Jedem seine eigene Wahrheit
Gleich zu Beginn des Buches erlebt der Leser eine Panikatacke mit, die Alex aus dem Schlaf reisst. Diese immer wiederkehrenden Anfälle bestimmen das Leben schüchternen, unscheinbaren jungen Mannes, genauso, ...
Gleich zu Beginn des Buches erlebt der Leser eine Panikatacke mit, die Alex aus dem Schlaf reisst. Diese immer wiederkehrenden Anfälle bestimmen das Leben schüchternen, unscheinbaren jungen Mannes, genauso, wie die Alkohlsucht seiner Mutter. Neben seinem eigenen trostlosen Leben, versucht er auch das ihre zu regeln und in halbwegs geordnete Bahnen zu bekommen. Der Leser steht einer vollkommen überforderten, nervlich stark angeschlagenen und zerbrechlichen Hauptfigur gegenüber. Zur Familie gehört auch die ältere Schwester von Alex, Melanie, die in mehr als einer Hinsicht das ganze Gegenteil ihres Bruders ist.
Die Autorin beschreibt sehr ruhig und klar die zerrütteten Familienverhältnisse, die geprägt sind von den Alkoholabstürzen und ständig wechselnden Bekanntschaften der Mutter. Die Co-Abhängigkeit von Angehörigen Süchtiger wird sensibel aber treffend thematisiert. Die Figur des Alex weckt beim Leser Mitgefühl, man möchte ihm gern helfen, sein eigenes Leben auf die Reihe zu bekommen. Den Gegenpol dazu bietet die Schwester. Schon von der Beschreibung her ist die dem Leser unsympathisch, fast unheimlich, es wird schnell klar, welch krude Wahrheit in Melanies Hirn herumspukt.
Das Buch wirkt beim Leser stark auf der psychischen Ebene, natürlich gibt es auch gewalttätige Beschreibungen, aber diese sind relativ emotionslos beschrieben, weil sie für die ausführende Figur eben auch emotionslos sind. Das hat die Autorin gut hinbekommen. An vielen Stellen im Buch wird nur mit kurzen Andeutungen gearbeitet, was wirklich zu Alex Zuständen geführt hat bleibt im dunkeln, erst ganz zum Schluss gibt die Autorin einen Einblick in ein krankes Hirn. Ich persönlich bin mit dem Ende nicht ganz zufrieden gewesen, das kranke Hirn kam mir fast zu gut dabei weg, aber stimmig war es trotzdem.
Hintergründige Beschreibung subtiler Grausamkeiten, Psychoterror innerhalb der Familie.