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Veröffentlicht am 09.12.2016

Im kriegsgebeutelten Dresden spielender Krimi

Der Angstmann
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Im letzten Kriegswinter werden in Dresden zwei Frauen brutal ermordet. Die Bevölkerung hält den von ihr so titulierten Angstmann für den Täter, eine Art Dämon. Kriminalinspektor Heller ermittelt unter ...

Im letzten Kriegswinter werden in Dresden zwei Frauen brutal ermordet. Die Bevölkerung hält den von ihr so titulierten Angstmann für den Täter, eine Art Dämon. Kriminalinspektor Heller ermittelt unter erschwerten Bedingungen – fehlenden Ermittlern, Rechtsmedizinern, Materialien, einem ihm Steine in den Weg legenden linientreuen Vorgesetzten. Mit der Bombardierung vom 12./13. Februar scheint sich der Fall von selbst erledigt zu haben, bis im Mai ein neuer Mord passiert, den Heller zusammen mit dem russischen Kommissar Saizev aufklären will …
Dieser Krimi besticht durch seine realistischen historischen Bezüge, in die die Geschichte eingebettet ist. Wer, wie wohl die meisten Leser, diese Zeit nicht mehr aus eigenem Erleben kennt, erhält eine gute Vorstellung von der Zeit rund um die deutsche Kriegsniederlage mit den Entbehrungen für die Zivilbevölkerung, ihren Sorgen um Angehörige an der Front, den Flüchtlingsströmen, den Gräueln des Bombardements auf Dresden, der russischen Besatzung und dem Hass der Russen auf die Deutschen. Allerdings gehört das in dieser Ausführlichkeit nicht in einen Krimi, geht doch vieles zu Lasten der Spannung. Die Aufklärung der Morde ist eher krimiuntypisch und passt gut zu dem allgemeinen Durcheinander der Zeit. Für meine Begriffe gibt es dabei zu viele – erfolglose – Verfolgungsjagden quer durch Dresden. Auch erscheint mir der Hintergrund um den Täter etwas weit hergeholt.

Zu empfehlen für geschichtlich interessierte Krimileser.

Veröffentlicht am 11.11.2016

Über Freundschaft und Naturliebe

Der Andere
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Bei einem 800-Meter-Lauf treffen sich die Jugendlichen John William Barry und Neil Countryman zum ersten Mal. So unterschiedlich ihre Herkunft auch ist – der eine stammt aus einer angesehenen, reichen ...

Bei einem 800-Meter-Lauf treffen sich die Jugendlichen John William Barry und Neil Countryman zum ersten Mal. So unterschiedlich ihre Herkunft auch ist – der eine stammt aus einer angesehenen, reichen Familie, der andere aus einer Handwerkerfamilie – sie werden zu Freunden. Ihre Naturliebe und tagelange Wanderungen durch die Wildnis verbinden sie. Das bleibt auch so, als John William dem bürgerlichen Leben den Rücken kehrt und als Eremit in eine Steinhöhle im Wald zieht, während Neil Lehrer für Englisch wird und eine Familie gründet, immer davon träumend, ein Buch zu schreiben. In treuer Abhängigkeit bringt er seinem Freund fortan Lebensmittel und Medikamente, bis … ja, bis er nach einigen Jahren vor dem Dilemma steht, seinen vor sich hin vegetierenden Freund zu verraten, um ihn zu retten oder weiterhin treu zu ihm zu halten …

Der Roman lässt sich nicht einfach lesen, wofür es mehrere Gründe gibt. Zum einen erschweren Zeitsprünge die zeitliche Orientierung – befinden wir uns in der Zeit, als die beiden Freunde junge Erwachsene sind oder im Alter von 28, als Neil vor eine schwere Entscheidung gestellt wird oder weitere zwei Jahrzehnte später, als Neil die Vergangenheit einholt? Zum anderen werden den meisten deutschen Lesern die vielen Örtlichkeiten in der nordwestamerikanischen Wildnis nicht viel sagen. Genauso wird es ihnen ergehen mit den zahlreichen Bezugnahmen englischer Lyrik oder alter philosophischer Lehren. Mehr als einmal war ich versucht, die Lektüre aufzugeben. An der Stange geblieben bin ich letztlich um zu erfahren, warum Neil in mittleren Jahren Berühmtheit erlangt. Andeutungen ziehen sich insoweit durch die ganze Geschichte, halten also zumindest die Spannung aufrecht.

Veröffentlicht am 21.10.2016

Für Leser von Horrorgeschichten

Muttertag
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Die Klassifizierung des Buchs in das von mir bevorzugte Genre „Literatur“ hat mich zu ihm greifen lassen. Leider war dies eine Irreleitung, denn richtigerweise handelt es sich um eine Mischung aus Thriller ...

