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Veröffentlicht am 10.09.2019

Die Kunst war ihr Leben: größte Freude und letztlich einziger Trost

Die Malerin des Nordlichts
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Signe lebt für die Kunst. Sie ist 38 Jahre alt und geschieden – ihre Ehe zum zackigen Offizier Johannes, der im Sinne einer klassischen Rollenverteilung erzogen worden war und dies auch von seiner Ehefrau ...

Signe lebt für die Kunst. Sie ist 38 Jahre alt und geschieden – ihre Ehe zum zackigen Offizier Johannes, der im Sinne einer klassischen Rollenverteilung erzogen worden war und dies auch von seiner Ehefrau erwartete (der Mann verdient das Geld, die Frau ist zuständig für den Haushalt), war auf ihren eigenen Vorschlag hin aufgelöst worden. - Nicht, weil Johannes sich längst zu einer anderen Frau hingezogen gefühlt hatte, sondern weil er Signes Passion für die Kunst, die Malerei weder gutheißen noch nachvollziehen hatte können. Zwar fand er ihre "Bildchen", ihr "Gekleckse" teilweise ganz nett, aber es stand außer Frage, dass Signe ihre Werke verkaufen dürfte. Sollten die Leute etwa denken, dass er seine Frau nicht ernähren und ausreichend versorgen könne? Das wäre eine Blamage! Signe entschied sich gegen ihren Mann und für die Kunst. Unterstützt wird sie in diesem Entschluss von der lebensfrohen Lilla, ihrer 20-jährigen Kommilitonin an der Kunsthochschule. Diese steht mit ihrem frivol-koketten, energiegeladenen, leicht naiven Wesen in starkem Kontrast zu Signe, die deutlich besonnener und bodenständiger wirkt. "Nicht nur achtzehn Jahre trennten sie, sondern im Grunde ihr ganzes Leben. Und doch waren sie Freundinnen geworden."

Signe hat ihr Talent für die Malerei quasi geerbt, denn ihr Onkel Edvard war niemand Geringerer als der berühmte Maler Edvard Munch. Er hatte sie gelehrt, dass wahre Kunst jene sei, die es verstünde, Gefühle in den Menschen zu wecken bzw. den Menschen dabei zu helfen, sich über ihre Emotionen klarzuwerden. Im Rahmen ihres Stipendiums hatte Signe ihre Technik in Paris verfeinert und nimmt sogar Unterricht beim Sohn von Paul Gauguin. Sie kann sich nicht vorstellen, je etwas mehr lieben zu können als die Kunst. Dann begegnet sie eines Tages Einar Siebke – er wird ihre große Liebe.

Beim Lesen des Klappentextes kam mir sofort der Titel von Munchs Gemälde 'Der Schrei' in den Sinn: ein Kunstwerk, dass mittlerweile selbst dem größten Kunstverächter ein Begriff sein dürfte. Leider war mir bis dato überhaupt nicht bekannt, dass auch Signe Munch eine Kunstgröße gewesen war. In der Tat hatte ich ihren Namen noch nie gehört und war umso gespannter darauf, mehr über sie zu erfahren.

Es ist kein temporeiches Werk, vielmehr bezaubert es durch seinen Schreibstil: mitreißend, atmosphärisch und einladend, oftmals humorvoll und direkt, dann wieder verträumt und melancholisch. Man kann mühelos in die Geschichte, die im Jahre 1922 in Norwegen beginnt, eintauchen - Oslo hieß damals noch Kristiania. Die weibliche Hauptfigur ist sehr greifbar gestaltet worden; ich habe mich sofort mit Signe identifizieren können; ihre Gedankengänge sind durch und durch nachvollziehbar und lassen tief in ihren Charakter blicken. In diesem Punkt hat mich der Roman sogar mehr überzeugt als Johannsons Werk "Die Villa an der Elbchaussee". Auch die fundierte Recherche der Autorin muss gelobt werden.

Das Cover des Romans an sich finde ich (- Achtung, Wortspiel! –) absolut 'malerisch', ein ganz typisches Merkmal für die historischen Werke des Aufbau Verlags, deren Covergestaltung stets bedacht, stilvoll-elegant und einfach wunderschön ist.

