Cover-Bild Adieu, Sir Merivel
9,99
inkl. MwSt
  • Verlag: Insel Verlag
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: historischer Roman
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 445
  • Ersterscheinung: 18.08.2014
  • ISBN: 9783458360148
Rose Tremain

Adieu, Sir Merivel

Roman
Christel Dormagen (Übersetzer)

Die Aussichten sind nicht rosig: Sir Robert Merivel, Medicus, Lebemann und Vertrauter Charles’ II., hat bessere Zeiten gesehen. War er nicht der Mann, der den König von England zum Lachen brachte? Soll er sich jetzt mit nur 57 Jahren bereits zurückziehen und auf seinem Landgut Trübsal blasen?
Merivel denkt nicht daran und begibt sich nach Frankreich, zum Sonnenkönig in dessen soeben erbautes Wunderwerk Versailles. Statt mit Pomp und Zeremoniell empfangen zu werden und gar zum Leibarzt Ludwigs XIV. aufzusteigen, muss er sich jedoch im Gesindehaus den Nachttopf mit einem holländischen Uhrmacher teilen! Als er der charmanten Louise de Flamanville begegnet, glaubt er an einen zweiten Frühling – der jäh zu enden droht, als ihn ein Ruf des englischen Hofes erreicht: Sir Merivel soll umgehend ans Krankenbett Charles’ II. eilen …

Weitere Formate

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.09.2019

Barocke Melancholie

0

Zunächst: „Adieu, Sir Merivel“ ist eine Fortsetzung. Die Geschichte des Arztes und Höflings Sir Robert Merivel beginnt bereits im Buch „Zeit der Sinnlichkeit“ (engl. „Restoration“). In dem gegenwärtigen ...

Zunächst: „Adieu, Sir Merivel“ ist eine Fortsetzung. Die Geschichte des Arztes und Höflings Sir Robert Merivel beginnt bereits im Buch „Zeit der Sinnlichkeit“ (engl. „Restoration“). In dem gegenwärtigen Buch ist vor allem die Rückschau auf sein Leben ein Thema (er schreibt seine Memoiren) und so erfährt der Leser gefiltert einiges, was wohl bereits im ersten Band thematisiert wurde.
Dieser historische Bekenntnisroman (wir haben einen Ich-Erzähler, dem wir quasi über die Schulter schauen können und der sein Leben vor uns ausbreitet) hat das Vermögen die Zeit in der er spielt auf besondere Weise lebendig werden zu lassen. Diese Zeit ist der englische (und französische) Barock: die Zeit des Sonnenkönigs Ludwig XIV. und von Charles II., jenem König, der nach dem englischen Bürgerkrieg („Interregnum“) und der Exekution seines Vaters Charles I. ab 1660 regieren durfte.
Den Roman durchweht das memento-mori-Gefühl jener barocken Epoche, die sich des Lebens so gefreut hat und dennoch immer mit dem Sterben konfrontiert wurde. Auch Merivel erlebt und erinnert sich an den Tod von Weggefährten, Patienten und Familienmitgliedern. Der Tod ist in der Mitte des Lebens angekommen und lauert stets auf der Schwelle – manchmal stellt er sich aber glücklicherweise „nur“ als Monarch heraus. Humor ist immer auch dort, wo Merivel ist: dem Tod die Zähne zeigen könnte sein Motto lauten. Das macht ihn so liebenswert und sympathisch, diesen weisen Tunichtgut Merivel, der das Leben so schätzt und verehrt wie manche königliche Mätresse und doch immer um seine Endlichkeit weiß.
So ist es auch die Leidenschaft, die den Endfünfziger in Gestalt der schönen (und auch schon nicht mehr ganz in der Blüte ihrer Jugend stehenden) Louise de Flamanville trifft wie zu seinen besten Zeiten. Ich finde diese Affäre der beiden anrührend wie das letzte Aufflammen der Liebe und Klammern an das Leben eben meistens ist.
Philosophische Gedanken durchziehen das Buch – solche über das Leben an sich und auch darüber, wie wir mit der Kreatur umgehen. Das Falkenmotiv ist hier der Bär, den Merivel in Versailles vor dem sicheren Tod rettet und nach England überschiffen lässt. Doch schafft er es ihn artgerecht zu halten und seiner tierischen Würde gerecht zu werden? Haben Tiere eine Seele und können wir nonverbal mit ihnen kommunizieren? Wie sehr soll der Mensch in die Natur eingreifen und was ist überhaupt Moral? Muss der König moralisch sein und ist sie nur dann angebracht wenn man von ihr profitiert?
Also ich muss sagen dass dies eben kein üblicher historischer Roman ist, wie ihn die Mehrheit vielleicht gerne hat sprich: mysteriöse Tode und der spannende Aufstieg und/oder Fall einfacher Menschen (meist Frauen). Dies ist eben kein Allerweltshistorienreißer, es geht hier um ein spezielles Milieu, nämlich das Adlige zur Zeit des endenden englischen und französischen Barock. Das Lebensgefühl einer ganzen Generation neigt sich dem Ende zu, ähnlich wie am Ende des 19. Jahrhunderts herrscht ennui und zurück bleiben vernachlässigte, gelangweilte Mätressen, an denen der stille Zahn der Zeit nagt und eben Merivel, der auf seinem englischen Landsitz nicht nur den Verfall seines langjährigen Dieners miterleben muss. Deshalb bricht er noch einmal auf, um seinem Geist und Körper neue Energie zu verschaffen. Dass dies manchmal derbe wird ist zeittypisch und wenn man die Klassiker von Laurence Sterne kennt auch nicht weiter verwunderlich.
Rose Tremain hat ein nachdenkliches Buch geschrieben über einen Mann, der auf sein Leben zurückblickt und es dennoch noch einmal wissen möchte. Ich finde das gut und habe es gern gelesen, auch wenn es eben nicht randvoll gepackt mit Spannung ist.

