Die Kunst war ihr Leben: größte Freude und letztlich einziger Trost
Die Malerin des NordlichtsSigne lebt für die Kunst. Sie ist 38 Jahre alt und geschieden – ihre Ehe zum zackigen Offizier Johannes, der im Sinne einer klassischen Rollenverteilung erzogen worden war und dies auch von seiner Ehefrau ...
Signe lebt für die Kunst. Sie ist 38 Jahre alt und geschieden – ihre Ehe zum zackigen Offizier Johannes, der im Sinne einer klassischen Rollenverteilung erzogen worden war und dies auch von seiner Ehefrau erwartete (der Mann verdient das Geld, die Frau ist zuständig für den Haushalt), war auf ihren eigenen Vorschlag hin aufgelöst worden. - Nicht, weil Johannes sich längst zu einer anderen Frau hingezogen gefühlt hatte, sondern weil er Signes Passion für die Kunst, die Malerei weder gutheißen noch nachvollziehen hatte können. Zwar fand er ihre "Bildchen", ihr "Gekleckse" teilweise ganz nett, aber es stand außer Frage, dass Signe ihre Werke verkaufen dürfte. Sollten die Leute etwa denken, dass er seine Frau nicht ernähren und ausreichend versorgen könne? Das wäre eine Blamage! Signe entschied sich gegen ihren Mann und für die Kunst. Unterstützt wird sie in diesem Entschluss von der lebensfrohen Lilla, ihrer 20-jährigen Kommilitonin an der Kunsthochschule. Diese steht mit ihrem frivol-koketten, energiegeladenen, leicht naiven Wesen in starkem Kontrast zu Signe, die deutlich besonnener und bodenständiger wirkt. "Nicht nur achtzehn Jahre trennten sie, sondern im Grunde ihr ganzes Leben. Und doch waren sie Freundinnen geworden."
Signe hat ihr Talent für die Malerei quasi geerbt, denn ihr Onkel Edvard war niemand Geringerer als der berühmte Maler Edvard Munch. Er hatte sie gelehrt, dass wahre Kunst jene sei, die es verstünde, Gefühle in den Menschen zu wecken bzw. den Menschen dabei zu helfen, sich über ihre Emotionen klarzuwerden. Im Rahmen ihres Stipendiums hatte Signe ihre Technik in Paris verfeinert und nimmt sogar Unterricht beim Sohn von Paul Gauguin. Sie kann sich nicht vorstellen, je etwas mehr lieben zu können als die Kunst. Dann begegnet sie eines Tages Einar Siebke – er wird ihre große Liebe.
Beim Lesen des Klappentextes kam mir sofort der Titel von Munchs Gemälde 'Der Schrei' in den Sinn: ein Kunstwerk, dass mittlerweile selbst dem größten Kunstverächter ein Begriff sein dürfte. Leider war mir bis dato überhaupt nicht bekannt, dass auch Signe Munch eine Kunstgröße gewesen war. In der Tat hatte ich ihren Namen noch nie gehört und war umso gespannter darauf, mehr über sie zu erfahren.
Es ist kein temporeiches Werk, vielmehr bezaubert es durch seinen Schreibstil: mitreißend, atmosphärisch und einladend, oftmals humorvoll und direkt, dann wieder verträumt und melancholisch. Man kann mühelos in die Geschichte, die im Jahre 1922 in Norwegen beginnt, eintauchen - Oslo hieß damals noch Kristiania. Die weibliche Hauptfigur ist sehr greifbar gestaltet worden; ich habe mich sofort mit Signe identifizieren können; ihre Gedankengänge sind durch und durch nachvollziehbar und lassen tief in ihren Charakter blicken. In diesem Punkt hat mich der Roman sogar mehr überzeugt als Johannsons Werk "Die Villa an der Elbchaussee". Auch die fundierte Recherche der Autorin muss gelobt werden.
Das Cover des Romans an sich finde ich (- Achtung, Wortspiel! –) absolut 'malerisch', ein ganz typisches Merkmal für die historischen Werke des Aufbau Verlags, deren Covergestaltung stets bedacht, stilvoll-elegant und einfach wunderschön ist.
Nun könnte man meinen, die Geschichte habe einzig und allein Malerei im Fokus – dies ist nicht der Fall, auch wenn mich speziell die detaillierten Farbbeschreibungen in ihrer Intensität begeistert haben. Stattdessen erfährt man unheimlich viel über die geschichtlichen Hintergründe Norwegens, das im Jahr 1940 von deutschen Truppen besetzt wurde, und wie harsch mit Widersachern umgegangen worden ist. Es ist bewundernswert, wie sehr Signe sich für ihren Traum von der Malerei eingesetzt hat. Die Tatsache, dass der Großteil ihrer Gemälde seit der Beschlagnahmung durch die Gestapo verschollen geblieben ist, wiegt umso schwerer, da ich das Gefühl hatte, sie dank dieses Romans ein Stück weit kennengelernt zu haben und zu wissen, wieviel Herzblut sie in ihre Bilder gesteckt hatte.
"Man darf nicht mit dem Schicksal hadern, man muss es einfach schlucken." Signe war eine mutige, starke, blitzgescheite Frau mit einem sanften Wesen, vor allem aber war sie eine eigenständige Künstlerin. In jedem Fall hat die Autorin ihr mit diesem Roman ein verdientes Denkmal gesetzt.
Fazit: Ein wundervoller historischer, feinfühliger Roman, der durch eine starke weibliche Protagonistin brilliert und für alle Kunstliebhaber ein Muss ist!