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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.10.2019

Spurensuche vor historisch-exotischer Kulisse

Der Zwilling von Siam
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Im Jahr 1892 reist die junge Emilie mit ihrem Vater von Hamburg in dessen zweite Heimat nach Siam um dort als Lehrerin an der königlichen Schule zu unterrichten. In Siam lebt bereits auch schon ihre Zwillingsschwester ...

Im Jahr 1892 reist die junge Emilie mit ihrem Vater von Hamburg in dessen zweite Heimat nach Siam um dort als Lehrerin an der königlichen Schule zu unterrichten. In Siam lebt bereits auch schon ihre Zwillingsschwester Marie, gemeinsam mit deren Ehemann Franz. Dort angekommen muss Emilie erfahren, dass Marie bei einem mysteriösen Unfall ums Leben gekommen ist. Emilie versucht ein wenig über Maries Leben zu erfahren und entdeckt Ungereimtheiten, die auch irgendwann für sie gefährlich werden. Zum Glück hat sie Unterstützung in Johannes, dem Bruder von Maries Ehemann...

Mit "Der Zwilling von Siam" erzählt Tara ihren Leser(innen) erneut eine spannende Geschichte mit realem, historischen Hintergund. Die einfließenenden Fakten und Ereignisse, sowie die auftauchenden real existierenden Personen, zeugen von einer bemerkenswerten Recherchearbeit! Die Fülle an Informationen bezüglich der Geschichte von Siam, des Königshauses, politische / gesellschaftliche Hintergründe, sind beeindruckend und werden so ganz nebenbei vermittelt. Besonders interessant fand ich die Umstände bezüglich des Eisenbahnbaus in dieser Zeit und die extrem fortschrittliche Haltung des damaligen Königs!

Die Beschreibung der Protagonisten ist in meinen Augen zeitgemäß sehr gut gelungen. Das Land Siam und die Stadt Bangkok werden jederzeit vor dem geistigen lebendig. Und durch den sehr flüssigen Schreibstil wird das Buch sehr schnell zum Pageturner. Da sich durch Emilies Suche nach Hinweisen auf Maries Leben immer mehr spannende Aspekte ergeben, bekommt die Handlung auch immer mehr Dramatik und man rätselt in ganz verschiedene Richtungen mit. Da tritt fast die sich anbahnende Romanze zwischen Emilie und Johannes in den Hintergrund!

Für mich war "Der Zwilling von Siam" wie eine Reise durch Raum und Zeit, hinein in eine mir bis dato unbekannte Welt. Eine spannende, faszinierende Geschichte vor historisch-exotischer Kulisse. Bitte mehr davon!

Veröffentlicht am 11.09.2019

Ein literarisches Juwel

Der Geschmack unseres Lebens
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Mit dem Buch "Der Geschmack unseres Lebens" entführt die Autorin Julia Fischer ihre Leser(innen) in das faszinierende, touristisch zum Glück noch nicht überlaufende Piemont.  

Im Mittelpunkt steht Ella, ...

Mit dem Buch "Der Geschmack unseres Lebens" entführt die Autorin Julia Fischer ihre Leser(innen) in das faszinierende, touristisch zum Glück noch nicht überlaufende Piemont.  

Im Mittelpunkt steht Ella, eine alleinerziehende Mutter, die in ihrem noch jungen Leben schon einiges wegstecken musste. Nach dem frühen Tod der Mutter hat sie ihren krebskranken Vater bis zu dessen Tod gepflegt. Nach wirtschaftlichen Rückschlägen war sie gezwungen die Haselnuss-Plantage, die seit vielen Jahren in Familinbesitz war, zu verkaufen. 
Lebensmittelpunkt ist für Ella mittlerweile, neben ihren Zwillingen, ihre eigene kleine Chocolaterie. 

Die von Ella produzieren Köstlichkeiten (sowie auch deren Herstellung) werden von der Autorin in einer Art beschrieben, dass einem nicht nur einmal das Wasser im Mund zusammenläuft. Ich konnte die Schokolade fast riechen, den erdigen Geruch des Trüffels wahrnehmen. 
Der sowohl bildgewaltige, als auch empathische Schreibstil, zeigt sich auch bei den Landschaftsbeschreibungen. Beim lesen sieht man die braun-grünen Hänge, an denen Haselnüsse und Wein angebaut wird, die Wälder, wo Trüffel gesucht und gefunden wird, vor dem geistigen Auge entstehen und erwecken eine unglaubliche Lust diese Gegend selbst zu besuchen. 

