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Veröffentlicht am 07.09.2019

Zwei suchende Seelen

Ein neues Blau
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1985. Die 18-jährige Anja Hermann hat es momentan nicht leicht, denn die Eltern streiten sich immer öfter und auch die Schule macht ihr zu schaffen. Da kommt ihr das Angebot eines Lehrers gerade recht, ...

1985. Die 18-jährige Anja Hermann hat es momentan nicht leicht, denn die Eltern streiten sich immer öfter und auch die Schule macht ihr zu schaffen. Da kommt ihr das Angebot eines Lehrers gerade recht, der ihr einen Job als Gesellschafterin seiner alten Mutter vermittelt. Anja hat keine großen Erwartungen, doch dann ist sie immer mehr von Lili Kuhn und deren Leben fasziniert, das nach und nach bei gemeinsamen Gesprächen an die Oberfläche kommt. Die Halbjüdin Lili Cohen wuchs im Berlin der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts auf. Nach dem frühen Tod der Mutter lässt der Teehändler Jakob seiner Tochter Lili eine liebevolle und wohlbehütete Kindheit angedeihen. Unterstützt wird er dabei durch seinen alten japanischen Geschäftsfreund Takeshi, der seinen Wohnsitz von Japan nach Berlin verlagert und Lili schnell ans Herz wächst. Viel später lernt Lili Günther von Pechmann, den Direktor der Königlichen Porzellan Manufaktur kennen, der sie in die Welt der Porzellanherstellung einführt, die einen Großteil von Lilis Leben bestimmen soll, bis die Nazis die Herrschaft in Deutschland übernehmen…
Tom Saller hat mit „Ein neues Blau“ einen wunderschönen historischen Roman vorgelegt, der Fiktion mit wahren Begebenheiten auf sehr gekonnte Weise miteinander verwebt. Der Schreibstil ist flüssig, berührend, intensiv und voller Poesie. Die Neugier des Lesers wird schon durch einen interessanten Prolog geweckt und lässt ihn eintauchen in zwei verschiedene Welten, denn der Roman bewegt sich auf zwei Zeitebenen, der eine spiegelt die Gegenwart um 1985 wieder, in der sich die junge Anja und die alte Lili kennenlernen. Die andere Ebene lässt den Leser an dem bewegten Leben von Lili teilhaben, dass mit den 20er Jahren und ihrer Kindheit beginnt. Der Autor versteht es sehr geschickt, den historischen Hintergrund und einige bekannte Größen in seiner Geschichte zu verankern und ihr damit noch mehr Glaubwürdigkeit und Authentizität zu verleihen. Mit seiner Themenauswahl bietet er einen interessanten Einblick in die japanische Teezeremonie, die Judenverfolgung während der Nazizeit sowie über die kunstvolle Herstellung von Porzellan. Durch die wunderbare und ruhige Erzählweise des Autors hat der Leser während der gesamten Handlung das Gefühl, mit den beiden Frauen in einem Raum zu sitzen und ihren Ausführungen persönlich zu lauschen. Der Epilog birgt am Ende noch eine Überraschung, die das Buch so besonders werden lassen.
Die Charaktere sind sehr ausgefeilt und mit Persönlichkeit versehen. Individuelle Ecken und Kanten lassen sie lebendig und vor allem glaubwürdig wirken. Der Leser kann sich sowohl in Anja als auch in Lili hineinversetzen, was es ihm leicht macht, ihren Gedanken und Gefühlen zu folgen und sie auch nach der Lektüre noch für eine geraume Weile im Gedächtnis zu behalten. Anja ist eine sehr junge Erwachsene, die den damaligen 80er Jahren entspricht. Mit ihrer jugendlichen Aussprache, ihrem offenen und leicht frechen Wesen findet sie den Schlüssel zu Lilis Herz. Innerlich ist die junge Frau unsicher und zerrissen. Lili ist mit ihrem Alter schon gesetzt, erfahren und sehr zurückhaltend, denn sie hat zu viel gesehen und erlebt. Die Kombination zwischen Alter und Jugend ist reizvoll, da der Austausch ein gegenseitiges Lernen beinhaltet und auch ein gewisses Verständnis für die jeweils andere Seite hervorruft, wenn erst einmal Vertrauen gefasst wurde. Aber auch der Takeshi mit seinem Einfühlungsvermögen und Rabbi Teichlmann haben ihren berechtigten Auftritt in dieser Geschichte, die so intensiv wie fesselnd ist.
Mit „Ein neues Blau“ hat Tom Saller einen wunderschönen und eindrucksvollen Roman geschaffen, der sich nicht nur durch eine sehr gute historische Recherche und die Verflechtung von Fiktion und Wahrheit auszeichnet, sondern auch durch die Themenauswahl und die Schicksale, die er dem Leser näher bringt. Absolute Leseempfehlung für ein echtes Highlight!