Nun könnte man meinen, die Geschichte habe einzig und allein Malerei im Fokus – dies ist nicht der Fall, auch wenn mich speziell die detaillierten Farbbeschreibungen in ihrer Intensität begeistert haben. Stattdessen erfährt man unheimlich viel über die geschichtlichen Hintergründe Norwegens, das im Jahr 1940 von deutschen Truppen besetzt wurde, und wie harsch mit Widersachern umgegangen worden ist. Es ist bewundernswert, wie sehr Signe sich für ihren Traum von der Malerei eingesetzt hat. Die Tatsache, dass der Großteil ihrer Gemälde seit der Beschlagnahmung durch die Gestapo verschollen geblieben ist, wiegt umso schwerer, da ich das Gefühl hatte, sie dank dieses Romans ein Stück weit kennengelernt zu haben und zu wissen, wieviel Herzblut sie in ihre Bilder gesteckt hatte.

"Man darf nicht mit dem Schicksal hadern, man muss es einfach schlucken." Signe war eine mutige, starke, blitzgescheite Frau mit einem sanften Wesen, vor allem aber war sie eine eigenständige Künstlerin. In jedem Fall hat die Autorin ihr mit diesem Roman ein verdientes Denkmal gesetzt.

Fazit: Ein wundervoller historischer, feinfühliger Roman, der durch eine starke weibliche Protagonistin brilliert und für alle Kunstliebhaber ein Muss ist!

Veröffentlicht am 03.09.2019

Spannung aus Schweden

Dunkelsommer
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Hin und wieder dürstet es mich zwischen all meinen heiß geliebten Romantik- und historischen Romanen nach einem Thriller - und da mich ein Kriminalroman mit ähnlicher Thematik vor einiger Zeit völlig in ...

Hin und wieder dürstet es mich zwischen all meinen heiß geliebten Romantik- und historischen Romanen nach einem Thriller - und da mich ein Kriminalroman mit ähnlicher Thematik vor einiger Zeit völlig in den Bann gezogen hatte (Charlotte Links Pageturner "Die Suche") war ich gespannt, ob das Werk der Autorin Stina Jackson, von der ich bisher noch nie gehört hatte, seinem Hype als 'bester schwedischer Spannungsroman' gerecht werden würde.

Am düsteren, beinahe angsteinflößenden Cover lässt sich bereits das Genre erkennen und das Motiv, ein Auto mit aufblendenden Scheinwerfern, das durch einen finsteren Wald fährt, triggert sogleich eine Vielzahl von Assoziationen.

Seitdem Lelles Tochter Lina vor drei Jahren spurlos von einer Bushaltestelle verschwand, ist er von einer zermürbenden Rastlosigkeit befallen – das Nicht-Wissen, die Angst um sein Kind, die Selbstvorwürfe lassen ihm keine Ruhe. Sommer für Sommer, Nach für Nacht fährt er jene Straße ab, an der alles seinen Anfang genommen bzw. Lelles persönliches Ende begonnen hatte. Seine Ehe mit Anette ist mittlerweile zerbrochen, der Alkohol sein bester Freund. Linas Mutter verarbeitet die Situation auf andere Weise, flüchtet sich in Facebook-Posts, Schlaftabletten und in die Arme ihres Therapeuten. Plötzlich verschwindet ein weiteres Mädchen, das Lina wie aus dem Gesicht geschnitten ist… Lelle ist überzeugt davon, dass die beiden Fälle zusammenhängen müssen. Auch Teenager Meja, die gerade mit ihrer psychisch labilen Mutter Silje nach Norrland gezogen ist, hat eine Außenseiterrolle – zumindest bis sie die Bekanntschaft mit dem jungen Carl-Johan macht, einem der Nachbarssöhne. Könnte dieses Kaff im Nirgendwo, in das ihre Mutter sie geschleppt hat, vielleicht doch ein paar Annehmlichkeiten bereithalten? Nach diversen Umzügen hatte Meja nie irgendwo richtig heimisch werden und bedeutende Bindungen aufbauen können; sie musste viel zu früh die Erwachsenenrolle übernehmen. Kein Wunder, dass sie sich nach wahrer Nähe verzehrt. Immerhin scheint die aktuelle Affäre ihrer Mutter, Torbjörn, das Herz am rechten Fleck zu haben.

