Eine bewegende Geschichte mit vielen Zeitsprüngen
Tom Sailers neuer Roman heißt "Ein neues Blau" und erscheint im List Verlag.
Lili lebt als ältere Frau zurückgezogen in Charlottenburg, ihre Kindheit wurde nach dem frühen Tod ihrer Mutter geprägt durch ...
Tom Sailers neuer Roman heißt "Ein neues Blau" und erscheint im List Verlag.
Lili lebt als ältere Frau zurückgezogen in Charlottenburg, ihre Kindheit wurde nach dem frühen Tod ihrer Mutter geprägt durch das behütete Aufwachsen bei Takeshi und ihrem jüdischen Vater, der Teehändler war. Sie bekam Religionsunterricht bei einem Rabbi, wurde als Porzellanmalerin ausgebildet und arbeitete bei der Preußischen Porzellanmanufaktur. Sie liebt das Töpfern und das Fliegen, erlebte die Liebe und litt unter den Schrecken der NS-Diktatur.
Als Lilis an dem Verlust eines Freundes durch die Judenverfolgung sehr leidet, vermittelt ihr Sohn ihr die Gymnasiastin Anja als Gesellschafterin. Doch Anja, gerade mal 18 Jahre alt, recht widerspenstig und eigensinnig, hat selbst Probleme. Es ist interessant, wie die beiden Frauen miteinander umgehen.
In diesem Roman treffen unterschiedliche Kulturen, Religionen und verschiedene Altersstufen aufeinander.
Sehr realistisch beschreibt der Autor die Zeit des Nationalsozialismus, man wird Zeuge dieser Schrecken und erlebt die Schwierigkeiten der Künstlerin Marguerite Friedlaender, die auswandern musste.
Auch wenn ich viel über die Figuren erfahren und mit ihnen gelitten habe, konnte ich keine emotionale Nähe zu ihnen aufbauen, sie blieben mir etwas distanziert und fern.
Saller springt zwischen den Zeiten in Lilis Vergangenheit und der Gegenwart hin und her, er erzählt sehr emotional, auch realistisch, er beobachtet alles bis ins kleinste Detail, dabei mal mit humorvollem und doch nachdenklichen Tonfall. Im Leben beider Frauen spielen Scherben und psychische Probleme eine wichtige Rolle, das verbindet sie und darüber nähern sie sich einander an.
Die Sprache wechselt von erzählerisch wertvoll hin zu alltäglichem Slang, das wirkt meiner Meinung nach wie ein Bruch. Doch so sind die Generationen, sie verändern sich in ihren Äußerungen, aber mit ihren menschlichen Wünschen, Hoffnungen und Problemen sind sie gleich.
In diesem Roman geht es um Berliner Geschichte, um menschliche Schicksale, Niedertracht und Hilfsbereitschaft. Teezeremonien, Kunst und Porzellanherstellung sind die Bindeglieder der Figuren.
Alles Wissenswerte über die Porzellanmanufaktur und die Entstehung des Preußisch Blau hat mich sehr interessiert. In einem Roman steht für mich jedoch mehr die Handlung der Figuren im Vordergrund und daher erscheinen mir diese Ausführungen zu ausführlich beschrieben.
Im Großen und Ganzen hat mich dieser Roman gut unterhalten, es gibt interessante Ausflüge in Porzellanherstellung und Teezeremonie und eine Freundschaft zweier unterschiedlicher Frauen.
Es dreht sich um die Zeit des Nationalsozialismus und die Folgen für die Menschen in ihrem weiteren Leben. Durch die häufig wechselnden Zeitsprünge konnte mich das Buch nicht völlig überzeugen.