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Veröffentlicht am 01.12.2019

Eine spannende Zeitreise durch die Geschichte der Menschheit

Sofies Welt
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Oft zitiert, preisgekrönt, verfilmt und diskutiert - "Sofies Welt" ist mittlerweile ein echter Klassiker geworden, dem sich meiner Meinung nach jeder Leser mindestens einmal widmen sollte. Fragen wie "Wer ...

Oft zitiert, preisgekrönt, verfilmt und diskutiert - "Sofies Welt" ist mittlerweile ein echter Klassiker geworden, dem sich meiner Meinung nach jeder Leser mindestens einmal widmen sollte. Fragen wie "Wer bist du?", "Woher kommt die Erde?", "Was ist ein Mensch?", "Was ist wirklich sicher?" oder "Gibt es einen Gott?" wurden durch alle Epochen der Menschheitsgeschichte anders beantwortet und sich heute noch von großer Relevanz - also warum sich nicht auf einen schnellen Crashkurs der Philosophie einlassen und eine erste Annäherung an brillante Denker und schwierige Theorien vornehmen?


"Sie stellte fest, dass man Philosophie im Grunde nicht lernen kann, aber vielleicht, dachte sie, kann man lernen, philosophisch zu denken."


Wer sich auf diesen Roman einlässt, der auf den ersten Blick mit den 600 Seiten und dem ausufernden Sach- und Personenregister am Ende recht sperrig wirkt, wird mit einer spannenden Zeitreise durch die Geschichte der Menschheit mit einem genaueren Blickwinkel auf Denkweisen, Kulturen und Religionen belohnt. Wir lernen nämlich nicht nur das Leben, den Kontext und die Theorien von Denkern wie Parmenides, Heraklit, Demokrit, Sokrates, Aristoteles, Platon, Augustins, Thomas von Aquin, Hobbes, Descartes, Spinoza, Locke, Hume, Berkeley, Kierkegaard, Marx, Darwin oder Freud kennen, sondern reisen auch durch alle Epochen der Menschheitsgeschichte. So kann altes Wissen über die großen Zusammenhänge der Geschichte wieder aufgefrischt und mit neuen Informationen ausgeschmückt werden. Wir befassen uns im Laufe des Romans kurz mit der Antike, dem Mittelalter, der Renaissance, dem Barock mit Reformation und Dreißigjährigem Krieg, der Aufklärung mit Industrialismus, der Romantik und der späte Neuzeit mit neuen technologischen Entwicklungen und Globalisierung.

Der Untertitel "Roman über die Geschichte der Philosophie" und der Klapptext vermitteln den Anspruch, 3000 Jahre Geschichte des Denkens, der Religion und der Wissenschaft verständlich für Jugendliche wie für Erwachsene darzustellen. Ein ganz schön gewagtes Vorhaben - selbst auf 600 Seiten müssen da natürlich Abstriche gemacht, müssen Fokusse gesetzt und komplizierte Schlussfolgerungen an einfachen Beispielen erklärt werden. Wer also durch einen leicht zugänglichen Grundkurs der Philosophie einen groben Eindruck von wichtigen Strömungen von Wissenschaft und Glaube über die Jahrhunderte hinweg erhalten will, wird in diesem Roman viele spannende neue Informationen und Blickweisen erhalten. Durch gut verständliche, eingängige Beispiele werden Zusammenhänge auch Neulingen auf dem Gebiet klargemacht und die sachbuchartigen Info-Abschnitte sind einfach genug um von Kindern und Jugendlichen verstanden werden zu können, aber doch so komplex um Erwachsene zu bereichern.


"Sie selber war einfach nur ein zufälliger Mensch. aber wenn sie ihre historischen Wurzeln kannte, wurde sie etwas weniger zufällig. Sie selber lebte nur wenige Jahre auf diesem Planeten. Aber wenn die Geschichte der Menschheit auch ihre eigene Geschichte war, war sie in gewisser Weise viele tausend Jahre alt."


Wer sich aber gerne tiefgehender mit Theorien befassen möchte oder sich selbst durch die Geschichte philosophieren möchte, sollte sich eher an den ursprünglichen Werken der Denker oder an ausführlicheren Sachbüchern orientieren. Denn wir befassen uns hier leider nur mit einer recht begrenzten Auswahl an Themen und setzen einen klaren Fokus auf die Anfänge der Philosophie und die tragen dabei wie sooft die Brille der europäischen Kultur. Außerdem setzt der Autor großteils einen sehr belehrenden Stil auf, der viele (gerade Erwachsene Leser mit Vorwissen) stören könnte. Das resultiert vor allem daraus, dass die Art und Weise, wie der Autor versucht, die Informationsblöcke aufzulockern nur bedingt funktioniert. An manchen Stellen wirken die Dialoge, zwischen Sofie und ihrem "Lehrer" Alberto Knag, die der Autor nutzt um Informationen zu vermitteln, sehr zäh und trocken, da sich immer wieder dieselbe Phrasen wiederholen und fehlende gedankliche Tiefe aufseiten von Sofie dafür sorgt, dass man den Dialog schnell als Farce entlarven kann. So wiederholen sich ständig bestimmte Phrasen vonseiten Sofies ("Erklären!", "Und das bedeutet?", "Ich verstehe.", "Erzähl.", "Beispiele bitte.", "Mach weiter.", "Ich höre.", "Begriffen."), die wie abgehackte Einwürfe erscheinen, sie aber nicht zu einem wertvollen Gesprächspartner machen. Sie stellt keine wirklichen Fragen, die sich der Leser dann selber für sich beantworten kann sondern fungiert über große Teile des Romans nur als Stichwortgeberin für den Monolog des Lehrers. So erreichen die Theorie-Teile nicht immer die gewünschte gedankliche Tiefe - aber das ist wirklich Meckern auf hohem Niveau.


