Ungewöhnlich - muss man mögen
MelmothUngewöhnlich in Thema und Schreibstil - ich konnte jedoch mit diesem düster-deprimierenden Sündenmix aus Glaube, Verbrechen und Schuldgefühl im winterlichen Prag nicht warm werden. Gut möglich, dass ich ...
Ungewöhnlich in Thema und Schreibstil - ich konnte jedoch mit diesem düster-deprimierenden Sündenmix aus Glaube, Verbrechen und Schuldgefühl im winterlichen Prag nicht warm werden. Gut möglich, dass ich auch mit "falschen" Erwartungen an das Buch rangegangen bin bzw. mich nicht darauf einlassen konnte.
Mehr noch als der geheimnisvolle Klappentext reizte mich bei diesem Buch das unheilverheißende und zugleich wunderschöne Cover - doch hielt die Geschichte ihren Versprechungen stand?
Schwer zu beantworten! Die Autorin beherrscht ihr Schreibhandwerk meisterlich - fast schon prosaisch spricht sie den Leser direkt an.
Das Buch ist voller atmosphärischer Beschreibungen des winterlichen Prags und der anderen Handlungsorte sowie ganz viel Melancholie, Düsternis und Hoffnungslosigkeit.
Zu viel. Dieses Buch ist für mich eines jener, das ich unzufrieden zuklappe. Nicht wegen des Endes, das fand ich ganz charmant, sondern wegen der Stimmung. Dieses Düstere, Depressive, Demotivierende... Beim Beenden des Buches war ich so ausgelaugt und leer, war zu nichts motiviert, nicht mal zu einem Verriss. Ich mag durchaus auch traurige Bücher, die mich zu Tränen rühren oder unerwartet doch zu einem herzerwärmenden Ende führen. Melmoth jedoch ist von der ersten Seite an von einer hoffnungslosen Einsamkeit geprägt, welches jedes Zeugnis, jedes Schicksal, verbindet, mit der ich nicht zurechtfand.
Zudem waren mir auch die Be- und Umschreibungen, so atmosphäreschaffend sie auch waren, zu ausufernd. An sich besteht die "Handlung" lediglich aus Zeugnissen verschiedenster Art, lose durch Helen, Thea und Karel verbunden. Auch wenn ich an den "Sünden" der Einzelnen interessiert war, fehlte mir doch der größere Spannungsbogen.
Während mich die ganze Bibel- und Sündenmotivik nicht überzeugen konnte und mir - abermals - einfach zu viel war, fand ich charmant, dass in diesem Buch Frauen die einzig Handelnden sind. Männer kommen vor, sind jedoch unbedeutend - selbst Gott oder Jesus sind für den Rahmen der Geschichte zwar durchaus relevant, bleiben aber hinter Frauen wie Helen, Thea, Adaya und Melmoth passiv und blass. Gefällt mir!
Dieses Buch ist definitiv einzigartiges - sowohl die Beschäftigung mit Melmoth, einem biblischen Charakter, von dem ich zuvor noch die gelesen habe, deren Figur aber höchst faszinierend ist, als auch vom Schreib- und Erzählstil her; unterbrechen doch die einzelnen Zeugnisse, Briefe, Manuskripte und Beichten die Rahmenhandlung im heutigen Prag immer wieder, während die Autorin das Geschehen um Helen, Thea und Karel als allwissende Erzählerin kommentiert und die Leser auf Schatten, zukünftige Ereignisse und Merkwürdigkeiten hinweist.