Lelles Verzweiflung wird schonungslos und direkt beschrieben, auch in seinem Alltagstrott, in dem er komplett verloren wirkt, sowie in seinen Handlungen – einerseits möchte man ihn manchmal schütteln, weil er gegen sämtliche Ratschläge immun zu sein scheint und stets sein eigenes Ding durchziehen muss, andererseits sind der Wunsch, endlich die Wahrheit über Linas Verschwinden zu erfahren und der winzige Funken an restlicher Hoffnung, sie eventuell doch eines Tages wiederzusehen, nur allzu nachvollziehbar.

"Als er sich der Bushaltestelle näherte, begann sein Herz zu pochen. In ihm lebte ein kleiner Teufel namens Hoffnung, der jedes Mal erwartete, Lina dort stehen zu sehen […], so wie er sie dort zurückgelassen hatte. Drei Jahre war das jetzt her, aber diese verdammte Bushaltestelle schaffte es immer wieder, ihm den Atem zu rauben. […] Er weigerte sich zu glauben, dass sie tot sein könnte."

Wahrscheinlich würde kein liebendes Elternteil, solange es keine Gewissheit gibt, jemals die Suche nach dem eigenen Kind aufgeben. Wenn die quälenden Fragen nie beantwortet werden, wie soll man dann jemals trauern können und zu einem Abschluss gelangen?

Durch den nüchternen, klaren Schreibstil und die sehr umgangssprachlich gehaltenen Dialoge wirken die Figuren durch und durch glaubwürdig. Nach einem eindringlichen Start ließ die Spannung gegen Mitte des Werks zwar kurz nach, aber dennoch blieb die Entwicklung interessant und ich konnte erste Verdächtigungen anstellen. Im Nachhinein war es genau jenes Herausnehmen des Tempos, das einen noch stärkeren Eindruck von unterschwelliger Bedrohung erzeug hat – ein mutiger Zug der Autorin. Über allem liegt eine trostlose, deprimierende Stimmung, gekonnt erzeugt Jackson eine so drückend melancholische Atmosphäre, dass man am liebsten flüchten möchte. Die Naturbeschreibungen des Waldes schreien förmlich Einsamkeit und Abgeschiedenheit - …“dampfende Moore, die sich wie offene Wunden oder tiefschwarze, bodenlose Teiche über die Landschaft legten. Einen Menschen zu finden, der in dieser Gegend verschwand, war eine Lebensaufgabe.“

Erzählt wird aus abwechselnden Perspektiven und man fiebert auf die Verknüpfung der einsamen Seelen hin – gleichzeitig fürchtet man sich vor den Abgründen, die sich in diesem Zusammenhang auftun könnten. Letztlich dauert es aber eine ganze Weile, bis die beiden Hauptprotagonisten aufeinandertreffen.

Die Auflösung habe ich als schlüssig, jedoch auch als unbefriedigend empfunden, da ich mir einfach ein anderes Ende erhofft hatte, aber das hängt natürlich von jedem Leser individuell ab (– so wie beispielsweise die Meinungen über Cliffhanger von 'interessant' bis 'furchtbar' auseinandergehen) und soll nicht als Wertung verstanden werden.

Fazit: Durchaus empfehlenswert für alle Fans von spannender Lektüre. Ein gelungener Debütroman, der auf rasante Action verzichtet und stattdessen auf psychologischer Ebene brilliert.

Veröffentlicht am 02.09.2019

Krönender Abschluss der Historien-Saga um die Ärztin Ricarda Thomasius

Die Ärztin: Die Wege der Liebe
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Dieses war der erste Roman des Autoren-Ehepaars, den ich gelesen habe. Normalerweise versuche ich stets, die Reihenfolge der Werke einer Buchreihe einzuhalten, um ein besseres Verständnis von den Figuren ...