"Im Garten war alles wunderbar klar und still. Die Vögel zwitscherten so energisch, dass Sofie fast lachen musste. Morgentau kullerte von den Grashalmen wie kleine Kristalltropfen. Wieder ging ihr auf, was die Welt für ein unfassbares Wunder ist."


Ein weiterer Kritikpunkt, den man in Bezug auf Sofie anbringen kann ist dass sie über die gesamte Handlung hinweg sehr blass bleibt und der Autor das Identifikationspotential, das er durch seine junge Protagonistin für ebenfalls junge Leser gehabt hätte, verschenkt. An manchen Stellen wirkt sie nicht nur kilometerweit weg sondern auch schlichtweg unsympathisch. Bevor man sich als Leser jedoch über die scheinbar total belanglose Rahmenhandlung ärgern kann, überrascht der Autor mit einer spannenden Wendung, die Sofies Geschichte nicht nur zum Medium sondern auch zum Beispiel für philosophische Probleme und deren Lösung macht. Bald wird klar, dass der Aufbau des Plots mit den zwei ineinander verschachtelten Handlungsebenen voller echter und romantischer Ironie leicht über die banale, oberflächliche Geschichte mit ihren blassen Figuren hinwegtrösten kann. Sieht man großzügig über einige Stellen hinweg, in denen der Autor etwas über das Ziel hinausschießt und konstruiert märchenhaft und übertrieben abstrakt Märchenfiguren auftauchen lässt oder die physikalischen Kräfte außer Kraft setzt, lockert die Rahmenhandlung also den Theorieteil auf und lädt unterhaltsam zum Miträtseln und Mitfiebern bei den großen und kleinen Rätseln unseres Daseins ein.


"Leben und Tod waren zwei Seiten derselben Sache. Man kann nicht erleben, dass man existiert, ohne auch zu erleben, dass man sterben muss, dachte sie. Und es ist genauso unmöglich, darüber nachzudenken, dass man sterben muss, ohne zugleich daran zu denken, wie phantastisch das Leben ist."


Das tatsächliche Ende ist wohl einfach Geschmacksache und auch wenn die Mischung aus Sachbuch und Roman an manchen Stellen etwas unausgegoren wirkt, wird diese Geschichte den Horizont sämtlicher Leser erweitern und zum Sinnieren und Reflektieren anregen.




Fazit:


Eine spannende Zeitreise durch die Geschichte der Menschheit mit einem ganz neuen Blickwinkel auf Denkweisen, Kulturen und Religionen. Eingängige Beispiele, eine unterhaltsame, gut durchdachte Rahmengeschichte und der leichte Erzählton trösten über oberflächliche, blasse Figuren und die doch recht begrenzte Auswahl an Themen hinweg. Zu Recht ein echter Klassiker!

Veröffentlicht am 01.12.2019

Eine spannende Zeitreise durch die Geschichte der Menschheit

Sofies Welt
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Oft zitiert, preisgekrönt, verfilmt und diskutiert - "Sofies Welt" ist mittlerweile ein echter Klassiker geworden, dem sich meiner Meinung nach jeder Leser mindestens einmal widmen sollte. Fragen wie "Wer ...

Oft zitiert, preisgekrönt, verfilmt und diskutiert - "Sofies Welt" ist mittlerweile ein echter Klassiker geworden, dem sich meiner Meinung nach jeder Leser mindestens einmal widmen sollte. Fragen wie "Wer bist du?", "Woher kommt die Erde?", "Was ist ein Mensch?", "Was ist wirklich sicher?" oder "Gibt es einen Gott?" wurden durch alle Epochen der Menschheitsgeschichte anders beantwortet und sich heute noch von großer Relevanz - also warum sich nicht auf einen schnellen Crashkurs der Philosophie einlassen und eine erste Annäherung an brillante Denker und schwierige Theorien vornehmen?


"Sie stellte fest, dass man Philosophie im Grunde nicht lernen kann, aber vielleicht, dachte sie, kann man lernen, philosophisch zu denken."


Wer sich auf diesen Roman einlässt, der auf den ersten Blick mit den 600 Seiten und dem ausufernden Sach- und Personenregister am Ende recht sperrig wirkt, wird mit einer spannenden Zeitreise durch die Geschichte der Menschheit mit einem genaueren Blickwinkel auf Denkweisen, Kulturen und Religionen belohnt. Wir lernen nämlich nicht nur das Leben, den Kontext und die Theorien von Denkern wie Parmenides, Heraklit, Demokrit, Sokrates, Aristoteles, Platon, Augustins, Thomas von Aquin, Hobbes, Descartes, Spinoza, Locke, Hume, Berkeley, Kierkegaard, Marx, Darwin oder Freud kennen, sondern reisen auch durch alle Epochen der Menschheitsgeschichte. So kann altes Wissen über die großen Zusammenhänge der Geschichte wieder aufgefrischt und mit neuen Informationen ausgeschmückt werden. Wir befassen uns im Laufe des Romans kurz mit der Antike, dem Mittelalter, der Renaissance, dem Barock mit Reformation und Dreißigjährigem Krieg, der Aufklärung mit Industrialismus, der Romantik und der späte Neuzeit mit neuen technologischen Entwicklungen und Globalisierung.

Der Untertitel "Roman über die Geschichte der Philosophie" und der Klapptext vermitteln den Anspruch, 3000 Jahre Geschichte des Denkens, der Religion und der Wissenschaft verständlich für Jugendliche wie für Erwachsene darzustellen. Ein ganz schön gewagtes Vorhaben - selbst auf 600 Seiten müssen da natürlich Abstriche gemacht, müssen Fokusse gesetzt und komplizierte Schlussfolgerungen an einfachen Beispielen erklärt werden. Wer also durch einen leicht zugänglichen Grundkurs der Philosophie einen groben Eindruck von wichtigen Strömungen von Wissenschaft und Glaube über die Jahrhunderte hinweg erhalten will, wird in diesem Roman viele spannende neue Informationen und Blickweisen erhalten. Durch gut verständliche, eingängige Beispiele werden Zusammenhänge auch Neulingen auf dem Gebiet klargemacht und die sachbuchartigen Info-Abschnitte sind einfach genug um von Kindern und Jugendlichen verstanden werden zu können, aber doch so komplex um Erwachsene zu bereichern.


