Profilbild von Havers

Havers

Lesejury Star
offline

Havers ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Havers über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.01.2020

Erwartungen leider nicht erfüllt

Aus dem Ofen
0

Diana Henry ist eine der beliebtesten britischen Food-Autorinnen. Ihre sämtlichen Kochbücher wurden mit Preisen ausgezeichnet. So auch „Aus dem Ofen“ („From the oven to the table“), das von fast allen ...

Diana Henry ist eine der beliebtesten britischen Food-Autorinnen. Ihre sämtlichen Kochbücher wurden mit Preisen ausgezeichnet. So auch „Aus dem Ofen“ („From the oven to the table“), das von fast allen namhaften Zeitschriften in Großbritannien als bestes Kochbuch des Jahres genannt wurde. Meine Neugier war geweckt, die Erwartungshaltung hoch, da ich ihre anderen Kochbücher sehr schätze.

Die Gliederung des Buches orientiert sich überwiegend an den Zutaten, die ersten beiden Kapitel sind Fleisch, Fisch, Wurst und Hähnchenschenkeln gewidmet, wobei diese aber auch bei den Gemüsegerichten zum Einsatz kommen. Es folgen Frühjahrs- und Sommer- sowie Herbst- und Wintergemüse. Danach Getreide und Hülsenfrüchte, Wochenende und besondere Anlässe und als Abschluss Desserts und Kuchen.

In der Praxis funktionieren die Rezepte, werden allerdings dem Untertitel „Einfache Gerichte schnell zubereitet“ leider nicht gerecht. Zum einen sind die Zutatenlisten ellenlang, zum anderen sind viele der benötigten Bestandteile, wie beispielsweise Nduja, eine italienische Rohwurst, weder im italienischen Feinkostladen noch im italienischen Supermarkt verfügbar. Hier sollte man auf die eigene Erfahrung zurückgreifen und beherzt nach einem Ersatz suchen, dann klappt es auch.

Die „schnelle Zubereitung“ bezieht sich anscheinend lediglich auf das Garen im Backofen, denn nicht nur bei den Gemüse- sondern auch bei den Fleischgerichten sollte man schon einiges an Zeit für die Vorbereitung mitbringen. Da muss geputzt, gewaschen, geschnippelt, vorgekocht und mariniert oder in relativ kurzen Abständen gewendet, gerührt und gerüttelt werden. Also nichts mit in den Ofen schieben und beim Signal des Timers zum Essen kommen.

Neben den Rezepten lebt ein Kochbuch auch von dem fotografischen Anschauungsmaterial, und das ist leider ist für mich das große Manko. Sehr viele Fotos wirken durch die dunkle Tönung wenig appetitanregend und verleiten nicht unbedingt zum Nachkochen. Man hat eher den Eindruck, dass hier Fleisch und/oder Gemüse im Backofen vergessen wurde und deshalb verbrannt ist.

Verglichen mit „Change your appetite“, „Simple“ und „Alle meine Hähnchen, den Kochbüchern der Autorin, die ich gerne und ausgiebig nutze, hat „Aus dem Ofen“ sein Versprechen nicht eingelöst und meine Erwartungen leider nicht erfüllt.

Veröffentlicht am 30.12.2019

Englische Diättipps

Pinch of Nom
0

Zwei englische Restaurantbetreiberinnen („Cromwells“ in Wallasey, Merseyside) wollen ihr Übergewicht reduzieren und sind mit den üblichen Diät-Vorschlägen nicht zufrieden. Also machen sie sich daran, eigene ...

Zwei englische Restaurantbetreiberinnen („Cromwells“ in Wallasey, Merseyside) wollen ihr Übergewicht reduzieren und sind mit den üblichen Diät-Vorschlägen nicht zufrieden. Also machen sie sich daran, eigene Rezepte zu entwickeln und diese auf ihrem Blog zu veröffentlichen. Das schlägt Wellen und innerhalb eines halben Jahres haben sie pro Monat ca. 60.000 Zugriffe. Es folgen Gruppen in den sozialen Medien und das Kochbuch „Pinch of Nom“, das sich mit über einer Million verkaufter Exemplare in Großbritannien zu einem Verkaufsschlager entwickelt.

Gegliedert sind die Rezepte in sieben Abschnitte: Frühstück, Fakeaways, Schnelle Mahlzeiten, Suppen und Eintöpfe, Heiß aus dem Ofen, Snacks und Beilagen und Süße Versuchungen, jeweils mit appetitanregenden Fotos, Kalorienangaben und Hinweisen versehen. Differenzierte Nährwertangaben hingegen fehlen.

Ich war/bin oft in Großbritannien unterwegs, und bereits die Einteilung erhärtet meine Vermutung, dass sich die Rezepte an englischen Ernährungsgewohnheiten orientieren. Kalorienreiche, überwiegend gekochte Gerichte bereits am frühen Morgen. Die Hauptgerichte lehnen sich an das klassische Pub- und Imbiss-Essen an und sind in ihren Imitationen der englischen Küchenklassiker meist ziemlich kohlenhydrat- und fleischlastig. Da hilft auch die Verwendung von kalorienreduzierten Tortillas, glutenfreien Brötchen und dubiosem Öl-Ersatz nicht wirklich weiter. Dazu werden bei den Kalorienangaben der Fleischgerichte die empfohlenen Beilagen nicht mit eingerechnet. Wenig hilfreich für all diejenigen, die dieses Kochbuch für eine Diät nutzen möchten.