Veröffentlicht am 03.09.2019

Aufgeben ist keine Option

Du bist die Story meines Lebens
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Nach ihrer Scheidung vor 3 Jahren hat sich Amelia die kleine gemütliche Stadt Maple Valley in Iowa als neues Zuhause ausgesucht und sich dort als Chefredakteurin bei der örtlichen Zeitung eingelebt. Seit ...

Nach ihrer Scheidung vor 3 Jahren hat sich Amelia die kleine gemütliche Stadt Maple Valley in Iowa als neues Zuhause ausgesucht und sich dort als Chefredakteurin bei der örtlichen Zeitung eingelebt. Seit der Inhaber verstorben ist und bisher niemand den Erben der Zeitung kennt, sind Gerüchte im Umlauf, dass die Zeitung an einen Großkonzern verkauft werden soll. Amelia versucht, den ehemaligen Reporter Logan Walker als Mitarbeiter zu gewinnen, um einem Verkauf entgegen zu wirken. Logans Lebensmittelpunkt ist inzwischen Kalifornien, wo der Witwer mit seiner kleinen Tochter Charlie lebt und eine eigene Agentur betreibt. Doch als er erfährt, dass er der Erbe der Zeitung in Maple Valley ist, zieht er für einige Zeit zurück zu seiner großen Familie in seine Heimatstadt, auch um Charlie einen Ort zu bieten, um ihre Sprachschwierigkeiten in den Griff zu bekommen. Dort trifft Logan schon bald auf Amelia und trifft in ihr eine verletzte Seele, die ebenso wie er auf Heilung hofft…
Melissa Tagg hat mit „Du bist die Story meines Lebens“ einen wunderschönen und gefühlvollen Roman vorgelegt, der den Leser mit einem flüssigen, bildhaften und emotionalen Schreibstil direkt in die Geschichte hineinkatapultiert, wo er sich schon bald in dem kleinen Ort Maple Valley zurechtfindet und Teil der großen Gemeinschaft wird. Während der Leser sehr eng an dem Leben von Amelia und Logan beteiligt wird, lernt er auch das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Nachbarschaftshilfe der Bewohner kennen, die füreinander da sind, sich gegenseitig in allen Lebenslagen unterstützen und niemanden allein lassen in der Not. Auch der Kampf der Mitarbeiter für das Überleben der kleinen Zeitung ist bemerkenswert, denn sie entwickeln einigen Aktionismus, um sie zu erhalten. Die Bürden, die die Autorin ihren Protagonisten auferlegt hat, sind glaubwürdig und nachvollziehbar. Da geht es um schmerzhafte Trennungen, Schicksalsschläge, alternde Eltern und Jobverlust, alles Themen, die auch in der heutigen Zeit jeden treffen können.
Auch der christliche Aspekt wurde in diesem Buch sehr schön und unaufdringlich herausgearbeitet. Sowohl Amelia als auch Logan sind eine Weile vom Weg des Glaubens abgekommen aufgrund ihrer erfahrenen Schicksalsschläge. Aber nach und nach wenden sie sich gedanklich wieder Gott zu, bitten um Rat und legen ihr Leben vertrauensvoll in seine Hände.
Die Charaktere wurden sehr liebevoll in Szene gesetzt und wirken mit ihren individuellen Ecken und Kanten lebendig und der Realität entsprungen. Der Leser fühlt sich von Beginn an wohl in ihrer Mitte und kann ihre Sorgen und Nöten gut nachvollziehen. Amelia ist eine offene und freundliche Frau, die eine gewisse Hartnäckigkeit besitzt. Ihr Herz trägt sie auf der Zunge, aber sie hat seit ihrer Scheidung eine verletzte Seele, die noch immer nicht verheilt ist. Logan ist seit dem Tod seiner Ehefrau alleinerziehender Vater. Töchterchen Charlie ist zwar erst drei Jahre alt, macht aber keine Anstalten zu sprechen. All seine Sorge gilt seinem Kind und der Ablenkung vom Tod seiner Frau. Er ist ein Meister des geschriebenen Wortes, besitzt Humor, aber auch Einfühlungsvermögen und Mitgefühl. Logans Familie ist so liebevoll miteinander, dass man sich als Leser sofort als Mitglied fühlt. Aber auch Protagonisten wie Owen, Jen und Mae tragen mit ihren Auftritten dazu bei, dass die Handlung rundum gelungen ist.
„Du bist die Story meines Lebens“ ist ein wunderbarer und gefühlvoller Roman über Verlust und Leid, über Freunde und Familie, und vor allem über die Liebe. Für zauberhafte unterhaltsame Lesestunden gibt es eine absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 01.09.2019

