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Veröffentlicht am 23.09.2019

Cold Case!

Der Verein der Linkshänder
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Was tut ein Kommissar im Ruhestand am liebsten? Er fährt ein paar Tage in Urlaub und löst einen alten Fall!
Kommissar Van Veeteren wird von einem ehemaligen Kollegen informiert, dass in einem alten und ...

Was tut ein Kommissar im Ruhestand am liebsten? Er fährt ein paar Tage in Urlaub und löst einen alten Fall!
Kommissar Van Veeteren wird von einem ehemaligen Kollegen informiert, dass in einem alten und eigentlich abgeschlossenen Fall ein Leichenfund die Täterfrage in einem völlig neuen Licht erscheinen lässt.
Vor mehr als 20 Jahren wurden 4 Mitglieder des Vereins der Linkshänder ermordet aufgefunden, das fünfte Mitglied verschwand spurlos. Und so wurde angenommen, dass dieser der Mörder war. Und der vermeintliche Mörder wird nun tot aufgefunden. Die Ermittlungen ergeben, dass er zur selben Zeit wie die anderen vier gestorben ist. Van Veeteren und seine Frau Ulrike fahren an den Leichenfundort und der alte Fall lässt sie nicht los. Was ist damals geschehen?

In drei Erzählsträngen wird, in drei Zeitebenen, die Geschichte nach und nach vervollständigt.
1957, als der Verein der Linkshänder aus der Not heraus gegründet wurde. Kinder, die in der Schule als Linkshänder zu Rechtshändern umgepolt wurden, finden sich zusammen.
Dann 1991, als diese Gruppe Linkshänder sich nach Jahren zu einem Wiedersehens - Wochenende trifft. Vier von ihnen sterben und einer verschwindet spurlos.
Und schliesslich 2012, als Van Veeteren, den eigentlich gelösten Fall wieder aufnimmt.
Gerade die Zeitsprünge, und zu sehen wie sich die Figuren entwickeln, haben mir sehr gefallen. Ein Cold Case, der für einmal ganz anders als üblich aufgebaut und erzählt wird.
Was zu Beginn eine Herausforderung bedeuten kann, da die Figuren in verschiedenen Altersstadien zum Zuge kommen. Um mich einzulesen, musste ich sehr konzentriert und genau lesen, hatte jedoch den Bogen sehr schnell raus.

Haken Nesser ist ein Spezialist dafür, unwichtige Details zu Nebenfiguren etwas ausdauernd zu erzählen. Da muss man zusätzlich aufpassen um den Faden nicht zu verlieren.
Sehr gut gefallen hat mir vor allem der Erzählstrang rund um Van Veeteren, der mit seiner Frau Ulrike unterwegs ist. Die beiden haben einen trockenen und manchmal schwarzen Humor. Die Dialoge lesen sich sehr witzig und haben mich gut unterhalten. Ab und zu philosophieren sie über Gott und die Welt, was jedoch ganz und gar nicht störend oder trocken daher kam.
Durch die immer wieder eingeworfenen Appetithäppchen, indem man nach und nach mehr Details rund um den in den 90er Jahren geschehenen Massenmord erfährt, wird die Story immer spannender und fesselnder. Für Abwechslung ist gesorgt, da durch die Perspektivwechsel die Geschichte sehr vielfältig ist.
Dies war mein erstes Buch rund um den knurrigen Van Veeteren und seine Frau Ulrike. Wird sicher nicht mein letztes sein, denn die Figur finde ich herausragend charakterisiert.

Veröffentlicht am 13.09.2019

Witzig!

Du bleibst mein Sieger, Tiger
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Was tun, wenn die Alterspubertät einen einholt? Wenn einen plötzlich die eigenen körperlichen Grenzen aufgezeigt werden. Und Jugendneid unser Verhältnis zum eigenen Nachwuchs überschattet.
Wenn nach langjähriger ...

Was tun, wenn die Alterspubertät einen einholt? Wenn einen plötzlich die eigenen körperlichen Grenzen aufgezeigt werden. Und Jugendneid unser Verhältnis zum eigenen Nachwuchs überschattet.
Wenn nach langjähriger Ehe die Kommunikation eingeschlafen ist und ein Tango Tankurs diese wiederbeleben soll. Dann ist es wohl Zeit, für dieses Buch!