Dieses war der erste Roman des Autoren-Ehepaars, den ich gelesen habe. Normalerweise versuche ich stets, die Reihenfolge der Werke einer Buchreihe einzuhalten, um ein besseres Verständnis von den Figuren und ihren Hintergrundgeschichten zu erlangen – folglich machte ich meine Lektüre dieses Buches von der Leseprobe abhängig, die mich schließlich so überzeugt hat, dass ich es nicht erwarten konnte, weiterzulesen. Dieser Roman ist in sich abgeschlossen und kann ohne Vorkenntnis der Vorgänger einwandfrei verstanden werden. Alle wichtigen Figuren werden – der Handlung entsprechend – kurz charakterisiert und vorgestellt; zudem findet sich vorab ein Personenregister, das einen Überblick über die Familienverhältnisse gewährt.

Erzählt wird aus verschieden Perspektiven, die sich regelmäßig und auch recht zügig abwechseln, dennoch ist der Szenen- und Perspektivenwechsel stets stimmig gewählt worden: immer, wenn man meint, die Spannung erreicht ihren Höhepunkt oder wenn man gerade besonders intensiv mit den Protagonisten mitfiebert, findet man sich plötzlich im Erzählstrang eines anderen Charakters wieder. Somit wird der Plot stetig vorangetrieben und man kann das Buch – obgleich seiner für manch Leser vielleicht einschüchternd hohen Seitenanzahl – kaum aus der Hand legen.

Der Schreibstil besticht durch emotionsgeladene Wortwahl, bildgewaltige Beschreibungen und authentische Dialoge. Humorvolle Elemente wechseln sich ab mit einer Tragik, deren Bandbreite mir die Tränen in die Augen getrieben hat. Allerdings werden Schicksalsschläge nie ausgeschlachtet, es überwiegt dauerhaft der lebensbejahende Tenor 'immer voran'. Immerhin blieb den Menschen der damaligen Zeit keine andere Wahl, man durfte nicht aufgeben und musste auf eine bessere, eine friedliche Zukunft hoffen.

Dieses Werk ist eine besondere Empfehlung für alle historisch interessierten Leser, da es einen ausgezeichneten Einblick in das Alltagsleben der deutschen Bevölkerung, speziell der Frauen, in den Jahren 1914-1920 bietet. Ricardas Berufswahl ist dahingehend außergewöhnlich, da Frauen in medizinischen Berufen damals noch eine große Ausnahme waren. Durch das Leben von Ricardas Tochter Henny, die es in die USA verschlägt, wird auch der American Way of Life beleuchtet, die Schnelllebigkeit und Oberflächlichkeit der Filmbranche, die Faszination, die schon damals die Stadt der Engel, Los Angeles, ausmachte. Henny erlebt aber auch die Schattenseiten des glamourösen Hollywoods – ihre Bekanntschaft mit der charismatischen Hedda wird ihr Leben grundsätzlich prägen und die Weichen für ihre Zukunft stellen. Bald wird Henny, einen Ozean entfernt von ihrer Heimat, sich entscheiden müssen, wem sie vertrauen kann.

In Deutschland herrscht derweil Chaos – der Große Krieg zerfrisst das Land, das von Hungersnöten geplagt wird und im Elend zu versinken droht. An den baldigen Sieg glauben inzwischen nur noch die wenigsten. Die frisch aus China zurückgekehrte Ärztin Ricarda hatte die Eheschließung ihrer Tochter Henny mit Victor, Sohn der wohlhabenden Florentine von Freystetten, nicht verhindern können. Der junge Mann, gegen den Ricarda zwingende Einwände vorbrachte, ist nun ihr Schwiegersohn und hat ihre geliebte Tochter mit über den großen Teich genommen. Während Ricarda mit mütterlicher Sorge um ihre Älteste bangt, wird auch Töchterchen Antonia flügge – Toni wünscht sich nichts sehnlicher, als im städtischen Zoo arbeiten zu dürfen; ihre Zeit verbringt sie am liebsten mit Tieren, die so viel friedfertiger sind als die Menschen, bei denen sich alles nur um Krieg dreht.

Vielen Familien bleibt statt der Rückkehr ihrer Geliebten nur eine Meldung mit dem trostlosen Hinweis: "Gefallen auf dem Feld der Ehre". Es sind harte Zeiten, doch Ricarda stellt sich mit unglaublicher Stärke den Herausforderungen, die das Schicksal ihr auferlegt.