"Sie selber war einfach nur ein zufälliger Mensch. aber wenn sie ihre historischen Wurzeln kannte, wurde sie etwas weniger zufällig. Sie selber lebte nur wenige Jahre auf diesem Planeten. Aber wenn die Geschichte der Menschheit auch ihre eigene Geschichte war, war sie in gewisser Weise viele tausend Jahre alt."


Wer sich aber gerne tiefgehender mit Theorien befassen möchte oder sich selbst durch die Geschichte philosophieren möchte, sollte sich eher an den ursprünglichen Werken der Denker oder an ausführlicheren Sachbüchern orientieren. Denn wir befassen uns hier leider nur mit einer recht begrenzten Auswahl an Themen und setzen einen klaren Fokus auf die Anfänge der Philosophie und die tragen dabei wie sooft die Brille der europäischen Kultur. Außerdem setzt der Autor großteils einen sehr belehrenden Stil auf, der viele (gerade Erwachsene Leser mit Vorwissen) stören könnte. Das resultiert vor allem daraus, dass die Art und Weise, wie der Autor versucht, die Informationsblöcke aufzulockern nur bedingt funktioniert. An manchen Stellen wirken die Dialoge, zwischen Sofie und ihrem "Lehrer" Alberto Knag, die der Autor nutzt um Informationen zu vermitteln, sehr zäh und trocken, da sich immer wieder dieselbe Phrasen wiederholen und fehlende gedankliche Tiefe aufseiten von Sofie dafür sorgt, dass man den Dialog schnell als Farce entlarven kann. So wiederholen sich ständig bestimmte Phrasen vonseiten Sofies ("Erklären!", "Und das bedeutet?", "Ich verstehe.", "Erzähl.", "Beispiele bitte.", "Mach weiter.", "Ich höre.", "Begriffen."), die wie abgehackte Einwürfe erscheinen, sie aber nicht zu einem wertvollen Gesprächspartner machen. Sie stellt keine wirklichen Fragen, die sich der Leser dann selber für sich beantworten kann sondern fungiert über große Teile des Romans nur als Stichwortgeberin für den Monolog des Lehrers. So erreichen die Theorie-Teile nicht immer die gewünschte gedankliche Tiefe - aber das ist wirklich Meckern auf hohem Niveau.


"Im Garten war alles wunderbar klar und still. Die Vögel zwitscherten so energisch, dass Sofie fast lachen musste. Morgentau kullerte von den Grashalmen wie kleine Kristalltropfen. Wieder ging ihr auf, was die Welt für ein unfassbares Wunder ist."


Ein weiterer Kritikpunkt, den man in Bezug auf Sofie anbringen kann ist dass sie über die gesamte Handlung hinweg sehr blass bleibt und der Autor das Identifikationspotential, das er durch seine junge Protagonistin für ebenfalls junge Leser gehabt hätte, verschenkt. An manchen Stellen wirkt sie nicht nur kilometerweit weg sondern auch schlichtweg unsympathisch. Bevor man sich als Leser jedoch über die scheinbar total belanglose Rahmenhandlung ärgern kann, überrascht der Autor mit einer spannenden Wendung, die Sofies Geschichte nicht nur zum Medium sondern auch zum Beispiel für philosophische Probleme und deren Lösung macht. Bald wird klar, dass der Aufbau des Plots mit den zwei ineinander verschachtelten Handlungsebenen voller echter und romantischer Ironie leicht über die banale, oberflächliche Geschichte mit ihren blassen Figuren hinwegtrösten kann. Sieht man großzügig über einige Stellen hinweg, in denen der Autor etwas über das Ziel hinausschießt und konstruiert märchenhaft und übertrieben abstrakt Märchenfiguren auftauchen lässt oder die physikalischen Kräfte außer Kraft setzt, lockert die Rahmenhandlung also den Theorieteil auf und lädt unterhaltsam zum Miträtseln und Mitfiebern bei den großen und kleinen Rätseln unseres Daseins ein.


"Leben und Tod waren zwei Seiten derselben Sache. Man kann nicht erleben, dass man existiert, ohne auch zu erleben, dass man sterben muss, dachte sie. Und es ist genauso unmöglich, darüber nachzudenken, dass man sterben muss, ohne zugleich daran zu denken, wie phantastisch das Leben ist."


Das tatsächliche Ende ist wohl einfach Geschmacksache und auch wenn die Mischung aus Sachbuch und Roman an manchen Stellen etwas unausgegoren wirkt, wird diese Geschichte den Horizont sämtlicher Leser erweitern und zum Sinnieren und Reflektieren anregen.




Fazit:


Eine spannende Zeitreise durch die Geschichte der Menschheit mit einem ganz neuen Blickwinkel auf Denkweisen, Kulturen und Religionen. Eingängige Beispiele, eine unterhaltsame, gut durchdachte Rahmengeschichte und der leichte Erzählton trösten über oberflächliche, blasse Figuren und die doch recht begrenzte Auswahl an Themen hinweg. Zu Recht ein echter Klassiker!

Veröffentlicht am 01.12.2019

Eine spannende Zeitreise durch die Geschichte der Menschheit

Sofies Welt
0

Oft zitiert, preisgekrönt, verfilmt und diskutiert - "Sofies Welt" ist mittlerweile ein echter Klassiker geworden, dem sich meiner Meinung nach jeder Leser mindestens einmal widmen sollte. Fragen wie "Wer ...