Peleroich - Zeitgeschehen wunderbar erzählt!

Kastanienjahre
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2018. Die aus dem mecklenburgischen Peleroich stammende Elise lebt seit 20 Jahren in Paris und führt dort eine eigene kleine Boutique am Montmatre. Eines Tages erhält sie einen anonymen Brief aus ihrer ...

2018. Die aus dem mecklenburgischen Peleroich stammende Elise lebt seit 20 Jahren in Paris und führt dort eine eigene kleine Boutique am Montmatre. Eines Tages erhält sie einen anonymen Brief aus ihrer alten Heimat mit beunruhigenden Nachrichten veranlasst Elise, mit ihrer alten Freundin Marina nach Peleroich zu reisen. Dort ist ihr die eigene Vergangenheit wieder ganz nah und Elise fühlt sich zurückversetzt in ihre Kindheit 60er Jahre, als Peleroich durch den Mauerbau zur DDR gehörte. Hier traf sie auf die beiden wichtigsten Männer ihres Lebens: Jakob und Henning, mit denen sie eine Dreiecksbeziehung führte, und Jakob irgendwann einfach aus Elises Dunstkreis verschwand. Jahrelang hat sie nach ihm gesucht, ihn jedoch nie gefunden. Elise möchte unbedingt herausfinden, was der Grund für Jakobs Verschwinden war, aber auch der Tod ihres Vaters nagt an ihr. Ob sie doch noch herausfindet, was damals geschehen ist und wer der anonyme Briefeschreiber ist?
Anja Baumheier hat mit „Kastanienjahre“ ein wunderbares und gefühlvolles Stück Zeitgeschichte vorgelegt, das ein sehr glaubwürdiges Bild der damaligen DDR wiederspiegelt. Die Autorin hat selbst 10 Jahre in der DDR verbracht und weiß genau, wovon sie schreibt. Der flüssige und emotionale Schreibstil, gespickt mit farbenfrohen Bildern, lässt den Leser Gast von Friedrich und Dora und deren Dreh- und Angelpunkt „Kastanienhof“ werden und die Protagonisten hautnah erleben. Die Autorin lässt die Vergangenheit sehr lebendig am Leser vorbeiziehen, so darf man das Kennenlernen von Elises Eltern Karl und Christa miterleben, die Gründung der DDR und den folgenden Mauerbau, die enge Dorfgemeinschaft von Peleroich sowie der Mangel an Konsumgütern oder die Denunzierung von vermeintliche Freunde. Baumheier beschreibt eine Idylle, die heimelig und nahezu gemütlich klingt. Doch auch die Stasifratze bleibt nicht verborgen, der Verräter findet sich innerhalb der