Zwar nahmen Ricardas Anstellung in der Berliner Charité und ihre Tätigkeit als Ärztin neben all den Nebenerzählungen eine etwas kleinere Rolle ein als erwartet, dafür werden jedoch eine Vielzahl weiterer interessanter Themen mit in die Gesamthandlung eingeflochten, wie allerlei Familiengeheimnisse, Schwangerschaften (und Abbrüche), Vergewaltigungen, Homosexualität und das Trauma der Kriegsheimkehrer und ihrer Angehörigen, denn: "Die Familien wollen, dass ihre Söhne und Männer als Sieger heimkehren. Nicht als Kranke, Verwundete, Verstörte." Etwas zu brutal gestaltet für meinen Geschmack waren gewisse Tier-Szenen - ich sage nur 'Toni und der Wolf'. Dank des im Innencover enthaltenen alten Stadtplans, der das Berliner Zentrum des Jahres 1919 zeigt, lassen sich die Spuren der Protagonisten gut nachverfolgen.

Fazit: Ein sehr empfehlenswerter historischer Roman über couragierte Frauen, die ihrer Zeit in vielfacher Hinsicht voraus waren, sowie über die Stärke des Familienzusammenhalts und die Bereitschaft, auch in Anbetracht von Widerständen und Zweifeln stets seinem Herzen und vor allem seinem Gewissen zu folgen.

Veröffentlicht am 30.08.2019

Emotionaler und erstaunlich spannender Norwegenroman

Das Geheimnis der Fjordinsel
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Dieses war mein erstes Werk der Autorin Christine Kabus und zeitgleich auch mein erster Norwegen-Roman. Dank des Klappentextes hatte ich eine ungefähre Ahnung, welche Handlung mich erwarten würde, jedoch ...

Dieses war mein erstes Werk der Autorin Christine Kabus und zeitgleich auch mein erster Norwegen-Roman. Dank des Klappentextes hatte ich eine ungefähre Ahnung, welche Handlung mich erwarten würde, jedoch war ich nicht vorbereitet gewesen auf die Intensität und Tiefgründigkeit, mit der die Autorin diese unwahrscheinlich fesselnde Geschichte voller atemberaubender Landschaftsbeschreibungen und starker Charaktere zum Leben erwecken würde.

Ostfriesland, 1980. Rike ist bei ihrem Großvater aufgewachsen. Als dieser stirbt, bricht für die junge Frau eine Welt zusammen. Während sie noch mit ihrer Trauer kämpft, stößt Rike auf Ungereimtheiten in ihrer Familiengeschichte. Wieso hatte ihre Großmutter Johanne sie alle einst verlassen? Rikes Mutter ist in dieser Angelegenheit keine große Hilfe, im Gegenteil – sie scheint richtig wütend auf Johanne zu sein und verweigert ihrer Tochter jegliche Auskunft. Rike beschließt, sich selbst auf Spurensuche zu begeben, um endlich Klarheit über ihre verworrenen Familienverhältnisse zu erlangen und mehr über das Leben ihrer Großmutter zu erfahren. Ihre Suche führt sie nach Norwegen… Parallel dazu erhalten wir mittels einem in der Vergangenheit angesiedelten Erzählstrang auch einen Einblick in Johannes Leben. Gekonnt wechselt die Autorin stets dann die Perspektive, wenn die Spannung gerade am größten ist und man unbedingt erfahren möchte, was denn nun als nächstes geschieht. Somit kann man das Buch gar nicht aus der Hand legen – ich habe es in einem Rutsch durchgelesen. Anfangs hatte ich die Befürchtung, dass ich aufgrund des ständigen Wechsels zwischen den beiden Zeitebenen – Rike in der Gegenwart und Johanne in der Vergangenheit – mit keiner der beiden Figuren wirklich warmwerden würde, was sich als völlig unbegründet herausgestellt hat. Beide Charaktere haben mich mit ihrer Stärke und Entschlossenheit beeindruckt und waren gleichermaßen als sympathische Protagonisten ausgearbeitet. Johannes Perspektive (- insbesondere ihre Beziehung zu Leif -) hat mich vielleicht etwas mehr mitgerissen; vor allem die Auflösung des Plots hat mich sehr gerührt.

