»Das Leben steht nicht immer in den Sternen festgeschrieben. Das Schicksal ist, was man selbst daraus macht.« (S. 273)
Nachdem mir Dumplin ʼ leider nur mittelmäßig gut gefallen hat, wollte ich mir bei Ramona Blue keine allzu großen Hoffnungen machen, obwohl mich der Klappentext auf Anhieb angesprochen hat. Aber diesmal muss ich wirklich sagen, dass das Buch jeden Hype verdient, denn es ist immer ein gutes Zeichen, wenn man ein Buch mit Gänsehaut und ein bisschen Nostalgie beendet.
Ramona ist über 1,90m groß, lässt sich ihre Haare von ihrer Schwester Hattie regelmäßig blau färben und wohnt mit ihrem Dad und Hattie in einem Trailer, der eigentlich viel zu klein für sie ist – vor allem, seit Hatties Freund und Vater ihres ungeborenen Kindes auch noch bei ihnen lebt. Ramona geht offen damit um, dass sie auf Mädchen steht, und zu Beginn des Buches verabschiedet sie sich von ihrem Sommerflirt Grace, die sich noch nicht geoutet hat. Die Trennung macht Ramona zu schaffen, aber von einer Fernbeziehung ist sie auch nicht wirklich überzeugt. Während sie ihren Liebeskummer wegen Grace aussitzt, zieht ihr Jugendfreund Freddie auf einmal wieder in den Ort und sie beginnen, genau dort weiterzumachen, wo sie vor acht Jahren aufgehört haben. In einem behaglichen Moment auf einer Hollywood-Schaukel stellt sich Ramonas Leben plötzlich auf den Kopf, denn, obwohl sie bisher überzeugt davon war, nur auf Mädchen zu stehen, fühlt sie sich unweigerlich zu Freddie hingezogen …
Neben der Liebesgeschichte, auf die ich mich wegen ihrer Originalität sehr gefreut habe, werden auch wichtige Themen behandelt wie Sexualität (nicht nur Ramonas, denn das Buch wartet mit mehreren LGBT-Charakteren auf), Armut, Rassismus, eine frühe Schwangerschaft, Freundschaft, Zusammenhalt, Familie, Veränderungen und die Zukunft, die manchmal ganz schön angsteinflößend sein kann. Wegen des Zusammenspiels all dieser Aspekte wirkte Ramonas Geschichte echt und lebensnah. Man wurde beim Lesen ein Teil ihrer Welt und hat mit ihr mitgefühlt.
Das ist auch deshalb der Fall, weil Ramona eine wirklich bewundernswerte Protagonistin ist, die ich sehr sympathisch fand. Sie steht zu sich, lässt sich von niemandem kleinmachen (obwohl ihre Familie/Freunde das sowieso nicht tun und man als Leser eigentlich kaum mit ablehnenden Reaktionen konfrontiert wird), gleichzeitig steckt sie aber immer wieder zurück, um ihrem Dad und ihrer Schwester unter die Arme zu greifen. Sie handelt überlegt, ist sich bewusst, wenn sie sich falsch verhält, hat dafür aber auch jedes Mal ihre Gründe. Ihre Gedankengänge in Bezug auf Freddie, ihre Sexualität oder auch ihre Schwester und deren Schwangerschaft fand ich schlichtweg authentisch, man kann sich gut in sie hineinfühlen.
Freddie kann man nicht wirklich als Gegenpart oder zweiten Protagonisten bezeichnen, wie das oft in Liebesromanen der Fall ist – weil das hier eigentlich Ramonas Geschichte und Freddie „bloß“ ein Teil davon ist. Neben Ramona war er mir der liebste Charakter: Er ist ein richtig lieber Kerl, der mich immer wieder zum Lächeln gebracht hat. Er sagt sehr süße Sachen zu und über Ramona und man kann gar nicht anders, als bei ihrer Liebesgeschichte mitzufiebern, weil sie so bezaubernd zusammen sind: Es ist ein langsames Herantasten mit ein paar schüchternen Annäherungen und einer kleinen Portion Heimlichtuerei, was mich bis zum Ende sehr gut zu unterhalten wusste. Nicht selten gab es Dialoge zwischen den beiden, die bei mir Herzklopfen und/oder unkontrolliertes Grinsen ausgelöst haben – entweder weil einer der beiden einen witzigen Kommentar abgegeben hat oder weil es ein paar Annäherungen oder Geständnisse gab, die zum Schwärmen eingeladen haben.
Auch wenn für mich persönlich die Liebesgeschichte der schönste Teil des Buches war, hat mir auch Ramonas Entwicklung unglaublich gut gefallen. Sie ist ein Mensch, der für andere zurücksteckt (vor allem für ihre eigentlich ältere Schwester Hattie), aber sie lernt im Laufe des Buches, dass sie auch das Recht auf eine eigene Zukunft hat, die sie nach ihren eigenen Wünschen gestalten kann. Das Ende hat mir sehr gut gefallen, obwohl ich erst so meine Befürchtungen hatte, dass es mich enttäuschen könnte, aber das war glücklicherweise nicht der Fall. Es hat mich mit einem nostalgischen Lächeln, einer Spur Gänsehaut und dem Wunsch zurückgelassen, mehr von Ramona, Freddie und ihren wunderbaren Freunden zu lesen. Ich werde die Autorin definitiv weiter im Auge behalten.
»Das Leben ist eine Abfolge von Konflikten, und vielleicht ist es die einzige Art, damit umzugehen, wenn man akzeptiert, dass nicht alle Probleme dazu da sind, gelöst zu werden.« (S. 350)
Fazit
Ein schönes Buch über das Meistern, aber auch Akzeptieren von Hindernissen, das mit einer originellen und Herzklopfen bescherenden Liebesgeschichte und starken Freundschaften aufwartet. Ich habe mir einige Textstellen markiert, gelacht, gegrinst und geschmunzelt und das Buch mit Nostalgiegefühlen beendet. Für mich um Welten besser als Dumplinʼ. Ich vergebe 4,5 Sterne und spreche eine klare Leseempfehlung aus.