Nach " Es ist nur eine Phase, Hase " ist nun das zweite Buch rund um die Alterspubertät erhältlich. Wie auch schon im ersten Buch, habe ich geschmunzelt, laut gelacht und so viele Male gedacht, dass mir das so was von bekannt vorkommt. Aus der Sicht eines 48 Jahre alten Mannes, also einem Alterspubertierenden, wird über das Leben, die Liebe, den körperlichen Verfall, Freundschaften und weiteren Themen sinniert und auch philosophiert.

Der Schreibstil ist witzig, ohne dass ich das Gefühl hatte, hier wird etwas krampfhaft auf lustig getrimmt. Einzelne Szenen, wie diejenige am Tango Tankurs, haben mich laut lachen lassen. Mit viel Wortwitz und einer augenzwinkernden Art und Weise schleust das Autorenduo die Leser durch urkomische Situationen.
Allerdings gibt es auch langatmige Stellen. Mich persönlich hat die Liste der Songs mit dazugehörenden Erläuterungen überhaupt nicht angesprochen. Schade, denn bei einem 144 Seiten dünnen Büchlein, fallen ein paar Seiten Langatmigkeit besonders ins Gewicht.
Gut gefallen hat mir, dass kapitelweise und Kurzgeschichten ähnlich die verschiedensten Themen angesprochen werden. Die sind so vielfältig, wie halt auch die Sorgen, Nöte und Aengste der Menschen im Zielgruppenalter.

Muss man für dieses Buch in der Zielgruppe, das heisst 40 + sein? Ich denke, es erleichtert ungemein, wenn man kennt, über was hier geschrieben wurde. Nur schon um zu verstehen, was damals der Reiz eines Kassettenrecorders ausgemacht hat, muss man diese Zeit wohl selbst erlebt haben. Oder Billy Idol kennen....

Früher war alles anders … vielleicht sogar besser? Wie rettet man den Körper, den geistigen Verfall und die Liebe zu seinem Partner über die mittleren Jahre? Dieses Buch serviert keine Lösungen. Doch lässt einen über so vieles nachdenken und schmunzeln.

Veröffentlicht am 11.09.2019

Der etwas andere Thriller!

ATME!
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Nile ist überglücklich, als Ben spontan Ueberstunden abfeiert und mit ihr Shoppen geht. In einer Boutique probiert Nile ein Kleid an, während Ben vor der Umkleidekabine wartet.
Und dann ist Ben plötzlich ...

Nile ist überglücklich, als Ben spontan Ueberstunden abfeiert und mit ihr Shoppen geht. In einer Boutique probiert Nile ein Kleid an, während Ben vor der Umkleidekabine wartet.
Und dann ist Ben plötzlich weg!
Nile ist verzweifelt, denn Ben reagiert weder auf Anrufe, noch hat ihn einer seiner Freunde oder die Familie gesehen. Auch seine Exfrau Flo behauptet nicht zu wissen, wo Ben steckt. Erst ist Nile sicher, dass Flo es geschafft hat, Ben zurückzuerobern. Doch Flo behauptet, ihn nicht gesehen zu haben.
Was ist mit Ben geschehen?

Ich habe mich zuerst schwer getan mit der Figur Nile. In Ich - Perspektive erzählt Nile über ihre grosse Liebe zu Ben. Nile ist dabei etwas anstrengend und hat Tendenz zu plappern. Ich habe mich auch gefragt, ob Ben wirklich existiert. Denn Niles Reaktionen auf sein Verschwinden sind ziemlich irrational. Zudem hat sie einen leichten Hang zu Hysterie.

Erst nach und nach bekommt die Figur Tiefe und je mehr man erfährt, je besser versteht man, weshalb Nile so ist, wie sie ist. Und ab da hat mich die Geschichte gepackt, denn ich wollte unbedingt wissen, wo Ben steckt. Ich hatte das Gefühl, ich steuere langsam aber sicher auf einen grossen Knall zu.
Der Rhythmus der Erzählung ist sehr gut gelungen. Immer wieder wird gewechselt, zwischen der Erzählung in der Gegenwart und der Vergangenheit. Obwohl diese Wechsel nicht deklariert sind, verliert man nie den Faden. Denn durch eine klare Gliederung, weiss man immer, wo die Story gerade steckt.