Veröffentlicht am 31.05.2018

Dieser Sir Merivel

0

Wie einen bunten Blumenstrauß präsentiert Sir Merivel die Abenteuer seines Lebens, farbenprächtig, phantastisch.
Anleihen bei Boccaccio oder bei Baron Münchhausen scheinen möglich - die enge Vertrautheit ...

Wie einen bunten Blumenstrauß präsentiert Sir Merivel die Abenteuer seines Lebens, farbenprächtig, phantastisch.
Anleihen bei Boccaccio oder bei Baron Münchhausen scheinen möglich - die enge Vertrautheit mit dem König, die Beliebtheit bei den Damen, der Wechsel zwischen Verzweiflung und Glückseligkeit, Armut und Wohlstand.
Auf seinem Landsitz erinnert sich der alternde Sir Merivel an seine bewegte Jugend, seine Gefährten, Abenteuer, depressiert vor sich hin und erfreut sich an seiner erwachsen werdenden Tochter. Als diese eine längere Reise plant, will er es auch noch einmal wissen, fährt nach London und Versailles an die königlichen Höfe. Hier willkommen, dort unbeachtet, verliebt er sich, bekommt Ärger mit dem Gatten der Angebeteten, kauft einen Bären frei....Wieder daheim, nimmt sein Leben unerwartete Wendungen. Krankheit, Besuche, Begegnungen eröffnen neue Möglichkeiten. Eine Reise in die Schweiz beschert ihm Bequemlichkeit, über die Seelen der Tiere möchte er jetzt philosophieren.
Rose Tremain macht neugierig auf das bewegte Leben eines Engländers Mitte des 17. Jahrhunderts. Obwohl, sympathisch ist der Mann mir nicht. Das Adieu für ihn kommt zur rechten Zeit. Dieser Roman, der mitunter bei der Seelenbetrachtung etwas langatmig daherkommt, ist jedoch voll von unterhaltsamen Abenteuern, zeitgenössischen Ansichten und Beschreibungen um 1660. Lesenswert.

Veröffentlicht am 10.12.2017

Wie das Leben so spielt

0

Wie meine Recherchen ergeben haben (im Buch selbst findet sich diesbezüglich leider kein Hinweis) handelt es sich hier um eine Fortsetzung des Romans „Des Königs Narr“.

Zu Beginn begegnen wir dem „Helden“ ...

Wie meine Recherchen ergeben haben (im Buch selbst findet sich diesbezüglich leider kein Hinweis) handelt es sich hier um eine Fortsetzung des Romans „Des Königs Narr“.

Zu Beginn begegnen wir dem „Helden“ Sir Robert Merivel, einem Lebemann und Vertrauten des englischen König Charles, wie er im Jahr 1683 in melancholischer Stimmung auf seinem Landgut Bidnold sitzt und über sein vergangenes Leben und die möglichen Umstände seines Todes nachdenkt.
Um auf andere Gedanken zu kommen, beschließt er, eine Reise nach Frankreich zu machen und endlich einmal das berühmte Schloss Versailles zu besuchen. Obwohl er mit einem Schreiben des Königs ausgestattet ist, verläuft sein dortiger Aufenthalt aber ganz anders als erhofft, doch immerhin lernt er bei dieser Gelegenheit Madam Louise de Flamanville kennen, zu der er sich sofort hingezogen fühlt. Doch sie ist verheiratet und ihr Ehemann immerhin ein Oberst der Schweizer Garde – nicht das einzige Problem, mit dem Merivell sich in den nächsten eineinhalb Jahren auseinander setzten muss.

Dafür, dass es sich bei der Hauptfigur um einen Spaßmacher und „Narren des Königs“ handeln soll, ist die Grundstimmung dieses Buches ziemlich düster. Zwar gibt es durchaus einige Szenen, bei deren Beschreibung ein gewisser Humor durchscheint, Merivel selbst ist aber fast immer von negativen Gedanken umfangen, ergeht sich in Selbstzweifeln und pessimistischen Zukunftsprognosen und scheint selbst dann keine echte Freude zu empfinden, wenn ihm etwas Positives widerfährt. Wahrscheinlich ist es mir auch deshalb, trotzdem das Buch in Ich-Form geschrieben ist, so schwer gefallen, mich wirklich in den Protagonisten hineinzuversetzen,
Ebenfalls erschwert wird die Lektüre dadurch, dass die Zeitform, in der erzählt wird, immer wieder und ohne erkennbare Systematik zwischen Präsens und Präteritum hin- und herwechselt.

Es gibt aber auch Positives zu diesem Buch zu sagen. Gerade weil Sir Merivel nicht dem Typus des „strahlenden Helden“ entspricht, kann sein Lebensweg als Ausgangspunkt dienen für Reflexionen über die Unwägbarkeit des Schicksals, die vielfältigen und von diversen Zwängen beherrschten Beziehungen zwischen den Menschen und die Frage, was von all dem Streben und den Bemühungen des Einzelnen am Ende seines Lebens wirklich übrig bleibt.
Dabei scheut die Autorin nicht davor zurück, eine sehr direkte, oft auch derbe, Sprache zu verwenden, was aber wohl gut zu der beschriebenen Epoche passt

Fazit: Für philosophisch interessierte Leser kann die Lektüre durchaus lohnend sein, wer bei einem Buch vor allem eine flott erzählte (und möglichst von einem Happy End gekrönte) Geschichte erwartet, wird allerdings eher enttäuscht sein.