Oft zitiert, preisgekrönt, verfilmt und diskutiert - "Sofies Welt" ist mittlerweile ein echter Klassiker geworden, dem sich meiner Meinung nach jeder Leser mindestens einmal widmen sollte. Fragen wie "Wer bist du?", "Woher kommt die Erde?", "Was ist ein Mensch?", "Was ist wirklich sicher?" oder "Gibt es einen Gott?" wurden durch alle Epochen der Menschheitsgeschichte anders beantwortet und sich heute noch von großer Relevanz - also warum sich nicht auf einen schnellen Crashkurs der Philosophie einlassen und eine erste Annäherung an brillante Denker und schwierige Theorien vornehmen?


"Sie stellte fest, dass man Philosophie im Grunde nicht lernen kann, aber vielleicht, dachte sie, kann man lernen, philosophisch zu denken."


Wer sich auf diesen Roman einlässt, der auf den ersten Blick mit den 600 Seiten und dem ausufernden Sach- und Personenregister am Ende recht sperrig wirkt, wird mit einer spannenden Zeitreise durch die Geschichte der Menschheit mit einem genaueren Blickwinkel auf Denkweisen, Kulturen und Religionen belohnt. Wir lernen nämlich nicht nur das Leben, den Kontext und die Theorien von Denkern wie Parmenides, Heraklit, Demokrit, Sokrates, Aristoteles, Platon, Augustins, Thomas von Aquin, Hobbes, Descartes, Spinoza, Locke, Hume, Berkeley, Kierkegaard, Marx, Darwin oder Freud kennen, sondern reisen auch durch alle Epochen der Menschheitsgeschichte. So kann altes Wissen über die großen Zusammenhänge der Geschichte wieder aufgefrischt und mit neuen Informationen ausgeschmückt werden. Wir befassen uns im Laufe des Romans kurz mit der Antike, dem Mittelalter, der Renaissance, dem Barock mit Reformation und Dreißigjährigem Krieg, der Aufklärung mit Industrialismus, der Romantik und der späte Neuzeit mit neuen technologischen Entwicklungen und Globalisierung.

Der Untertitel "Roman über die Geschichte der Philosophie" und der Klapptext vermitteln den Anspruch, 3000 Jahre Geschichte des Denkens, der Religion und der Wissenschaft verständlich für Jugendliche wie für Erwachsene darzustellen. Ein ganz schön gewagtes Vorhaben - selbst auf 600 Seiten müssen da natürlich Abstriche gemacht, müssen Fokusse gesetzt und komplizierte Schlussfolgerungen an einfachen Beispielen erklärt werden. Wer also durch einen leicht zugänglichen Grundkurs der Philosophie einen groben Eindruck von wichtigen Strömungen von Wissenschaft und Glaube über die Jahrhunderte hinweg erhalten will, wird in diesem Roman viele spannende neue Informationen und Blickweisen erhalten. Durch gut verständliche, eingängige Beispiele werden Zusammenhänge auch Neulingen auf dem Gebiet klargemacht und die sachbuchartigen Info-Abschnitte sind einfach genug um von Kindern und Jugendlichen verstanden werden zu können, aber doch so komplex um Erwachsene zu bereichern.


"Sie selber war einfach nur ein zufälliger Mensch. aber wenn sie ihre historischen Wurzeln kannte, wurde sie etwas weniger zufällig. Sie selber lebte nur wenige Jahre auf diesem Planeten. Aber wenn die Geschichte der Menschheit auch ihre eigene Geschichte war, war sie in gewisser Weise viele tausend Jahre alt."


Wer sich aber gerne tiefgehender mit Theorien befassen möchte oder sich selbst durch die Geschichte philosophieren möchte, sollte sich eher an den ursprünglichen Werken der Denker oder an ausführlicheren Sachbüchern orientieren. Denn wir befassen uns hier leider nur mit einer recht begrenzten Auswahl an Themen und setzen einen klaren Fokus auf die Anfänge der Philosophie und die tragen dabei wie sooft die Brille der europäischen Kultur. Außerdem setzt der Autor großteils einen sehr belehrenden Stil auf, der viele (gerade Erwachsene Leser mit Vorwissen) stören könnte. Das resultiert vor allem daraus, dass die Art und Weise, wie der Autor versucht, die Informationsblöcke aufzulockern nur bedingt funktioniert. An manchen Stellen wirken die Dialoge, zwischen Sofie und ihrem "Lehrer" Alberto Knag, die der Autor nutzt um Informationen zu vermitteln, sehr zäh und trocken, da sich immer wieder dieselbe Phrasen wiederholen und fehlende gedankliche Tiefe aufseiten von Sofie dafür sorgt, dass man den Dialog schnell als Farce entlarven kann. So wiederholen sich ständig bestimmte Phrasen vonseiten Sofies ("Erklären!", "Und das bedeutet?", "Ich verstehe.", "Erzähl.", "Beispiele bitte.", "Mach weiter.", "Ich höre.", "Begriffen."), die wie abgehackte Einwürfe erscheinen, sie aber nicht zu einem wertvollen Gesprächspartner machen. Sie stellt keine wirklichen Fragen, die sich der Leser dann selber für sich beantworten kann sondern fungiert über große Teile des Romans nur als Stichwortgeberin für den Monolog des Lehrers. So erreichen die Theorie-Teile nicht immer die gewünschte gedankliche Tiefe - aber das ist wirklich Meckern auf hohem Niveau.


"Im Garten war alles wunderbar klar und still. Die Vögel zwitscherten so energisch, dass Sofie fast lachen musste. Morgentau kullerte von den Grashalmen wie kleine Kristalltropfen. Wieder ging ihr auf, was die Welt für ein unfassbares Wunder ist."