Dorfgemeinde. Die Träume von Elise und ihren Freunden sind ebenso Bestandteil dieses außergewöhnlichen Romans wie der Verfall so mancher Ortschaft nach der Wende, nachdem viele sich auf den Weg in den Westen gemacht haben. Die Geschichte birgt viele Geheimnisse in sich und der Leser darf diese durch die geschickte Handlungskonstruktion der Autorin nach und nach offenlegen. Die Geschichte entfaltet von der ersten Seite an einen regelrechten Sog, dem man sich gar nicht entziehen kann, was auch das Talent der Autorin wiederspiegelt.
Die Charaktere sind wunderbar lebendig gestrickt und überzeugen durch Authentizität und Glaubwürdigkeit. Der Leser fühlt sich unter ihnen gleich als Teil der Gemeinschaft und erfährt nach und nach sehr viel über die einzelnen Protagonisten, von denen manche ihm regelrecht ans Herz wachsen. Christa und Karl sind beide sehr sympathische Menschen und wunderbare Eltern für Elise. Ihre Sehnsüchte und Träume bleiben dem Leser genauso wenig verborgen wie Elises Gefühle für ihre beiden Liebsten Jakob und Henning. Jakob ist ein feinfühliger Freigeist, der gern als Künstler arbeiten möchte und Elises Sehnsucht nach Freiheit teilt. Henning ist das komplette Gegenteil von Jakob und Elises Ehemann, die beiden trennen sich aber nach einiger Zeit. Pfarrer Otto ist eine Seele von Mensch, während man Bürgermeister Lehmann irgendwie sofort anmerkt, dass er ein Regimetreuer ist. Aber auch Protagonisten wie Friedrich und Dora haben ihren Platz in dieser Geschichte.
Mit „Kastanienjahre“ ist Anja Baumheier ein absoluter Pageturner und ein würdiger Nachfolger für ihr Erstlingswerk „Kranichland“ gelungen. Die Geschichte überzeugt nicht nur durch ihren bildhaften und gefühlvollen Schreibstil, sondern vor allem mit einem realistischen Stück Zeitgeschichte, wobei dem Leser ein direkter Blick durchs Schlüsselloch gewährt wird. Wunderbar erzählt, besser geht es nicht. Chapeau!

Veröffentlicht am 01.09.2019

Norwegische Familienbande

Das Geheimnis der Fjordinsel
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1980 Ostfriesland. Rike steht als junge Frau ihren Mann, denn sie arbeitet auf einem Schlepper und wünscht sich nichts mehr, als es ihrem Opa Fiete gleich zu tun und endlich Schlepperkapitänin zu werden. ...