Ben hat sich wegen Nile von seiner Frau Flo getrennt. Meist ist es in Büchern so, dass aus der Sicht der abtrünnigen, oder aber der verlassenen Figur erzählt wird. Die Autorin dreht den Spiess um und rückt die neue Freundin, also Nile, in den Mittelpunkt. Das wirft ein total anderes Licht auf die Trennung eines Paares.
Vieles geht um Beziehungen … zwischen einem Paar, aber auch zwischen dem getrennten Paar und Freunden oder der Familie. Ab einem Drittel des Buches schleichen sich Spannungsmomente ein, die mich fesseln konnten.
Auch wenn ich mich zu diesem Zeitpunkt fragte, ob das reicht um als Thriller durchzugehen, habe ich mich trotzdem gut unterhalten gefühlt. Psychologisch richtig ausgekügelt wird es zum Schluss. Hervorragend gemacht und mit viel Tiefe ... und man erkennt im Nachhinein so einiges, das zuvor rätselhaft erschien.

Der Schreibstil ist einfach gehalten und gut gefallen hat mir, wie relevante Infos wie nebenbei eingestreut wurden. So, dass man nach dem Lesen dieser Infos stutzt und sie noch mal liest.
Die überschaubare Anzahl an Figuren lassen dieses Buch ziemlich flott lesen.

Atme! ein Titel der absolut Bezug, noch dazu einen sehr cleveren, zum Inhalt hat.

Veröffentlicht am 09.09.2019

Forschung und Frauenrechte

Die Charité: Aufbruch und Entscheidung
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1903 : Rahel Hirsch, tritt ihre erste Stelle als Aerztin an. Und zwar im renommierten Krankenhaus Charité in Berlin. Motiviert stürzt sie sich in die Arbeit, ein grosser Teil ist der Forschung gewidmet. ...

1903 : Rahel Hirsch, tritt ihre erste Stelle als Aerztin an. Und zwar im renommierten Krankenhaus Charité in Berlin. Motiviert stürzt sie sich in die Arbeit, ein grosser Teil ist der Forschung gewidmet. Als einzige Aerztin mitten in einem Männerteam muss sie sich ganz schön behaupten. Sie kämpft um Anerkennung, Lohn und gleiche Rechte. Und immer wieder gegen Krankheiten, wie Syphillis und die Schrecken des Krieges.
Unterstützung bekommt sie, als sie Barbara kennen lernt, die in der Wäscherei des Krankenhauses arbeitet. Barbara schliesst sich der Frauenbewegung an und kämpft um Frauenwahlrecht und die Rechte der Frauen.
Können die beiden Frauen bewirken, dass die weiblichen Arbeiterinnen mehr Lohn und Anerkennung erhalten?


" Die Charité, Aufbruch und Entscheidung " ist der zweite, jedoch völlig unabhängige Band der Bücher von Ulrike Schweikert rund um das Krankenhaus Charité in Berlin. Keine der Figuren aus dem ersten Teil werden hier erwähnt und spielen eine Rolle. Mit völlig neuen Figuren startet man in dieses Buch.

Protagonistin Dr. Rahel Hirsch, die als erste weibliche Ärztin an der Charité arbeitet. Rahel Hirsch ist eine reale Figur und ein Blick in ihre Vita zeigt, dass sie ab 1908 sogar die Poliklinik in Berlin geleitet hat. Der Hirsch - Effekt, die Entdeckung, dass Stärkekörner in Blut und Urin nachgewiesen können, geht auf ihr Konto. Hier wurde sehr viel Geschichtliches eingewoben.
Ihre beste Freundin, Barbara, ist hingegen eine fiktive Figur. Obwohl die Tatsache, dass Frauen wie sie bis zu zehn Stunden täglich in der Wäscherei des Krankenhauses geschuftet haben, nur allzu real war.
Die Frauen haben eine grosse Gemeinsamkeit. Egal ob Klinik oder Wäscherei. In beiden Bereichen erhalten die Männer, trotz gleicher Arbeit und Ausbildung massiv mehr Lohn. Und so werden die Rechte der Frauen in dieser Geschichte zu einem zentralen Thema.

Etwas enttäuscht war ich, dass sich die Handlung weniger am Krankenbett, überhaupt im Krankenhaus abspielt. Mittelpunkt sind die Forschungen rund um die Medizin. Neu entdeckte Krankheiten, die ausgerottet werden müssen und Erfindungen wie zum Beispiel Röntgengeräte. Dies wird auch ausdauernd und ab und zu langatmig erzählt. Dazu kommt das Leben kurz vor der Mobilmachung und während des Krieges. Weit weg vom Schauplatz Krankenhaus Charité!
Wenn es auf 4 bis 5 Seiten um Röntgenapparate geht, wird es erstens sehr theoretisch und zweitens leidet die Handlung darunter. Solche theoretischen Passagen gab es auch rund um die Themen Politik, Fliegerei und Kriegsmächte.