Ein weiterer Kritikpunkt, den man in Bezug auf Sofie anbringen kann ist dass sie über die gesamte Handlung hinweg sehr blass bleibt und der Autor das Identifikationspotential, das er durch seine junge Protagonistin für ebenfalls junge Leser gehabt hätte, verschenkt. An manchen Stellen wirkt sie nicht nur kilometerweit weg sondern auch schlichtweg unsympathisch. Bevor man sich als Leser jedoch über die scheinbar total belanglose Rahmenhandlung ärgern kann, überrascht der Autor mit einer spannenden Wendung, die Sofies Geschichte nicht nur zum Medium sondern auch zum Beispiel für philosophische Probleme und deren Lösung macht. Bald wird klar, dass der Aufbau des Plots mit den zwei ineinander verschachtelten Handlungsebenen voller echter und romantischer Ironie leicht über die banale, oberflächliche Geschichte mit ihren blassen Figuren hinwegtrösten kann. Sieht man großzügig über einige Stellen hinweg, in denen der Autor etwas über das Ziel hinausschießt und konstruiert märchenhaft und übertrieben abstrakt Märchenfiguren auftauchen lässt oder die physikalischen Kräfte außer Kraft setzt, lockert die Rahmenhandlung also den Theorieteil auf und lädt unterhaltsam zum Miträtseln und Mitfiebern bei den großen und kleinen Rätseln unseres Daseins ein.


"Leben und Tod waren zwei Seiten derselben Sache. Man kann nicht erleben, dass man existiert, ohne auch zu erleben, dass man sterben muss, dachte sie. Und es ist genauso unmöglich, darüber nachzudenken, dass man sterben muss, ohne zugleich daran zu denken, wie phantastisch das Leben ist."


Das tatsächliche Ende ist wohl einfach Geschmacksache und auch wenn die Mischung aus Sachbuch und Roman an manchen Stellen etwas unausgegoren wirkt, wird diese Geschichte den Horizont sämtlicher Leser erweitern und zum Sinnieren und Reflektieren anregen.




Fazit:


Eine spannende Zeitreise durch die Geschichte der Menschheit mit einem ganz neuen Blickwinkel auf Denkweisen, Kulturen und Religionen. Eingängige Beispiele, eine unterhaltsame, gut durchdachte Rahmengeschichte und der leichte Erzählton trösten über oberflächliche, blasse Figuren und die doch recht begrenzte Auswahl an Themen hinweg. Zu Recht ein echter Klassiker!

Veröffentlicht am 01.12.2019

Eine spannende Zeitreise durch die Geschichte der Menschheit

Sofies Welt
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Oft zitiert, preisgekrönt, verfilmt und diskutiert - "Sofies Welt" ist mittlerweile ein echter Klassiker geworden, dem sich meiner Meinung nach jeder Leser mindestens einmal widmen sollte. Fragen wie "Wer ...

Oft zitiert, preisgekrönt, verfilmt und diskutiert - "Sofies Welt" ist mittlerweile ein echter Klassiker geworden, dem sich meiner Meinung nach jeder Leser mindestens einmal widmen sollte. Fragen wie "Wer bist du?", "Woher kommt die Erde?", "Was ist ein Mensch?", "Was ist wirklich sicher?" oder "Gibt es einen Gott?" wurden durch alle Epochen der Menschheitsgeschichte anders beantwortet und sich heute noch von großer Relevanz - also warum sich nicht auf einen schnellen Crashkurs der Philosophie einlassen und eine erste Annäherung an brillante Denker und schwierige Theorien vornehmen?


"Sie stellte fest, dass man Philosophie im Grunde nicht lernen kann, aber vielleicht, dachte sie, kann man lernen, philosophisch zu denken."


Wer sich auf diesen Roman einlässt, der auf den ersten Blick mit den 600 Seiten und dem ausufernden Sach- und Personenregister am Ende recht sperrig wirkt, wird mit einer spannenden Zeitreise durch die Geschichte der Menschheit mit einem genaueren Blickwinkel auf Denkweisen, Kulturen und Religionen belohnt. Wir lernen nämlich nicht nur das Leben, den Kontext und die Theorien von Denkern wie Parmenides, Heraklit, Demokrit, Sokrates, Aristoteles, Platon, Augustins, Thomas von Aquin, Hobbes, Descartes, Spinoza, Locke, Hume, Berkeley, Kierkegaard, Marx, Darwin oder Freud kennen, sondern reisen auch durch alle Epochen der Menschheitsgeschichte. So kann altes Wissen über die großen Zusammenhänge der Geschichte wieder aufgefrischt und mit neuen Informationen ausgeschmückt werden. Wir befassen uns im Laufe des Romans kurz mit der Antike, dem Mittelalter, der Renaissance, dem Barock mit Reformation und Dreißigjährigem Krieg, der Aufklärung mit Industrialismus, der Romantik und der späte Neuzeit mit neuen technologischen Entwicklungen und Globalisierung.

Der Untertitel "Roman über die Geschichte der Philosophie" und der Klapptext vermitteln den Anspruch, 3000 Jahre Geschichte des Denkens, der Religion und der Wissenschaft verständlich für Jugendliche wie für Erwachsene darzustellen. Ein ganz schön gewagtes Vorhaben - selbst auf 600 Seiten müssen da natürlich Abstriche gemacht, müssen Fokusse gesetzt und komplizierte Schlussfolgerungen an einfachen Beispielen erklärt werden. Wer also durch einen leicht zugänglichen Grundkurs der Philosophie einen groben Eindruck von wichtigen Strömungen von Wissenschaft und Glaube über die Jahrhunderte hinweg erhalten will, wird in diesem Roman viele spannende neue Informationen und Blickweisen erhalten. Durch gut verständliche, eingängige Beispiele werden Zusammenhänge auch Neulingen auf dem Gebiet klargemacht und die sachbuchartigen Info-Abschnitte sind einfach genug um von Kindern und Jugendlichen verstanden werden zu können, aber doch so komplex um Erwachsene zu bereichern.