Nach und nach lernt man nicht nur Ella besser kennen, auch die Menschen, die ihr Leben entscheidend mitgeprägt haben - oder es noch immer tun: 
Ellas Bruder Danilo, der nach dem Tod der Mutter für Jahre verschwunden ist und plötzlich wieder vor der Tür steht.  
Salvatore, ein väterliche Begleiter, seit Jahren immer an ihrer Seite. 
Mahesh, ein indischer Restaurantbesitzer und treuer Freund. 
Und natürlich Michele, der neue Besitzer der Familien-Plantage, den Ella eigentlich hassen will, dann aber lieben lernt, und seine herzensgute, liebenswerte Mutter Sophia.  
Sie alle sind aber nicht nur Beiwerk, sondern haben alle ihre eigene, interessante Geschichte, die in kurzen Ein- bzw. Rückblenden eingebaut sind.  
Dadurch erhalten die Protagonisten einen Hintergrund, der ihre jeweilige Persönlichkeit unterstreicht und vertieft, während die ganzen Handlung dadurch eindeutig noch intensiver wird. 

Interessant fand ich den Einbau von realen Ereignissen, wie z.B. die jährlich stattfindende Trüffelmesse oder das Eselrennen der kleinen Stadt Alba. 
Erwähnung findet auch die in Alba ansässige Slow-Food-Universität.  
Dies ist aber nicht der einzige dezente Hinweis darauf, was wichtig sein sollte bei Zubereitung und Verzehr von Nahrungsmitteln: Genuss (ohne Reue!), Ruhe, Sorgfalt, Nachhaltigkeit und Neugier!

Natürlich kommt auch der humorvolle Teil nicht zu kurz. Über die "Neun vom Stadtplatz", eine Ü-65-Herrenrunde mit sehr eigenen Ansichten darüber was in Alba geschehen darf und was nicht - und wie man das dann auch durchzieht - habe ich mich sehr amüsiert.  

Die ganze Geschichte hat mich komplett eingenommen. Das liegt größtenteils an dem unglaublich gefühlvollen Schreibstil, der mich nun schon zum dritten Mal nachhaltig in Bann gezogen hat. 
Es gibt Sätze, ganze Passagen, die sind so wunderschön geschrieben, - ich hatte manchmal das Gefühl die Autorin sitzt neben mir und flüstert sie mir ins  Ohr!

Was ist für mich das Wesentliche an  "Der Geschmack unseres Lebens"?
Vielleicht, dass jeder sein eigenes, persönliches Päckchen zu tragen hat - aber sich davon nicht abhalten lassen sollte seinen eigenen Weg zu gehen. Die Vergangenheit beeinflusst uns vielleicht nachhaltig, darf uns aber nicht ausbremsen. Durch starres Festhalten an Gewesenem können Wünsche und Träume nicht wachsen und gedeihen. Loslassen bedeutet nicht vergessen.  

Es fällt mir schwer diese Geschichte loszulassen. 
Wobei.... muss ich ja gar nicht:  Das Buch bekommt einen Ehrenplatz in meinem Buchregal! 

Veröffentlicht am 13.08.2019

Ein Roadtrip der etwas anderen Art

Goldene Zeiten im Gepäck
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Selten habe ich bei einem Buch von Anfang bis Ende, also quasi durchgehend, ein Lächeln auf den Lippen. Hier war es der Fall!
Gleich zu Beginn war ich von Karla so unglaublich begeistert. Ihre vermeintlich ...

Selten habe ich bei einem Buch von Anfang bis Ende, also quasi durchgehend, ein Lächeln auf den Lippen. Hier war es der Fall!
Gleich zu Beginn war ich von Karla so unglaublich begeistert. Ihre vermeintlich ruppige Art verdeckt ein Herz, so groß wie ein Bergwerk.
Und "die Kaiser", also Elisabeth Kaiser, Bewohnerin des Altenheimes in Stuttgart, in dem Karla als Pflegehelferin arbeitet, steht aber ihr da in nichts nach.  Allein die Dialoge der beiden sind genial.

Karla Metuschke züchtet, mehr oder weniger zufällig, im Gewächshaus des Altenheimes Marihuana an. Eigentlich als kleiner Nebenverdienst angedacht, hilft sie den Bewohnern mittlerweile sehr gern ganz "unbürokratisch" bei kleineren Wehwehchen.
Elisabeth Kaiser, die dies entdeckt hat, nutzt ihr Wissen um Karla zu erpressen. Der Plan: Karla nimmt sich Urlaub, Elisabeth haut ab und Karla fährt sie an ein nicht näher benannten Ziel!
Denn es gibt etwas in Elisabeths Leben, das sie unbedingt erledigen muss. Als Teilnehmerin bei den Olympischen Spielen 1956 in Melbourne hat sie als junge Schwimmerin Elli dem rumänischen Schwimmer Florin ein Versprechen gegeben. Und das will sie endlich einlösen!