Das Personenregister sowie die Landkarte zu Beginn des Romans waren eine willkommene Ergänzung, allerdings ist die Handlung wirklich gut strukturiert und nachvollziehbar aufgebaut.

Man merkt, dass die Autorin dieses Land liebt und sich intensiv mit dessen Kultur beschäftigt haben muss. Die Landschaftsbeschreibungen haben mich umgehauen und den Wunsch verstärkt, eines Tages selbst das Land der Fjorde zu bereisen. Auch sprachlich tauchen immer wieder norwegische Begriffe auf, deren Bedeutung sich stets aus dem Zusammenhang erklärt. Für zukünftige Ausgaben wäre vielleicht zusätzlich ein Vokabular-Register von Vorteil, auch im Hinblick auf das Plattdeutsch und die Begriffe aus der Seefahrt.

Fazit: Eine klare Leseempfehlung! Familiengeheimnisse, große Gefühle und jede Menge Norwegen-Flair, gepaart mit historischen Informationen zur Prohibitionszeit und interessanten Einblicken in die Kultur dieses faszinierenden Landes.

Veröffentlicht am 12.08.2019

Herrlich humorvoll!

La Dolce Kita
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Hier war es einmal nicht das Buchcover, sondern der Titel des Buches, der mich in der Buchhandlung zum Lesen der Inhaltsangabe verleitet hat. - "La Dolce Kita", eine witzige Anspielung auf "La Dolce Vita" ...

Hier war es einmal nicht das Buchcover, sondern der Titel des Buches, der mich in der Buchhandlung zum Lesen der Inhaltsangabe verleitet hat. - "La Dolce Kita", eine witzige Anspielung auf "La Dolce Vita" (ital. für "das süße Leben")... Zwei Konzepte, die so rein gar nichts mit einander zu tun haben können, meint man; ich zumindest verbinde den Gedanken an Entspannung oder den allgemeinen Genuss des Lebens nicht zwingend mit der täglichen, einem Bienenstock ähnlichen, wuseligen Betriebsamkeit eines Kindergartens. Ich liebe Kinder, habe selbst einmal in einem Kindergarten ein Praktikum absolviert und kann bestätigen: so viel Spaß, wie es auch gemacht hat, so anstrengend war es auch. Nichts da mit 'dolce irgendwas'. Dementsprechend war ich gespannt darauf, wie sich die Geschichte um drei junge Mütter, deren Kinder von einem Kita-Streik betroffen sind und nun anderweitig täglich betreut werden müssen, entwickeln wird.

Die drei Damen, allesamt berufstätig, sind verständlicherweise zunächst wenig begeistert von der Situation - hat doch jede schon ihr eigenes Päckchen an Alltagssorgen zu tragen. Fridi Schmitz (Mutter von Hanna), steht kurz vor der bisher wichtigsten Präsentation ihrer Karriere. Jahrelang hat sie auf die Chance hingearbeitet, solch ein Projekt zu erhalten, das sie endlich in eine höhere Gehaltsklasse befördern soll. Dumm nur, dass ihre Chefin gerade jetzt von Fridi noch mehr Präsenzzeit im Büro voraussetzt und folglich noch mehr Engagement über die reguläre Arbeitszeit hinaus fordert - Kind hin oder her. Karrierefrau Lea (Mutter von den Zwillingen Maxi und Nicki), die zusammen mit ihrem Ehemann beim lokalen Fernsehen im Moderationsbereich arbeitet, steht ein Besuch ihrer besserwisserischen Schwiegermutter Erika bevor: "Jeden dritten Mittwoch im Monat springt dieses sockenflickende Ungeheuer aus seiner Zeitkapsel und kommt uns besuchen." Und Annette (Mutter von Emily), kämpft darum, ihren Ehemann beim Thema Haushalt zu mehr Eigenverantwortung zu erziehen. Notgedrungen beschließen Fridi, Lea und Annette, eine gemeinsame Notbetreuung der Kinder auf die Beine zu stellen. Da ihre Ansichten hinsichtlich Kindererziehung nicht unterschiedlicher sein könnten, gibt es genügend Konfliktpotential - allein die Kinder kommen prima miteinander aus.