"Sie selber war einfach nur ein zufälliger Mensch. aber wenn sie ihre historischen Wurzeln kannte, wurde sie etwas weniger zufällig. Sie selber lebte nur wenige Jahre auf diesem Planeten. Aber wenn die Geschichte der Menschheit auch ihre eigene Geschichte war, war sie in gewisser Weise viele tausend Jahre alt."


Wer sich aber gerne tiefgehender mit Theorien befassen möchte oder sich selbst durch die Geschichte philosophieren möchte, sollte sich eher an den ursprünglichen Werken der Denker oder an ausführlicheren Sachbüchern orientieren. Denn wir befassen uns hier leider nur mit einer recht begrenzten Auswahl an Themen und setzen einen klaren Fokus auf die Anfänge der Philosophie und die tragen dabei wie sooft die Brille der europäischen Kultur. Außerdem setzt der Autor großteils einen sehr belehrenden Stil auf, der viele (gerade Erwachsene Leser mit Vorwissen) stören könnte. Das resultiert vor allem daraus, dass die Art und Weise, wie der Autor versucht, die Informationsblöcke aufzulockern nur bedingt funktioniert. An manchen Stellen wirken die Dialoge, zwischen Sofie und ihrem "Lehrer" Alberto Knag, die der Autor nutzt um Informationen zu vermitteln, sehr zäh und trocken, da sich immer wieder dieselbe Phrasen wiederholen und fehlende gedankliche Tiefe aufseiten von Sofie dafür sorgt, dass man den Dialog schnell als Farce entlarven kann. So wiederholen sich ständig bestimmte Phrasen vonseiten Sofies ("Erklären!", "Und das bedeutet?", "Ich verstehe.", "Erzähl.", "Beispiele bitte.", "Mach weiter.", "Ich höre.", "Begriffen."), die wie abgehackte Einwürfe erscheinen, sie aber nicht zu einem wertvollen Gesprächspartner machen. Sie stellt keine wirklichen Fragen, die sich der Leser dann selber für sich beantworten kann sondern fungiert über große Teile des Romans nur als Stichwortgeberin für den Monolog des Lehrers. So erreichen die Theorie-Teile nicht immer die gewünschte gedankliche Tiefe - aber das ist wirklich Meckern auf hohem Niveau.


"Im Garten war alles wunderbar klar und still. Die Vögel zwitscherten so energisch, dass Sofie fast lachen musste. Morgentau kullerte von den Grashalmen wie kleine Kristalltropfen. Wieder ging ihr auf, was die Welt für ein unfassbares Wunder ist."


Ein weiterer Kritikpunkt, den man in Bezug auf Sofie anbringen kann ist dass sie über die gesamte Handlung hinweg sehr blass bleibt und der Autor das Identifikationspotential, das er durch seine junge Protagonistin für ebenfalls junge Leser gehabt hätte, verschenkt. An manchen Stellen wirkt sie nicht nur kilometerweit weg sondern auch schlichtweg unsympathisch. Bevor man sich als Leser jedoch über die scheinbar total belanglose Rahmenhandlung ärgern kann, überrascht der Autor mit einer spannenden Wendung, die Sofies Geschichte nicht nur zum Medium sondern auch zum Beispiel für philosophische Probleme und deren Lösung macht. Bald wird klar, dass der Aufbau des Plots mit den zwei ineinander verschachtelten Handlungsebenen voller echter und romantischer Ironie leicht über die banale, oberflächliche Geschichte mit ihren blassen Figuren hinwegtrösten kann. Sieht man großzügig über einige Stellen hinweg, in denen der Autor etwas über das Ziel hinausschießt und konstruiert märchenhaft und übertrieben abstrakt Märchenfiguren auftauchen lässt oder die physikalischen Kräfte außer Kraft setzt, lockert die Rahmenhandlung also den Theorieteil auf und lädt unterhaltsam zum Miträtseln und Mitfiebern bei den großen und kleinen Rätseln unseres Daseins ein.


"Leben und Tod waren zwei Seiten derselben Sache. Man kann nicht erleben, dass man existiert, ohne auch zu erleben, dass man sterben muss, dachte sie. Und es ist genauso unmöglich, darüber nachzudenken, dass man sterben muss, ohne zugleich daran zu denken, wie phantastisch das Leben ist."


Das tatsächliche Ende ist wohl einfach Geschmacksache und auch wenn die Mischung aus Sachbuch und Roman an manchen Stellen etwas unausgegoren wirkt, wird diese Geschichte den Horizont sämtlicher Leser erweitern und zum Sinnieren und Reflektieren anregen.




Fazit:


Eine spannende Zeitreise durch die Geschichte der Menschheit mit einem ganz neuen Blickwinkel auf Denkweisen, Kulturen und Religionen. Eingängige Beispiele, eine unterhaltsame, gut durchdachte Rahmengeschichte und der leichte Erzählton trösten über oberflächliche, blasse Figuren und die doch recht begrenzte Auswahl an Themen hinweg. Zu Recht ein echter Klassiker!

Veröffentlicht am 11.09.2019

Mal düster und bedrohlich, mal leuchtend bunt und immer wunderschön!

King of Scars
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"King of Scars" ist mein erster Ausflug ins Grisha-Verse und auch wenn ich die Geschichte wundervoll fand, bereue ich sehr, dass ich das Buch gelesen habe. Ich habe mir das Buch angefragt da ich meine ...