Die Klassifizierung des Buchs in das von mir bevorzugte Genre „Literatur“ hat mich zu ihm greifen lassen. Leider war dies eine Irreleitung, denn richtigerweise handelt es sich um eine Mischung aus Thriller und Horrorgeschichte, zu deren Leserkreis ich eher nicht zähle. Das alleine hat mich aber nicht enttäuscht zurückgelassen. Vielmehr lag mir die schwerfällige Erzählweise nicht, die lange Zeit verhindert hat, dass ich in die Geschichte hineinfinden konnte. Eine Reihe von Bruchstücken mit jeweils eigener Thematik wird abwechselnd fokussiert. Da geht es um ein gedächtnisloses Mädchen, eine vermeintlich zerstörte und dann wieder aufgetauchte Sekte, die Menschen ohne deren Einverständnis mit Krankheiten infiziert und einem Menschenopferkult frönt, Ermittlungen durch den Verfassungsschutz. Für mich sind das alles sehr schreckliche Themen. Zum Glück werden sie durch eine Art Rahmen zusammengeführt, nämlich die angenehmer zu lesende Geschichte rund um den Jugendlichen Philipp, der bei seinem vermeintlich harmlosen Onkel lebt und mit diesem nach einem Überfall flüchten muss. Vollständiges Licht wird am Ende nicht in die Geschichte gebracht, bleibt doch etwa offen, was mit dem Mädchen passiert ist.

Das Buch bleibt hinter meinen Erwartungen zurück.

Veröffentlicht am 06.10.2016

Hinter meinen Erwartungen zurückbleibender Liebesroman

New York Diaries – Claire
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Dieser Roman ist der erste von vieren aus der Reihe „New York Diaries“, die die deutsche Autorin Anny Freytag unter dem Pseudonym Ally Taylor im Wechsel mit ihrer Freundin und Autorenkollegin Carrie Price ...

Dieser Roman ist der erste von vieren aus der Reihe „New York Diaries“, die die deutsche Autorin Anny Freytag unter dem Pseudonym Ally Taylor im Wechsel mit ihrer Freundin und Autorenkollegin Carrie Price bzw. Adriana Popescu schreibt. Ganz am Ende ist eine Leseprobe aus deren „New York Diaries - Sarah“ abgedruckt, das am 10.01.2017 erscheinen soll. Nach Lektüre des vorliegenden ersten Buches werde ich wohl aber kein weiteres Buch aus der Reihe lesen. Es ist einer der eher seltenen Fälle, in denen ich noch von der Leseprobe angetan war und dann von der gesamten Geschichte umso enttäuschter.
Protagonistin ist, wie es meistens in den vergleichbaren sog. chick-lit-Romanen deutscher Autorinnen vorkommt, eine 32jährige Frau (Claire), die gerade wieder einmal eine gescheiterte Liebesbeziehung hinter sich hat, deshalb in totalem Selbstmitleid zerfließt, beruflich ohne Perspektive und ohne Geld ist, dafür aber eine beste Freundin (June) hat, die hemmungslosen Sex mit wechselnden Männern hat. Jedenfalls zieht Claire in den begehbaren Kleiderschrank in der Wohnung von June, die in einer WG mit Claires (nur!) bestem Freund aus Kindertagen wohnt und Nachbarin von Claires verflossener Highschool-Liebe ist. Man kann schon ahnen, worauf es hinausläuft – werden Claire und ihr Freund als Liebespaar zueinanderfinden?
Woran ich mich am meisten stoße, ist, dass sich Claires gesamtes Denken um Sex und Beziehungen zu Männern dreht. Dass sie nach gerade beendeter Beziehung gleich einen One-night-stand hat, will ich nicht lesen. Unklar bleibt, warum die Geschichte gerade in New York angesiedelt ist. Gelegentliche Tagebucheinträge von Claire, die dem Buch wohl seinen Titel geben, sind wegen ihres kleinen Schriftbildes mühevoll zu lesen, ebenso ein Brief an Claire.

Ein durchschnittliches Buch, das keinen bleibenden Eindruck hinterlässt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Gefühlvoller Roman über Trauer und Trauerarbeit

Lebensgeister
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Wie für Bücher aus dem Diogenes-Verlag typisch, befindet sich auch auf dem Cover des vorliegenden die Illustration eines bekannten Künstlers - hier des Japaners Mizutani, passend also zur Herkunft der ...

Wie für Bücher aus dem Diogenes-Verlag typisch, befindet sich auch auf dem Cover des vorliegenden die Illustration eines bekannten Künstlers - hier des Japaners Mizutani, passend also zur Herkunft der Autorin und zur grünen Tempelstadt Kyoto, in der ein wichtiger Teil der Geschichte angesiedelt ist. Die Geschichte selbst ist sehr gefühlvoll und handelt im Wesentlichen von der tiefen Trauer der Protagonistin und deren Verarbeitung nach dem Unfalltod ihres geliebten Freundes, bei dem sie selbst schwer verletzt wurde und eine Wesensveränderung erfahren hat. Ich persönlich habe es als etwas befremdlich empfunden, dass die Protagonistin plötzlich Geister von Verstorbenen sehen kann (ihres verstorbenen Großvaters, ihres toten Hundes, einer fremden Frau). Diese Übersinnlichkeit liegt mir nicht. Der Schreibstil stimmt ein wenig melancholisch. Wunderschön fand ich hingegen die Eindrücke, die von der Stadt Kyoto vermittelt werden.
Liebhaber japanischer bzw. asiatischer Literatur werden dieses Buch wohl eher mögen.