte das Gewissen liefern, das so vielen völlig zu fehlen scheint.
Cia ist eine tolle Hauptfigur, die man sich wirklich zum Vorbild nehmen kann. Sie ist intelligent, einfallsreich, sehr stark sowie ehrgeizig, bleibt dabei aber immer fair und hat zudem ein gutes Herz. Sie will bestehen, ist allerdings nicht gewillt dafür andere Konkurrenten zu verletzen oder gar zu töten, außer um sich selbst zu verteidigen, sondern kümmert sich sogar noch um sie. Trotz all der schrecklichen Dinge, die sie während der Auslese erlebt, lässt sie sich nicht unterkriegen und bleibt dennoch sowohl sich selbst als auch den Werten, die ihre Eltern ihr vermittelt haben, treu. Selbst als ihr eigenes Leben auf dem Spiel steht, sorgt sie sich mehr um ihre Familie und ihre Freunde als um sich selbst.
Tomas ist ein beinahe ebenso liebenswerter Charakter, für den man sehr dankbar ist. Er sorgt dafür, dass Cia nicht vollkommen auf sich allein gestellt ist und es neben ihr noch eine weitere sympathische Figur gibt. Da so viele Menschen Verrat begehen, ist man froh sich wenigstens in einer Person nicht komplett getäuscht zu haben. Er war zwar auch nicht immer absolut ehrlich und hatte Geheimnisse vor Cia, doch die hatte sie ebenfalls. Außerdem muss es ja wenigstens eine Figur geben, der man, abgesehen von Cia, vertrauen kann, weshalb es bestimmt eine Erklärung für seine Verbindung zum Tod einer Mitstreiterin gibt, sodass man sich zumindest in ihm – hoffentlich! – nicht ebenso getäuscht hat wie in manch anderen.
Zwischen Tomas und Cia keimen mit der Zeit Gefühle auf, die über Freundschaft hinausgehen und zu einer zarten Liebesgeschichte führen. Diese drängt sich aber nie zu sehr in den Vordergrund, da Beide im Kampf um ihr Überleben genügend andere, weitaus wichtigere Sorgen und Probleme haben.
Am Ende verschont Joelle Charbonneau ihre Leser, glücklicherweise, mit einem Cliffhanger, der ohnehin gar nicht nötig ist. Obwohl ein gewisser Abschnitt der Handlung abgeschlossen ist, bleiben noch etliche Fragen offen, deren Antworten man unbedingt erfahren möchte. Die Fortsetzung wird man sich daher auf keinen Fall entgehen lassen.
FAZIT
Die Auslese – Nur die Besten überleben ist eine fantastische und äußerst spannende Dystopie, die einem immer wieder den Atem raubt und den Leser an die Seiten fesselt. Die Welt, die Joelle Charbonneau erschaffen hat, ist schockierend und faszinierend zugleich und sorgt dafür, dass man diesen Serienauftakt garantiert nicht so schnell vergessen wird.
Die Fortsetzung, die hoffentlich nicht allzu lange auf sich warten lässt, kann man nach diesem Ende jedenfalls kaum noch erwarten!