Eintauchen ins Mittelalter - spannend und unterhaltsam
Der Gesang der Bienen"Der Gesang der Bienen" hat mich von der ersten Seite an in die Geschichte hineingezogen und diese Wirkung hat nie nachgelassen. Ich habe das Buch mit großem Vergnügen gelesen.
Wir sind im Jahr 1152, ...
"Der Gesang der Bienen" hat mich von der ersten Seite an in die Geschichte hineingezogen und diese Wirkung hat nie nachgelassen. Ich habe das Buch mit großem Vergnügen gelesen.
Wir sind im Jahr 1152, als der Stauferkönig Friedrich, später bekannt als Barbarossa, seine Regierungszeit gerade begonnen hat. Seine Zeitgenossin Hildegard von Bingen steht auch noch am Anfang eines neues Projektes: der Bau ihrer neuen Abtei bei Bingen ist in vollem Gange und durch das Fehlen finanzieller Mittel beeinträchtigt. Diese beiden sind einige der historischen Charaktere, denen wir im Buch begegnen, Hauptpersonen sind aber der Zeidler Seyfried und seine Familie, denen großes Unrecht geschieht und die sich in den Klauen der Willkür und des Aberglaubens finden.
Das Leben dieser Familie zu Beginn des Buches ist farbig, mit guten Details geschildert. Man sieht das gemütliche Zeidlerhaus an seinem idyllischen Waldflecken direkt vor sich. Gerade Seyfried ist ein sehr echt wirkender Charakter - ein von der Herkunft her einfacher Mann (woran man ihn im standesbewußten Mittelalter auch stets erinnert) mit großer Lebensklugheit und einem erfreulichen Selbstbewußtsein. Seine Frau Elsbeth lernen wir hauptsächlich im ersten Teil des Buches kennen und auch sie fand ich hervorragend beschrieben. Auch die latente Bedrohung, der sie als heilkundige, des Lesens fähige Frau, stets unterliegt, wird uns schnell und gut dargebracht. Überhaupt sind historische Fakten, Lebensumstände und Gedankenwelt jener Zeit hervorragend eingebunden. Sie werden Teil der Geschichte, sind nie lehrbuchartig dargebracht. Die historische Genauigkeit ist, soweit ich das beurteilen kann, gegeben. Hier ersteht die frühe Stauferzeit, das Kloster- und Burgleben wundervoll wieder auf.
Der Schreibstil ist gut zu lesen, recht einfach, er fiel mir weder angenehm noch unangenehm auf. Die wörtliche Rede ist manchmal der Zeit nicht angemessen, einige Sätze ließen mich den Kopf schütteln, weil sie sich eher nach 21. Jahrhundert als 12. Jahrhundert anhörten.
Der Spannungsbogen ist gut gestaltet, nur ganz vereinzelt gibt es ein paar Szenen, die sich etwas zu sehr in die Länge zogen. Seyfried hat vierzehn Tage Zeit, die drohende Hinrichtung seiner Frau abzuwehren, indem er ein entsprechendes Schreiben von Hildegard von Bingen einholt. Die noch verbleibenden Tage werden uns über jedem Kapitel angegeben, man merkt also, wie die Zeit drängt und natürlich geht die Reise Seyfrieds aus dem Schwarzwald nach Bingen nicht komplikationslos vor sich. Hildegard fand ich hier übrigens größtenteils ziemlich arrogant und recht unchristlich - eine interessante Abwechslung zu ihrer sonstigen Darstellung. Einige ihrer Entscheidungen fand ich nicht nachvollziehbar und schienen eher davon motiviert, weitere Spannung aufzubauen. Es gab Momente, in denen ich dachte "Ja, jetzt ist es langsam gut."
Der zweite Handlungsstrang neben Seyfrieds Reise sind die Nöte insbesondere seiner Tochter, die auf Burg Staufen als Geisel gehalten wird und ebenfalls viel zu fürchten hat. Auch dies ist teilweise sehr aufregend und ich las die Geschehnisse gebannt - schön waren hier auch die o.e. guten Einblicke in das Burgleben. Mit Seyfried und Hildegard besuchen wir dann sogar eine Kaiserpfalz und König Friedrich selbst. Ich habe mich sehr gefreut, daß er hier einen, wenn auch kurzen, "Auftritt" hatte. Auch hier wird der historische Hintergrund der Staufer-Welfen Fehde, der Rolle Friedrichs als Bindeglied und die vorsichtige Politik des Ausgleiches, die er betreiben mußte, gekonnt eingebunden und gut erzählt.
Zwischendurch und gerade zum Ende hin benutzt der Autor das "Rettung in letzter Minute"-Werkzeug für meinen Geschmack etwas zu oft. Das wirkt dann ein wenig unglaubwürdig, ein wenig vorhersehbar und nicht sehr kunstvoll. Insgesamt ist "Der Gesang der Bienen" aber ein gelungener historischer Roman, in dem historische und fiktive Charaktere gleichermaßen Kontur gewinnen und in den man richtig schön eintauchen kann.