Was mich allerdings am meisten gestört hat, war die Verwendung von „Ersatzstoffen“ und Halbfertigprodukten. Anstatt eine Zwiebel oder Knoblauch zu würfeln benutzt man Granulat, anstelle eines hochwertigen Öls wird die Pfanne mit kalorienreduziertem Kochspray benetzt (kommt fast in jedem Rezept vor), und Tomaten wachsen in England offenbar nur in Dosen.

Dennoch gibt es einige Rezepte, speziell was Geflügel und die verschiedenen Stews (Eintöpfe) angeht, die das Nachkochen lohnen. Und anstelle von Kochspray kann man ja auch hochwertige Öle in Maßen benutzen.

Veröffentlicht am 12.11.2019

Zähes Durcheinander

Opfer 2117
0

Joan, ein mäßig erfolgreicher Journalist in Barcelona. Alexander, ein junger Gamer aus Dänemark auf der Jagd nach dem Highscore. Ghaalib, ein irakischer Scherge Saddams. Assad, der Mann mit Vergangenheit, ...

Joan, ein mäßig erfolgreicher Journalist in Barcelona. Alexander, ein junger Gamer aus Dänemark auf der Jagd nach dem Highscore. Ghaalib, ein irakischer Scherge Saddams. Assad, der Mann mit Vergangenheit, und natürlich seine Kollegen vom Sonderdezernat Q. Sie alle verbindet das „Opfer 2117“ auf der „Tafel der Schande“ in Barcelona. Angespült an einem zypriotischen Strand. Nicht auf der Flucht übers Meer ertrunken. Aber nicht, wie so viele, bei der Flucht übers Meer ertrunken, sondern ermordet. Wer hatte ein Interesse am Tod einer alten Frau? Und warum musste sie sterben?

Hört sich spannend an? Hätte es werden können, ist es aber leider nur in Grundzügen, da sich die Geschichte in zahlreichen Nebenhandlungen an unzähligen Handlungsorten mit dem unterschiedlichsten Personal verheddert, womit ich üblicherweise kein Problem habe. Vom Nahen Osten über Spanien, Zypern, Deutschland bis nach Dänemark. Ein chaotisches Wirrwarr, dessen Plot der rote Faden fehlt. Zig Erzählstränge aus unterschiedlichen Perspektiven, die am Ende zwecks Auflösung eher zusammengeschustert als elegant verknüpft werden.

Wenn „Opfer 2117“ ein Thriller sein sollte, verstehe ich nicht, welche Kriterien Jussi Adler-Olsen an dieses Genre anlegt, denn von Spannung ist hier weit und breit nichts zu sehen/lesen. So aktuell das Thema ist, so hölzern und uninspiriert wird es in diesem achten Fall des Sonderdezernats Q abgehandelt. Ein einziges zähes Durcheinander, das die Geduld des Lesers auf eine harte Probe stellt.

Und dennoch gibt es auch etwas Positives in diesem Thriller, das mir einen zusätzlichen Stern in der Beurteilung wert ist. Mein Dank gilt dem Autor, weil er die „Tafel der Schande“ erwähnt, von der wahrscheinlich die wenigsten wissen, dass sie seit 2016 tatsächlich am Strand von Barcelona existiert. Angesichts der Tatsache, dass in dem Zeitraum von 2014 – 09/2019 im Mittelmeer 18.912 Flüchtlinge ertrunken sind (Quelle: Statista Research Department), ist es immens wichtig, sich diese Zahl immer wieder vor Augen zu halten.

Veröffentlicht am 06.11.2019

Zwiespältiges Leseerlebnis

Verborgen im Gletscher
1

„Verborgen im Gletscher“ ist der Auftakt einer neuen Reihe des hierzulande durch seine Kriminalromane mit Kommissar Erlendur bekannt gewordenen Isländers Arnaldur Indriðason. Im Zentrum steht Konráð, Kommissar ...

„Verborgen im Gletscher“ ist der Auftakt einer neuen Reihe des hierzulande durch seine Kriminalromane mit Kommissar Erlendur bekannt gewordenen Isländers Arnaldur Indriðason. Im Zentrum steht Konráð, Kommissar im Ruhestand, der mit einem Fall aus der Vergangenheit konfrontiert wird.

Eine Touristengruppe stößt bei einer Gletscherwanderung auf die Leiche eines langjährig Vermissten, dessen Verschwinden nie zweifelsfrei aufgeklärt werden konnte. Zwar gab es einen Verdächtigen, der schlussendlich dafür auch verurteilt wurde, aber Kommissar Konráð, einer der Ermittler in diesem Fall, war nie von dessen Schuld überzeugt.
Inzwischen ist er pensioniert, aber man hat nicht den Eindruck, dass er den Ruhestand genießt und mit seiner Freizeit etwas anzufangen wüsste. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, auch weil ihn dieser „Cold Case“ noch immer umtreibt, dass er die Gelegenheit ergreift und auf eigene Faust und ohne Autorisierung ermittelt. Könnte eventuell ein tödlicher Verkehrsunfall mit Fahrerflucht, der auf den ersten Blick nichts mit dem Toten im Gletscher zu tun hat, Licht ins Dunkel bringen?