1980 Ostfriesland. Rike steht als junge Frau ihren Mann, denn sie arbeitet auf einem Schlepper und wünscht sich nichts mehr, als es ihrem Opa Fiete gleich zu tun und endlich Schlepperkapitänin zu werden. Schließlich ist sie bei ihm aufgewachsen, da ihre Mutter Beate lieber auf Kreuzfahrtschiffen in der Welt herum gondelte, als sich um ihre Tochter zu kümmern. So ist Opa derjenige, der ihr in allen Belangen Rückhalt gibt. Dann stirbt Fiete plötzlich, der Verlust reißt ein tiefes Loch in Rikes Herz. In dem Haus, das sie von ihm geerbt hat, stößt Rike auf alte, noch ungelesene Briefe ihrer Großmutter Johanne an Mutter Beate. Der jüngste Brief ist erst 5 Jahre alt, was Rike verwirrt, denn sie glaubte immer, dass ihre Oma tot ist. Anscheinend hat Johanne aber vor Jahrzehnten Mann und Tochter verlassen und ist in ihre Heimat Norwegen zurückgekehrt. Rike ist neugierig und will ihre Großmutter unbedingt kennenlernen. Deshalb reicht sie Urlaub ein und reist nach Norwegen, um sie zu suchen…
Mit ihrem neuen Roman „Das Geheimnis der Fjordinsel“ ist Christine Kabus wieder ein wunderbar fesselnder historischer Roman vor traumhafter Kulisse gelungen, dessen flüssiger und bildhafter Schreibstil den Leser schon mit den ersten Zeilen packt und in die Geschichte regelrecht hineinsaugt, wo er sich an der Seite von Rike in der Gegenwart und an der von Johanne in der Vergangenheit ab 1926 niederlässt, um das Schicksal beider Frauen mitzuerleben. Kabus‘ Liebe und Kenntnisse der skandinavischen Ländern blitzt bei den herrlichen Beschreibungen der Landschaft immer wieder hervor und überträgt sich automatisch auf den Leser, der großartige Bilder vor Augen hat, während er die Handlung an sich vorbeiziehen lässt und dabei Land und Leute durch die Erzählung der Autorin kennenlernt. Durch die wechselnden Perspektiven und Zeitzonen entwickelt sich eine unterschwellige Spannung, denn es gilt Geheimnisse aufzudecken und Ungereimtheiten in der Familiengeschichte auszuräumen. Stück für Stück gleich einer kunstvollen Quiltarbeit weiht die Autorin den Leser in das Familiengefüge und die Geschicke der Protagonistinnen ein, die ein starkes Frauenbild abgeben, sowohl in der Vergangenheit als auch im Hier und Jetzt. Dabei webt sie Themen wie Schmuggelei und Prohibition ein und verpackt diese sehr unterhaltsam und spannend.
Die Charaktere sind lebendig und mit viel Liebe zum Detail ausgearbeitet, so dass sie dem Leser mit ihrer Individualität und Glaubwürdigkeit schnell ans Herz wachsen. Aufgrund der schnell aufgebauten Nähe zu ihnen fällt ein Mitfühlen und –fiebern nicht schwer. Rike ist eine junge selbstbewusste Frau, die weiß, was sie will. Sie besitzt eine gesunde Neugier, ist offen, freundlich und hilfsbereit. Das Verhältnis zu ihrer Mutter Beate ist fast nicht vorhanden, ebenso wie das zwischen Beate und Johanne. Beate ist unterkühlt und wenig zugänglich, was bei manchen Dingen verständlich ist, trotzdem wirkt sie wenig sympathisch. Johanne ist ebenfalls eine starke und mutige Frau, die sich vielen Widrigkeiten stellen und sich allein durchboxen musste. Dabei steht sie wie Rieke als Frau ihren Mann. Aber auch Leif, Rolf und Sven bringen einigen Unterhaltungswert und Spannungsmomente in die Geschichte.
„Das Geheimnis der Fjordinsel“ aus der Feder von Christine Kabus ist wieder ein Pageturner der besonderen Art. Eine geheimnisvolle und spannende Familiengeschichte kombiniert mit etwas Romantik sowie jeder Menge toller Landschaftsbilder und historischem Hintergrund sorgen für beste Unterhaltung und haben eine Leseempfehlung mehr als verdient! Absoluter Lesegenuss!

Veröffentlicht am 01.09.2019

Lebensschicksale aufgrund der Thomas-Katastrophe

Träume von Freiheit - Flammen am Meer
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1875 Bremerhaven. Der Hafen ist voller Menschen, die entweder auf den Weg an Bord des Auswandererschiffs „Mosel“ mit Ziel New York sind oder die ihre Angehörigen verabschieden wollen, als die Explosion ...

