Fairfield/Nebraska in den 1980er Jahren
Sommer der Wahrheit (Sheridan-Grant-Serie 1)Zu Beginn der Geschichte in „Sommer der Wahrheit“ ist die Haupt-Protagonistin Sheridan 15 Jahre alt. Sie wurde von Rachel und Vernon Grant adoptiert und gemeinsam mit den 4 eigenen Söhnen der Grants lebt ...
Zu Beginn der Geschichte in „Sommer der Wahrheit“ ist die Haupt-Protagonistin Sheridan 15 Jahre alt. Sie wurde von Rachel und Vernon Grant adoptiert und gemeinsam mit den 4 eigenen Söhnen der Grants lebt sie auf der Willow Creek Farm in Fairfield/Nebraska.
Rachel und ihr jüngster Sohn Esra nutzen jede Gelegenheit um Sheridan zu schikanieren. Das geht so weit, dass Rachel ihr verbietet sich mit ihren Freunden zu treffen oder Musik zu machen. Sie schafft es sogar, mit Hilfe von durch sie aufgewiegelten Eltern, dass die Aufführung eines Schul-Musicals verboten wird. Sheridan muss auf der Farm helfen, im Hühnerstall arbeiten und der einzige Mensch, der sie vor all dem bewahren könnte, ist ihr Stiefvater Vernon. Der ist jedoch aus beruflichen Gründen oft tagelang nicht zu Hause.
Manchmal flüchtet sich Sheridan, um ihre Ruhe zu haben, in ein leerstehendes Anwesen, das Riverview Cottage, wo sie eines Tages zufällig die Tagebücher einer Carolyn Cooper findet. In den 30 Jahren alten Aufzeichnungen findet Sheridan Hinweise, die mit ihrer Herkunft, aber auch mit ihren Adoptiveltern zu tun haben. Die Grants haben Sheridan all die Jahre erzählt, dass ihre Eltern bei einem Unfall ums Leben kamen. Die Wahrheit ist das auf jeden Fall nicht …..
Bei „Sommer der Wahrheit“ handelt es sich um den 1. Band der Sheridan-Grant-Reihe aus der Feder der Autorin Nele Löwenberg, der am 16. Juni 2014 zum ersten Mal im Ullstein-Taschenbuch-Verlag veröffentlicht wurde.
Ich kenne - und mag - die Kriminalromane der Autorin Nele Neuhaus, dass sie unter ihrem Mädchennamen auch Jugendbücher und Romane veröffentlicht hat, wusste ich bis vor kurzem nicht. In diesem Jahr wird die komplette Sheridan-Grant-Trilogie vom Ullstein eBooks-Verlag neu aufgelegt und in diesem Zusammenhang werden die Bücher dann auch unter dem Namen Nele Neuhaus veröffentlicht.
Sheridan lebt mit ihrer Adoptivfamilie in einem ziemlich öden Landstrich, außer Farmen gibt es dort nix und die Freizeitgestaltung für Jugendliche findet nur dann statt, wenn sie sie selbst in die Hand nehmen. Das führt dann auch schon mal dazu, dass man mit Freunden auf alten, stillgelegten Fabrikgeländen abhängt, Alkohol trinkt und raucht und von der Polizei verhaftet wird.
Sheridan erzählt ihre Geschichte in der Ich-Form über knapp 2 Jahre ihres Lebens hinweg. Sie erzählt vom Zusammenleben mit ihrer Adoptiv-Familie, den Schikanen ihrer Adoptivmutter und ihres Bruders, von ihren Freunden und denen, die nur vorgeben Freunde zu sein. Der Leser erlebt mit ihr ihren ersten - freiwilligen - Sex, dann auch den unfreiwilligen Sex, aus dem sich einige Komplikationen ergeben, die wirklich belastbare Freundschaft zu Nicolas, der nur für wenige Wochen in Fairfield seine Mutter besucht, ihre Freundschaft mit dem Reverend der Gemeinde und natürlich die Dinge, die sich nach dem Fund der Tagebücher von Carolyn Cooper in Sheridans Leben verändern.
Die handelnden Personen, sowohl Protagonisten als auch Antagonisten, sind sehr schön charakterisiert. Natürlich sieht man die Menschen in Sheridans Umfeld durch ihre Augen und entwickelt – genau wie sie - Sympathien und Antipathien für die Charaktere. Ich mag ihren Vater Vernon sehr gerne und ich hatte auch eine ganze Zeit lang den Gedanken, dass er eigentlich Sheridans biologischer Vater sein könnte. Ich kreide ihm jedoch sein „ich habe von alledem nichts gewusst“ an, denn es liegt einzig und alleine an ihm, über die Vorgänge auf der Farm informiert zu sein oder nicht. Er ist zwar beruflich sehr viel und sehr oft unterwegs, das entschuldigt sein Verhalten in meinen Augen jedoch nicht. Neben Vernon mag ich Nicolas sehr gerne, denn er steht genau für das, was Freundschaft bedeutet. Auch wenn das, was er für Sheridan tut, nicht unbedingt als normaler Freundschaftsdienst zu bezeichnen ist, denn das war schon eine Nummer größer. Bevor Sheridan sich richtig in ihn verlieben konnte, verlässt er Fairfield auch schon wieder. Über Rachel und Esra mag ich gar nicht viel schreiben – sie nutzen jede Gelegenheit, Sheridan das Leben schwer zu machen und sie sind recht erfindungsreich dabei. Esra bringt sich bei einer solchen Aktion dann auch selbst in Lebensgefahr; gerettet wird er von niemand anderem als seiner Stiefschwester Sheridan.
Ich könnte mich jetzt darüber auslassen, dass Sheridan mit 15 für ihren ersten Sex noch zu jung ist, oder über die Tatsache, dass ihre Sexpartner alle deutlich älter sind als sie – die Umstände lassen sich jedoch nicht ändern und in ihrem Kaff in Nebraska kommt wahrscheinlich nicht jeden Tag ein junger Mann im passenden Alter vorbei … manchmal muss man einfach mit dem klar kommen, was man vor der Nase hat.
Dass Sheridan selbst mit dieser Situation nicht zufrieden ist, zeigt sich in ihrem Gedanken, dass sie an ihrem 18. Geburtstag ihre Koffer packt und geht. Die Geschichte dazu erzählt sie dann im 2. Band „Straße nach Nirgendwo“, der schon auf meinem eBook-Reader darauf wartet, gelesen zu werden.
Der Schreibstil der Autorin Nele Neuhaus ist – wie aus ihren Krimis gewohnt – gut und angenehm zu lesen. Die Geschichte selbst fließt vor sich hin, es gibt keine großen Dramen, keine ansteigende und abschwellende Spannung, es ist einfach die Lebensgeschichte eines jungen Mädchens, das nach und nach erwachsen wird und auf diesem Weg sowohl schöne als auch unschöne Dinge erlebt. Ich fand gerade diese unaufgeregte Art der Erzählung schön, denn ab und an brauche ich solch ruhige Geschichten. Man darf hier auf keinen Fall den Fehler machen, den Roman mit einem Krimi von Nele Neuhaus zu vergleichen, das hat überhaupt nichts miteinander zu tun.