Aber - jetzt wird es unglaublich zäh. Konráð geht Hinweisen nach, führt Gespräche mit allen möglichen Leuten, die sich an diese zurückliegenden Ereignisse erinnern oder eventuell etwas wissen könnten. Zeitliche Sprünge, Personen über Personen, Spuren, die ins Leere führen, mehr dazu gedacht, den Leser zu verwirren als Licht ins Dunkel zu bringen. Alles in allem langatmige Tempokiller, die den Lesefluss hemmen. Dazu dann völlig unmotivierte Bemerkungen, keine Erklärungen, über die isländische Finanzkrise und das Schmelzen der Gletscher, die weder etwas zum Fortgang der Handlung beitragen noch in irgendeiner Weise Atmosphäre schaffen. Interessanter waren da schon die Ausflüge in die Vergangenheit des Protagonisten, die das Interesse des Lesers zumindest im Ansatz wecken. Erst im letzten Drittel kommt so etwas wie Konzentration auf das Wesentliche auf, ziehen sowohl Tempo als damit auch Spannung an und führen letzten Endes zu einem halbwegs befriedigenden Abschluss des Falls.

Alles in allem für mich ein eher zwiespältiges Leseerlebnis: langatmig, behäbig, unspektakulär, mit verhaltener Spannung und ohne die typischen Kennzeichen der nordischen Kriminalromane. Löst seine Versprechen leider nur in Ansätzen ein.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Spannung
  • Geschichte
  • Stimmung
  • Figuren
Veröffentlicht am 09.09.2019

Sprache: Top / Story: Flop

Miroloi
0

„Miroloi“, der erste Roman von Karen Köhler, hat es auf die Longlist des Deutschen Buchpreises 2019 geschafft. Erstaunlich, denn wenn man sich die Besprechungen in den diversen Feuilletons anschaut, bietet ...

„Miroloi“, der erste Roman von Karen Köhler, hat es auf die Longlist des Deutschen Buchpreises 2019 geschafft. Erstaunlich, denn wenn man sich die Besprechungen in den diversen Feuilletons anschaut, bietet er jede Menge Ansatzpunkte für Kritik, was mit Sicherheit nicht nur der Thematik geschuldet ist.

Die Ich-Erzählerin, später Alina benamt, ist eine junge Frau, als Säugling auf einer namenlosen Insel ausgesetzt. Sie wächst als Aussätzige in dieser archaischen Gesellschaft auf, die sich jeglichen zivilisatorischen Errungenschaften verweigert. Der Ältestenrat bestimmt über Recht und Ordnung. Die Regeln des Zusammenlebens speisen sich aus den verschiedensten Religionen, ein Querschnitt aus orthodoxem Christentum, Hinduismus, Judentum und Islam, wenngleich die Beschreibungen der Umgebung die Vermutung nahelegen, dass es sich um eine aus der Zeit gefallene griechische Insel handelt.

Insbesondere Frauen bekommen die Unterdrückung, die Rechtlosigkeit, besonders zu spüren. Aber auch Männer, deren Verhalten von der Norm abweicht, haben Repressalien zu befürchten.

Für Alina öffnet sich eine neue Welt, als ihr quasi Adoptivvater, die spirituelle Instanz des Dorfes, ihr Lesen und Schreiben beibringt, Bildung vermittelt, obwohl dies für Frauen strengstens verboten ist. Aber dessen Tod verändert noch einmal alles. Die Vorschriften werden verschärft, kippen ins Fundamentalistische.

Unmut keimt auf, und auch Alina stellt die Gesetze infrage, rebelliert, zuerst heimlich, dann offen. Muss mit dem Tod rechnen. Es bleibt nur die Flucht, der Aufbruch ins Ungewisse. Hinein ins Wasser, hoffend, das rettende Festland zu erreichen. Ihr eigenes Miroloi singend.

Köhler beschreibt die Realität des weiblichen Lebens in einer feindlichen, patriarchalischen Gesellschaft, die mit gnadenloser Härte an ihren archaischen Riten festhält. Sie erzählt anschaulich und detailreich, die Sprache ist einfach, aber verspielt poetisch. Viele Kunstworte beschreiben Empfindungen, Tätigkeiten und Beobachtungen der Ich-Erzählerin.

Aber es ist diese Naivität, die sich durch den gesamten Roman zieht, die der Komplexität des Themas leider unter dem Strich nicht gerecht wird. So ist „Miroloi“ leider nur ein plakativer, pseudofeministischer Roman. Simpel gestrickt, durchschau- und vorhersehbar. Und das Ende? Inkonsequent und dick aufgetragenes Niveau eines Heftchenromans.

Ob Karen Köhler damit die Finalrunde erreichen wird, darf bezweifelt werden. Es bleibt spannend.