Gut recherchierte geschichtliche Aspekte, Ereignisse und Details zeigen ein Stück des Lebens in Berlin von 1893 bis 1938. Die Weltlage, Mobilmachung und der drohende Krieg, jedoch auch das Leben, das oft karg und ärmlich ist, wird gut beschrieben. Anhand von Barbara, der in Armut lebenden Freundin von Rahel Hirsch, erkennt man, wie schwer Frauen zu der damaligen Zeit unter schrecklichen Bedingungen schuften mussten, um sich und der Familie das Überleben zu sichern.

Der Schreibstil der Autorin gefiel mir nach wie vor gut. Die oben beschriebenen langatmigen Stellen hätten zu Gunsten einer Handlung, die vermehrt im Krankenhaus spielt, gestrichen werden dürfen.

Veröffentlicht am 02.09.2019

Tom's zweiter Streich!

Zimmer 19
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Tom Babylon vom LKA Berlin wird zur grossen Veranstaltung " Berlinale " zitiert. Statt des Eröffnungsfilms wird dort von einem Unbekannten ein Snuff Video eingeschleust. Das Opfer, bei dessen Ermordung ...

Tom Babylon vom LKA Berlin wird zur grossen Veranstaltung " Berlinale " zitiert. Statt des Eröffnungsfilms wird dort von einem Unbekannten ein Snuff Video eingeschleust. Das Opfer, bei dessen Ermordung das ganze Publikum zusehen muss, ist die Tochter des Bürgermeisters Otto Keller. Wieder an Tom's Seite bei diesem kniffligen Fall ist Dr. Sita Johanns, Psychologin und ehemalige Analystin der Abteilung OFA.

" Zimmer 19 " ist eindeutig eine Fortsetzung von seinem Vorgänger "Schlüssel 17". Da lobe ich mir den Ullstein Verlag, der schafft, was viele andere Verlage nicht schaffen: Ganz klar auf dem Cover vermerken, dass dies der zweite Teil von Tom Babylon ist.
Zwar sind die Fälle in sich abgeschlossen. Doch da gerade der persönliche und familiäre Hintergrund von Tom Babylon sich in diesem zweiten Buch weiterentwickelt, denke ich, dass zum besseren Verständnis zuerst das erste Buch gelesen werden sollte. Gerade die familiären Hintergründe sind wichtig für die Ermittlungen beim neuen Fall. Wenn man die kennt, liest sich das Buch wohl vielschichtiger und man versteht viele Hintergründe, die auch im in sich abgeschlossenen Fall eine Rolle spielen.
Der Fall, der Tod der jungen Frau, steigert sich in eine undurchsichtige Geschichte für Tom und Sita. Auch für uns Leser wird die Story komplex und immer neue Fakten tauchen auf, die echt spannend sind. Immer wieder werden Kapitel, die kursiv geschrieben sind und Rückblicke auf Sitas Vergangenheit im Jahr 2001 eingeflochten.
Diese empfand ich oft als langatmig und ich hatte das Gefühl, die Handlung kommt weder vom Fleck noch auf den Punkt. Zum Glück gibt es in der Hauptgeschichte, der Erzählung in der Gegenwart, immer wieder brenzlige Szenen, die den Leser in Atem und bei der Stange halten. Hier muss man ab und zu ein Auge zudrücken, da einiges doch arg konstruiert scheint.

Der Schreibstil von Marc Raabe ist komplex, doch gut verständlich. Er hat mit Tom Babylon und Sita Johanns zwei Figuren mit Wiedererkennungswert geschaffen. Einzig der immer wieder mal erwähnte Hang zum Drogenkonsum, müsste meiner Meinung nach nicht unbedingt sein. Sita und Tom haben beide ein Trauma in der Vergangenheit erlitten, dadurch agieren sie manchmal unüberlegt und sie neigen zu Alleingängen. Ob sie dadurch die besseren Ermittler sind, ist die Frage. Unverwechselbar in der Charakterisierung jedoch ganz sicher.

Wer " Zimmer 19 " liest, sollte darauf vorbereitet sein, dass das Ende offen ist und der Übergang zu einem dritten Teil eröffnet.