"King of Scars" ist mein erster Ausflug ins Grisha-Verse und auch wenn ich die Geschichte wundervoll fand, bereue ich sehr, dass ich das Buch gelesen habe. Ich habe mir das Buch angefragt da ich meine Chance sah, auch ein wenig Bardugo-Zauber erhaschen und mir die fünf Bände zuvor sparen zu können. Nach Aussagen des Verlags kann man dieses Buch auch ohne Vorkenntnisse lesen, aber ich warne euch: wenn ihr weder "Grisha" noch "Das Lied der Krähen" gelesen habt - Finger weg von diesem Buch! Wenn ihr euch im Grisha-Verse allerdings schon auskennt: ich kann euch diese Geschichte nur ans Herz legen!

"Ich bin das Monster, und das Monster ist ich."


Ich will es gar nicht leugnen - ich bin beim Bestellen dieser Geschichte auch der wunderschönen Gestaltung erlegen. Schaut euch dieses goldene Prachtstück doch nur mal an: auf schmutzig-goldenem Hintergrund sind fühlbare Prägungen aufgesetzt, die kleine Details der Handlung zeigen. Groß in der Mitte ist das Wappen von Zar Nikolai Lantsov zu sehen. Der majestätische Doppeladler mit der strahlenden Krone fasst den heller hervorgehobenen Titel wundervoll ein und wird durch Krallenspuren, die ebenfalls eine Verbindung zum Titel haben, durchtrennt.
Im linken unteren Eck sind die Türme des Zarenpalastes in Os Alta zu sehen, rechts unten weist das Segelschiff auf einen weiteren Handlungsstrang hin. Interessant sind aber vor allem die Motive rechts und links oben: die Rosen und der Drache, die beide versteckte Hinweise auf spannende Entwicklungen sind, die man sich als ahnungsloser Betrachter des Covers niemals vorstellen könnte. Abgerundet wird das liebevoll ausgearbeitete Coverbild durch den schwarzen Buchschnitt und die Karte in der vorderen Leselasche. Auch innerhalb der Buchdeckel ist das Buch ein wirklicher Hingucker! Geteilt ist die Geschichte in zwei große Kapitel: "Der Ertrinkende" und "Die Hexe im Wald". Außerdem hilft eine Übersicht über die Orden der Grisha zu Beginn, den Überblick zu behalten. Wie die Vorgängerbände auch ist "King of Scars" wieder aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Diese sind durch verzierte Embleme passend zu der jeweiligen Gabe oder Stellung des Erzählenden angekündigt. Insgesamt müsste man also allein für die Gestaltung schon fast 5 Sterne verteilen

Erster Satz: "Dima hörte das Knallen der Scheunentüren, bevor es jemand anderem auffiel."

Wir starten mit einer Art Prolog, in dem wir unvoreingenommen aus der Fremdperspektive mit dem dunklen Monster konfrontiert werden, das in Nikolai schlummert. Danach werden wir in den anderen Handlungsstrang eingeführt, den Nina (schon bekannt aus der Krähen-Dilogie) in Fjerda bestreitet. Zu Beginn war ich heillos überfordert. Denn anstatt -wie ich angenommen hatte- eine neue Geschichte zu entwickeln, die zufällig in der alten Welt spielt, liest sich "King of Scars" wie ein Band 6 einer Reihe, die ich nicht gelesen habe. Statt ein Abenteuer zu erhalten, das sich zufällig im Grisha-Verse abspielt, lesen wir hier vom Grisha-Verse, das uns durch ein Abenteuer näher gebracht werden soll. Wir bekommen Namen, Orte, Grisha-Arten, Sonderbegriffe und Anspielungen auf die Grisha-Handlung mit Alina Starkov oder dem Tod von Matthias in den Krähen-Büchern nur so um die Ohren gehauen. Das verwirrt zum einen natürlich sehr, zum anderen wird auch für die anderen Bände hemmungslos gespoilert. Letzteres ist natürlich nicht die Schuld der Autorin aber ich habe mich zu Beginn viel zu sehr alleingelassen gefühlt, als dass ich dem Verlag zustimmen würde - man kann dieses Buch nicht ohne Vorkenntnisse lesen!


"Dieses Mal werde ich bereit für ihn sein." Zoya flüsterte die Worte in der Dunkelheit, unter dem Dach der Gemächer, die der Dunkle einmal bewohnt hatte, im Palast, den er aus dem Nichts erbaut hatte. Sie war kein naives Mädchen mehr, das sich voller Verzweiflung bei jeder Gelegenheit zu beweisen suchte. Sie war eine Befehlshaberin mit einer langen Liste an Opfern und einem noch längeren Gedächtnis."


Eine neue Reihe hätte auch für sich alleine stehen können müssen - das funktioniert hier aber leider nicht! Die Autorin verlässt sich bei manchen Protagonisten aber vor allem bei ihrem Setting viel zu sehr darauf, dass der Leser das Grisha-Verse schon kennt und vor allem sowieso schon liebt. Statt uns von dieser Welt zu begeistern und uns die Protagonisten vorzustellen, taucht sie sofort in die Geschichte ein, sodass beides viel zu blass blieb. Mit Anfangsschwierigkeiten hatte das dann nur noch wenig zu tun.
Doch als ich dann fast dachte, ich müsste das Buch abbrechen, hat die Geschichte eine spannende Eigendynamik entwickelt und mich trotz einiger Fragezeichen im Kopf mitreißen können. Die trockene Politik, Wirtschafts- und Technikausführungen, die mich zuvor gelangweilt haben, werden durch geheimnisvolle Entdeckungen, dunkle Magie und Abenteuer aufgepeppt. Die russischen Namen, die mich vormals verwirrt haben, konnte ich mir mithilfe der tollen Karte langsam merken und so konnte ich auch die diplomatischen Beziehungen endlich nachvollziehen. Vor allem aber wurden neue Protagonisten eingeführt, die für Gänsehaut und Herzmomente sorgen und über den holprigen Beginn hinweg trösten.