In wechselnden Kapiteln wird die sich anbahnende Liebesgeschichte der Deutschen Elli und des Rumänen Florin erzählt. Doch 1956, inmitten des kalten Krieges, wird dies nicht nur nicht gern gesehen, es wird Ihnen quasi untersagt Kontakt zum "Feind" aufzunehmen. Wie sich die beiden aber trotzdem annähern und natürlich ineinander verlieben ist zauberhaft beschrieben.

Man erfährt recht früh, Elli und Florin haben sich nach 1956 nie mehr wiedergesehen.  Wie konnte es dazu kommen?
Auf diesem ungewöhnlichen Roadtrip wird nach und nach vieles enthüllt. 
Aber auch Karlas Leben, das seit einiger Zeit in einer Art Sackgasse steckt, ändert sich auf dieser Reise grundlegend!
Spannend waren die verschiedenen Andeutungen: Wer hat denn jetzt eine Goldmedaille (in einer für das Buch erfundenen Kategorie) gewonnen? 
Und die diversen Umwege und Rückschläge auf der Fahrt von Stuttgart durch halb Europa, kann man mit "abenteuerlich" nur unzurechnend beschreiben!

Mich hat der verbale Schlagabtausch von Karla und Elli begeistert!
Aus dem vorsichtigen umrunden im Altenheim in Stuttgart wird nach und nach eine ganz besondere Beziehung. Ich liebe die beiden einfach!

Beim Finale hatte ich Tränen in den Augen und ein Lächeln auf den Lippen.
"Zähl die Züge, Elli!"


Veröffentlicht am 10.07.2019

Neustart auf Sardinien

Von wegen Dolce Vita!
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Mit "Von wegen Dolce Vita" hat Tessa Hennig erneut einen Roman mit einer unglaublich tollen,  lebensbejahenden Ü60-Protagonistin geschaffen. 
Der Klappentext umreißt den Handlungsbogen ziemlich gut und ...

Mit "Von wegen Dolce Vita" hat Tessa Hennig erneut einen Roman mit einer unglaublich tollen,  lebensbejahenden Ü60-Protagonistin geschaffen. 
Der Klappentext umreißt den Handlungsbogen ziemlich gut und dank des flotten Schreibstils ist man dann auch sofort mit Angie, Leonie und Janis unterwegs in Sardinien!

Angie ist einfach nur genial. Sie ist zwar im Herzen noch das Hippie-Mädchen von früher, aber trotzdem angekommen im 21.Jahrhundert. Ihre Erinnerungen an "damals" sind nicht verklärend, sondern maximal melancholisch. Ich fand ihren realistischen, offenen und humorvollen Umgang mit dem Alter mehr als erfrischend!
Janis ist nur auf den ersten Blick eine Spießerin. Auch sie ist ein Kind ihrer Zeit, dazu geprägt durch eine 68er Erziehung... sicher nicht immer einfach.
Tatsächlich hatte ich beim lesen das Gefühl in mir steckt ein wenig Janis - zusammen mit einem kleinen Anteil Angie...
Lediglich mit Leonie wurde ich (zu Beginn!) nicht warm. Wie im wahren Leben habe ich ein Problem mit der Einstellung "Ich bin erstmal gegen alles". Dazu der extrem lockere Umgang mit dem Thema kiffen - da musste ich als Mutter schon etwas Luft holen. Wie passend, dass Leonie in dem naturverbundenen Umfeld auf Sardinien davon völlig abzukommen scheint....

Die Landschaftsbeschreibungen sind klasse. Man fühlt sich beim lesen sofort auf die sardische Insel versetzt und dies auf eine Art, die Reiselust weckt! 
Generell ist übrigens ein nachhaltiger Umgang mit der Natur hier, so ganz nebenbei, sehr gut in die Handlung eingebettet.
Das ein Generationenkonflikt sich eigentlich nur auf eine Art lösen lässt, nämlich mit Ehrlichkeit plus reden, reden, reden und sehr viel Toleranz - wird hier sehr realistisch beschrieben.
Die Wandlung der einzelnen Personen ging mir, realistisch betrachtet, etwas zu schnell - aber was soll's! Das Ende war dadurch stimmig, die Zukunftsplanung toll gelöst, aber nicht rosarot!