Leider konnte mich die Hauptfigur (Fridi) nicht überzeugen. Sie wirkt ständig in Gedanken und zutiefst verunsichert, wird auch von Annette und Lea permanent unterbrochen und die meisten ihrer Sätze scheinen aus Gestammel wie "Oh" oder "Mmmh" zu bestehen. Ich kann ja nachvollziehen, dass es für manche Menschen schwierig ist, Präsentationen vor einer Gruppe von Zuhörern zu halten - Fridis Nervosität im Job, gerade bei einer eher unterkühlten Chefin, die nur darauf wartet, sie als nicht belastbare 'Mutti' einzuordnen, verstehe ich also durchaus. Doch auch im Privatleben wirkt sie so verloren wie ein Blättchen im Wind, dass man sie am liebsten schütteln möchte, um ihr etwas Leben einzuhauchen. "Fridi ist alleinerziehend und schafft es nicht mal regelmäßig zum Friseur", heißt es bereits in der Inhaltsangabe auf der Rückseite des Buches. Zwischenzeitlich habe ich rufen wollen "Um Himmels Willen, was schafft sie denn ÜBERHAUPT?!" Wie soll diese junge Frau, die uns als solch ein von der Welt überforderter Charakter präsentiert wird, bitte ihren Alltag mit Kind bisher gehandhabt und ihr Kind dabei noch so gekonnt - allein - erzogen haben? (Die kleine Hanna drückt sich nämlich stets freundlich und höflich aus - ganz im Gegensatz zu Annettes forderndem Töchterlein Emily.) Fridis Background deckt sich für mich folglich nicht mit ihrem aktuellen Verhalten.

Die Handlung wird hauptsächlich getragen von dem witzigen Schlagabtausch zwischen der toughen Lea, die sich nichts gefallen lässt und schon mal "einen zwei Meter hohen Türsteher mit krimineller Vergangenheit zum Weinen gebracht" hat und der um Perfektion bemühten, in Selbstaufgabe aufgehenden Annette, die von Lea verächtlich als "Miss Super-Mami" bezeichnet wird. Eine Geschichte basierend allein auf diesen zwei Frauen und ihren Kindern, Ehemännern und jeweiligen Alltagsturbulenzen hätte mehr Sinn gemacht. Weiß der Fuchs wieso noch eine nichtssagende Fridi mit eingebaut werden musste in die Story; ihrem Charakter mangelt es einfach an Tiefgang und das wirkt sich leider auf den Gesamteindruck aus: eine andernfalls spritzige Geschichte wird so zwischenzeitlich unnötig ausgebremst.

Was den spritzig-witzigen Schreibstil und die Wortwahl angeht, sind die Dialoge (- wenn Fridi nicht gerade stammelt -) anspruchsvoll gehalten; die Autorin hat sich bewusst um eine originelle und sehr humorvolle Note bemüht. Man muss als Leser/in zwar ab und zu schmunzeln, bleibt sich aber durchgehend der Tatsache bewusst, dass im echten Leben kein Mensch so reden würde. In einer Verfilmung des Buches würden die Dialoge eventuell lockerer wirken, doch in gedruckter Form erscheinen sie eher unglaubwürdig, zu dick aufgetragen und schlichtweg nicht authentisch - unabhängig davon wie sympathisch man Lea und/oder Annette finden mag. Sehr realitätsnah beschrieben worden sind hingegen die Tücken des Alltags, mit denen die drei jungen Frauen zu kämpfen haben, sei es im Berufsleben oder privat.

Das Cover ist in wenigen, noch dazu recht kühlen Farben gehalten. (Mir persönlich gefällt es nicht so gut - ich finde, gerade beim Thema Kita hätte es ruhig etwas bunter und fröhlicher sein können. Auch die abgebildeten Gegenstände wirken eher lieblos zusammengewürfelt, aber das ist natürlich Geschmackssache und sollte nur als Randbemerkung von mir verstanden werden.)

Fazit: Das Werk reicht nicht an meine Lieblingsbücher heran, aber ich kann guten Gewissens 4 Sterne vergeben für die Grundidee, meine Lieblingsfigur Lea und das lockere Lesevergnügen, in erster Linie dank der witzigen Dialoge.