"Für Nikolai stellte ein Problem immer eine Gelegenheit dar, nicht anders als das, was eine Maschine der Fjerdan bot. Man zerlegte sie in ihre Einzelteile, fand heraus, was sie antrieb, dann nute man diese Teile, um daraus etwas zu bauen, das für einen arbeitete, statt gegen einen. Der Dämon war damit nicht einverstanden. Der Dämon hatte kein Interesse am Lösen von Problemen oder an der Staatskunst oder der Zukunft. Ihn trieb nur der Hunger, die Gier des Augenblicks, Töten und Verschlingen."


Insgesamt wird vor allem aus drei, gegen Ende sogar aus vier Perspektiven erzählt, die sich im Wesentlichen auf zwei Handlungsstränge konzentrieren. Der erste Handlungsstrang konzentriert sich auf den Zarenpalast in Os Alta, in dem Nikolai, seine Oberbefehlshaberin Zoya, die Zwillinge Tolya und Tamar sowie die Bildnerin Genya, und ihr Mann David am Frieden und der Sicherheit Ravkas arbeiten.
Nikolai Lantsov ist der neue Zar von Ravka. Da ich nicht genau verfolgen konnte, wie er an die Macht kam, was mit seinen Eltern war und weshalb er wieder kurz vor einem Krieg steht, vor allem aber da ich seinen Charakter im besten Falle ambivalent, im schlimmsten Falle widersprüchlich fand, konnte ich zu Beginn nicht so viel mit ihm anfangen. Auch bei ihm verlässt sich die Autorin zu sehr darauf, dass der Leser ihn aus den vorherigen Teilen schon liebt und der unvorbereitete Leser wie ich einer war, kann ihn erst im letzten Drittel ins Herz schließen-

Da hatte ich es mit Zoya Nazyalensky schon einfacher. Anders als der Zar ist sie eine Grisha und kann als Stürmerin den Wind beeinflussen. Sie ist eine von vielen starken Frauenfiguren, die wir hier kennenlernen dürfen und die mir sehr imponiert haben. Sie wirkt kalt, grausam, schützt sich mit beißendem Sarkasmus, verbirgt aber im Inneren eine schmerzhafte Unsicherheit und Hilflosigkeit und als sie ihre Geschichte erzählt, musste ich sie einfach lieben. Ihre Loyalität, ihre Stärke, ihre Gabe immer wieder über sich hinauszuwachsen hat mich inspiriert, auch wenn ich sie nicht unbedingt als sympathisch einstufen würde.


"Angst ist ein Phoenix". Worte, die Liliyana vor Jahren zu ihr gesagt und die Zoya viele Male für andere wiederholt hatte. "Du kannst sie tausend Mal brennen sehen, und doch wird die wiederkehren."


Der zweite Handlungsstrang spielt sich im eiskalten, frauenfeindlichen Fjerda ab, wo Nina Zenik auf einer Geheimmission dort verfolgte Grisha rettet und auf ein unglaubliches Geheimnis stößt. Nina ist eine Entherzerin aus Ravka, die sich den Krähen in Ketterdam angeschlossen hatte und nun um ihre verstorbene, große Liebe Matthias trauert. Diese Trauer konnte ich zwar nicht gut nachvollziehen da ich ja die Vorgeschichte nicht kannte, dennoch: die rundliche Nina mit dem riesigen Appetit auf Waffeln, der tödlichen Knochensplitter-Rüstung und dem unschuldigen Lächeln muss man einfach lieben. Da ihr Abenteuer am geradlinigsten verläuft, war mir ihr Handlungsstrang irgendwann auch der liebste. Das lag vor allem an der jungen Novizin mit einem Kämpferherz Hanne. Sie wurde schon bald zu meinem absoluten Lieblingscharakter und die Art und Weise, wie Leigh Bardugo sie gleichzeitig zerbrechlich und stark wirken lässt ist wundervoll! Leider verpasst es die Autorin aber, die beiden Handlungsstränge sinnvoll miteinander zu verbinden und so ist es als würden wir zwei Bücher gleichzeitig lesen, die aber nicht viel miteinander zu tun haben.

Neben den feministischen Zügen, die sich immer wieder abzeichnen, ist auch die Diversität der Protagonisten positiv zu vermerken. Ob bi-, pan-, hetero-, oder homosexuell spielt ebenso wie die Hautfarbe keine Rolle und wird nur nebenbei erwähnt - ebenso wie es im echten Leben auch sein sollte: keine große Sache. So fügen sich auch die Protagonisten gut in die wundervolle, eigensinnige, kunterbunte, authentische, magische Welt - das Grisha-Verse. Dass ich trotz meiner massiven Anfangsschwierigkeiten in diese osteuropäisch angehauchte Fantasywelt eintauchen konnte, garantierte der wundervolle Schreibstil der Autorin. Düster, magisch und spannend webt sie ihre Geschichte, nimmt uns mit an schillernde Schauplätze und schockt uns mit Überraschungen. Dabei tragen nie Kämpfe, Intrigen, Brutalität und Irrglaube den Sieg davon, sondern immer Mitgefühl, Freundschaft und Liebe, sodass sich die Geschichte liest wie ein Märchen: mal düster und bedrohlich, mal leuchtend bunt und immer wunderschön!
Jetzt muss ich natürlich auch die Grisha- und die Krähen-Reihe lesen, um die kompletten Vorgeschichten zu verstehen, bevor ich mich dem zweiten Teil der Reihe widmen kann.



Fazit:


Ein gelungener Auftakt voller Schmerz, Macht, Freundschaft, Mitgefühl, Liebe, Kraft, Mut und natürlich viel Magie. Leider lässt die Autorin den Grisha-fremden Leser am Anfang total alleine und hat bei mir für Fust und Verwirrung gesorgt. Dennoch konnte mich dieses wundervolle Märchen überzeugen: mal düster und bedrohlich, mal leuchtend bunt und immer wunderschön!