Fazit: Wie immer bei Tessa Hennig liebe ich die humorvolle Geschichte, geschrieben in einem Stil, der die Seiten nur so fliegen lässt. Und auch diesmal möchte ich mit den Protagonisten unheimlich gern befreundet sein! Bitte, bitte mehr davon!

Veröffentlicht am 19.06.2019

Nie aufgeben!

Hannah und ihre Brüder
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Als Benjamin Solomon 2004 in Chicago den angesehenen Elliott Rosenzweig in aller Öffentlichkeit mit einer deutschen Wehrmachtspistole bedroht, ist dies von ihm genau geplant.  
Denn Ben will in Elliott ...

Als Benjamin Solomon 2004 in Chicago den angesehenen Elliott Rosenzweig in aller Öffentlichkeit mit einer deutschen Wehrmachtspistole bedroht, ist dies von ihm genau geplant.  
Denn Ben will in Elliott seinen früheren Freund und Ziehbruder Otto Piontek erkannt haben.
Jenen Otto, der 60 Jahre zuvor in Polen von der jüdischen Familie Solomon aufgenommen wurde und zusammen mit Ben wie ein Bruder gelebt hat.
Doch Otto hat sich irgendwann von der Ideologie der Nazis verführen lassen und innerhalb der NSDAP sogar Karriere gemacht.
Als Ben verhaftet wird, erzählt er seiner jungen Anwählin Catherine Lockhart seine Lebensgeschichte. Und dazu gehört natürlich auch seine große Liebe Hannah.
Ben wollte Elliot/Otto nie wirklich umbringen. Er will das endlich die Wahrheit ans Licht kommt und Otto seine Taten gesteht. Ben will keine Rache, nur Gerechtigkeit!

Das Buch "Hannah und ihre Brüder" ist nach "Karolinas Töchter" in Deutschland erschienen, spielt chronologisch aber davor.
Dies ist für die Handlung aber unwesentlich.

Im Prinzip spielt die Geschichte auf zwei Ebenen:
Zum einen geht es um die Erzählungen von Ben aus der Vergangenheit.
Zum anderen um das juristische Gezerre der Anwälte von Ben und Eliott.
Beeindruckend fand ich bei Bens Geschichte, dass die Grausamkeiten und die Gräuel des Nazi-Regimes für den Leser irgendwie immer präsent waren, auch wenn sie nicht permanent in aller schrecklichen Deutlichkeit im Fokus standen.
Auch die schleichende Verwandlung des sympathischen Otto zum menschenverachtenden Nazi-Schergen lief quasi nur hintergründig ab. Irgendwie war immer die Hoffnung, er kommt irgendwann zur Besinnung.
Auch hat mich fast durchgehend die Frage beschäftigt: Was wurde aus Hannah, die 2004 definitiv nicht mehr lebt....
Catherine Lockhart und Liam Taggart, ein Jugendfreund und Prvatdetektiv, der für sie arbeitet, reden zuerst nur aus Mitgefühl mit dem netten alten Ben Solomon. Aber nach und nach sind beide immer mehr von der gleichermaßen beeindruckenden, wie beklemmenden Lebensgeschichte berührt. 
Besonders Catherine fühlt sich Ben immer näher. Sie ist schließlich sogar bereit Karriere und Reputation aufs Spiel zu setzen, um als kleine Anwältin gegen die große, vom mächtigen Elliot Rosenzweig engagiete Anwaltskanzlei, anzutreten. 
Bei diesen juristischen Details merkt man, das der Autor selbst Jurist ist oder war. Die Einzelheiten der verschiedenen Sachverhalte werden erklärt ohne zu belehren.

Wie bereits bei "Karolinas Töchter" wird man auch hier wieder von Beginn an vom grandiosen Schreibstil des Autors in seinen Bann gezogen.
Nicht nur das Schicksal von Ben und Hannah, der Familie Solomon oder generell der geknechteten Menschen in Polen, hat mich richtig mitleiden lassen. Nicht selten musste ich tief durchatmen.
Ich habe regelrecht getrauert, wenn eine Person gestorben ist, die ich ins Herz geschlossen hatte!
Die Passagen der Gegenwart gaben einem manchmal zum Glück eine regelrechte Atempause!
Mir hat gefallen zu lesen wie Catherine und Liam zu dem Paar geworden sind, dass ich aus "Karolinas Töchter" schon kannte.