1875 Bremerhaven. Der Hafen ist voller Menschen, die entweder auf den Weg an Bord des Auswandererschiffs „Mosel“ mit Ziel New York sind oder die ihre Angehörigen verabschieden wollen, als die Explosion eines Dynamitfasses großes Unheil anrichtet und für viele Schwerverletzte und 80 Tote sorgt. Es ist die Tat des Attentäters William King Thomas, der sich selbst richtet, nachdem er die Katastrophe verursacht hat, die deshalb auch den Namen „Thomas-Katastrophe trägt und damit in die historischen Annalen eingeht. Die 20-jährige Johanne Claussen verliert bei diesem Unglück fast ihre gesamte Familie und zudem ihre rechte Hand, während ihre kleine Tochter Elschen völlig unbeschadet bleibt. Cecelia, die Ehefrau von Thomas, muss sich nun allein um ihre 4 Kindern kümmern, das kostspielige Leben, das sie bisher gewohnt war, ist ab jetzt nicht mehr möglich, zumal sich inzwischen die Schulden türmen. Zudem wird sie als Frau eines Massenmörders von der Bevölkerung geschnitten. Das will Cecelia nicht ertragen und kehrt zu ihrem Vater und ihrer Schwester nach Amerika zurück, wo niemand von dem Unglück und ihrem Bezug dazu weiß. Wie wird es mit Johanne und Cecelia weitergehen?
Silke Böschen hat mit „Träume von Freiheit-Flammen am Meer“ einen sehr interessanten, gefühlvollen und auf historischen Tatsachen mit zum Großteil belegten Personen beruhenden Debütroman vorgelegt, den ersten Band einer geplanten Trilogie. Der flüssige und bildhafte Schreibstil der Autorin nimmt den Leser sofort für sich ein und katapultiert ihn direkt in das 19. Jahrhundert, wo er von Beginn an Augenzeuge einer verheerenden Katastrophe wird, um danach zwei direkt davon betroffene Protagonistinnen auf ihrem weiteren Lebensweg zu begleiten. Die exzellente Recherche des historischen Hintergrunds in Verbindung mit den Zeugnissen Hinterbliebener und deren Verflechtung mit der fiktiven Handlung macht dieses Buch so besonders, denn der Leser bekommt dadurch das Gefühl, die Geschichte quasi aus „erster Hand“ erzählt zu bekommen. Zudem ist der Roman aus wechselnden Perspektiven so spannend aufgebaut, dass der Leser in beide Frauenschicksale eintauchen und sich ein Bild machen kann. Sehr interessant ist auch der Epilog am Ende des Romans als krönender Abschluss, der eine 70-jährige Johanne zu Wort kommen lässt und eine kurze Rückschau bietet.
Die Charaktere sind derart gut und detailliert ausgearbeitet, dass sie regelrecht aus dem Buch zu springen scheinen. Sie bestechen mit ihren individuellen Ecken und Kanten, ihren unterschiedlichen Lebensläufen und ihrer Glaubwürdigkeit. Der Leser kommt ihnen bei der Lektüre sehr nah und hat die Möglichkeit, sich in sie hineinzuversetzen und ihre Gedanken- und Gefühlswelt nachzuvollziehen. Johanne ist mit 20 Jahren noch eine sehr junge Frau, die fast ihre gesamte Familie mit einem Schlag und auch ihre rechte Hand verliert. Sie ist verzweifelt, wütend und gebrochen, denn ihr einstmaliges Lebensglück ist dahin. Einzig ihr Töchterchen gibt ihr die Kraft, stark zu sein, den Kampf für das Leben in die Hand zu nehmen. Cecelia ist zwar ebenfalls ein Opfer der Katastrophe, doch ihr Hang zum Verschwenderischen löst bei ihrem Ehemann aufgrund der ganzen Schulden die Verzweiflungstat aus, einen Versicherungsbetrug zu planen und dabei so viele Menschen in den Tot zu schicken bzw. zu verletzen. Cecelia ist aalglatt, leugnet zu wissen, was ihr Mann plante und lernt doch nichts dazu. Sie wirkt egoistisch und unbelehrbar, aber sie ist eine gute Mutter, die alles für ihre Kinder tut.
In „Träume von Freiheit-Flammen am Meer“ ist die Verbindung von Fiktion und belegten Tatsachen innerhalb eines historischen Romans sehr gut gelungen. Zudem kann das Buch mit einem wunderbaren und bildgewaltigen Erzählstil sowie mit starken Frauenrollen punkten. Hier passt einfach alles sehr gut zusammen, was nur eine absolute Leseempfehlung zur Folge haben kann. Toll gemacht!