"Tripping mit Karig" - gerne wieder!
DschungelDas war ein gut und schnell wegzulesender, teils richtig fesselnder Roman, eine Mischung aus Abenteuer- und Reisebericht, Coming-of-Age-Story und Selbstfindungstrip plus unverpackte Gedanken über das Reisen ...
Das war ein gut und schnell wegzulesender, teils richtig fesselnder Roman, eine Mischung aus Abenteuer- und Reisebericht, Coming-of-Age-Story und Selbstfindungstrip plus unverpackte Gedanken über das Reisen im 21. Jahrhundert und die Möglichkeiten, Grenzen und Verfremdung eigener Erinnerungen. Puh, ganz schön viel auf einmal, aber Friedemann Karig gelingt es in seinem Romandebüt, das mit kleinen Abstrichen alles gut unterzubringen.
Die Geschichte wird vom namenlosen Ich-Erzähler referiert, dessen bester Freund Felix im Dschungel in Kambodscha unterwegs ist und sich seit Wochen nicht gemeldet hat. Felix' sehr präsente Mutter bittet den Erzähler, nach ihrem Sohn zu suchen, und der macht sich, trotz abratender Worte seiner Lebensgefährtin Lea und eigener Unlust auf den Weg. Was folgt, ist eine abenteuerliche Suchreise in exotisches Gebiet, die sehr anschaulich ist. Parallel dazu wird in Rückblenden die Geschichte von Felix und dem Erzähler beleuchtet: Wie die beiden Jungs beste Freunde wurden, miteinander Kindheit, Pubertät und Erwachsenenalter durchmachten, mit allen Höhen (wortwörtlich) und auch vielen Tiefen.
Wie schon eingangs erwähnt, spielen hier viele Themen eine Rolle, das stört den Lesefluss aber kaum. Mich hat schon direkt das erste Kapitel stark in seinen Bann gezogen, da geht es um Höhenangst, oder besser: die Angst vor der Sucht, in den Abgrund zu springen. Ich kenne dieses Gefühl, nur zu gut. Und ich komme mich immer komisch vor, wenn ich versuche, es jemandem zu erklären. Hier, in diesem ersten Kapitel, habe ich mich sofort und richtig verstanden gefühlt. Da hatte das Buch also gleich mal einen dicken Sympathiebonus bei mir gesammelt.
Die Schreibe von Karig hat mir grundsätzlich gut gefallen. Klar schüttelt er hier und dort vielleicht eins, zwei Mal zuviel am pseudophilosophioschen Baum, aber erstens passte das meist zu den Figuren (Aussteiger, Hippies, alternative Weltenbummler usw), zweitens war der Roman so flott und mitreißend erzählt, dass diese Fetzen schnell wieder "vorbei" waren. Einzig der für mich zu übermäßige Gebrauch von Songzitaten ging mit irgendwann auf die Nerven. Ja, gut das Dschungelthema, mit dem Dschungelbuchsong, dem Dschungel in Kambodscha und dem Jugendlager "Dschungel", hm, okay. Aber "Luc(c)a", "Freak", "Northing Compares 2U", noch ein Popsong, noch einer, noch einer, ach Herr Karig, wenn ich Bock auf Popsongs habe, die die Handlung betonen sollen, gucke ich "Moulin Rouge!", da gibt's wenigsten Ewan McGregor dazu. Für Bücher rate ich, bei dieser inflationären Verwendung, dann doch lieber: Show, don't sing!
Die Flashbacks in die Kindheit hingegen haben mir gefallen, genau die Mischung aus "klingt echt" und "bleibt rätselhaft", die sie vermutlich erzeugen sollten. Die ganze Thematik "(Ohn)Macht des Gedächtnis" finde ich grundsätzlich sowieso total spannend.
Mit dem Twist und dem Ende bin ich ein wenig am Hadern. Keine Spoiler, keine Angst, nur soviel: Ich habe den Twist tatsächlich nicht kommen sehen, zumindest nicht in diesem Ausmaß. Und ich bin mir nicht sicher, ob es daran liegt, dass ich zu sehr beim Erzähler und seiner Sicht der Dinge war - so gesehen wäre das dann ja durchaus clever konstruiert. Das Ende selbst, nun ja - irgendwie zwar stimmig und schlüssig, irgendwie aber auch unbefriedigend, weil etwas zu legendenhaft. Aber vielleicht sollte das genau so. Lieben muss ich es ja trotzdem nicht.
Geliebt habe ich zwei andere Aspekte, für mich die stärksten Momente des Buchs: Zum einen die Betrachtung des Reisens sowie unter ökologischen als auch philosophischen Aspekten. Das hat natürlich inhaltlich bei sowieso voll ins Schwarze getroffen, und noch dazu habe ich mich über viele Formulierungen gefreut, wie der "Bulemie des Reisens" oder den Stillstand der Mobilität.
Aber am besten gefallen haben mir - Kinder, nicht weiterlesen - die Beschreibungen der Drogentrips. Dieser vollkommen unsinnige, unzusammenhängende Quatsch, der total albern klingt und dämlich, der aber, wenn man das kennt, so viel Sinn ergibt. Ich habe mich sehr über diese Passagen amüsiert.
So gesehen ordne ich dieses Buch als sehr unterhaltsamen Rausch ein, oder, um noch eine Floskel zu bedienen: Ich bin gut drauf gekommen. Tripping mit Karig - gerne wieder.