Cover-Bild Das flüssige Land
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Klett-Cotta
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 352
  • Ersterscheinung: 17.08.2019
  • ISBN: 9783608964363
Raphaela Edelbauer

Das flüssige Land

Roman.

»Unheimlich, spannend, aberwitzig und kaum zu fassen – einfach fantastische Literatur«
Jurybegründung Deutscher Buchpreis (Shortlist)

Ein Ort, der nicht gefunden werden will. Eine österreichische Gräfin, die über die Erinnerungen einer ganzen Gemeinde regiert. Ein Loch im Erdreich, das die Bewohner in die Tiefe zu reißen droht. In ihrem schwindelerregenden Debütroman geht Raphaela Edelbauer der verdrängten Geschichte auf den Grund.

Der Unfalltod ihrer Eltern stellt die Wiener Physikerin Ruth vor ein nahezu unlösbares Paradox. Ihre Eltern haben verfügt, im Ort ihrer Kindheit begraben zu werden, doch Groß-Einland verbirgt sich beharrlich vor den Blicken Fremder. Als Ruth endlich dort eintrifft, macht sie eine erstaunliche Entdeckung. Unter dem Ort erstreckt sich ein riesiger Hohlraum, der das Leben der Bewohner von Groß-Einland auf merkwürdige Weise zu bestimmen scheint. Überall finden sich versteckte Hinweise auf das Loch und seine wechselhafte Historie, doch keiner will darüber sprechen. Nicht einmal, als klar ist, dass die Statik des gesamten Ortes bedroht ist.

Wird das Schweigen von der einflussreichen Gräfin der Gemeinde gesteuert? Und welche Rolle spielt eigentlich Ruths eigene Familiengeschichte? Je stärker sie in die Verwicklungen Groß-Einlands zur Zeit des Nationalsozialismus dringt, desto vehementer bekommt Ruth den Widerstand der Bewohner zu spüren. Doch sie gräbt tiefer und ahnt bald, dass die geheimnisvollen Strukturen im Ort ohne die Geschichte des Loches nicht zu entschlüsseln sind.

»Raphaela Edelbauer überschreitet Grenzen und rückt in unerforschte Gebiete der Literatur vor.«
Jurybegründung Rauriser Literaturpreis

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.09.2019

Raphaela Edelbauer – Das flüssige Land

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Der plötzliche Unfalltod ihrer Eltern wirft Ruth Schwarz völlig aus der Bahn; als ihre Tante dann noch erwähnt, dass die Eltern aufgrund ihrer engen Beziehung zu Groß-Einland dort beerdigt werden sollten, ...

Der plötzliche Unfalltod ihrer Eltern wirft Ruth Schwarz völlig aus der Bahn; als ihre Tante dann noch erwähnt, dass die Eltern aufgrund ihrer engen Beziehung zu Groß-Einland dort beerdigt werden sollten, ist sie völlig verwirrt. Was ist das für ein Ort, von dem sie nie etwas gehört hat? Die Wiener Physikerin macht sich auf in die Provinz und findet tatsächlich ein beschauliches Städtchen diesen Namens, das völlig aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Eigentlich wollte sie nur kurz dort bleiben, aber ein seltsames Naturphänomen weckt ihre Neugier: Mitten im Ort befindet sich ein großes Loch, das den ganzen Lebensraum regelrecht aufzusaugen droht. Doch nicht nur dieses Loch und seine Geschichte ist höchst mysteriös, auch die Bewohner, allen voran die alles wissende und bestimmende Gräfin, lassen Ruth wundern und nicht mehr los. Aus der kurzen Visite wird plötzlich ein immer längerer Aufenthalt.

Raphaela Edelbauers Roman ist gleich für zwei Auszeichnungen nominiert, er steht sowohl auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis, wie auch auf jener für den Österreichischen Buchpreis 2019. Unweigerlich ist da die Neugier besonders groß, zwei Jurys können sich kaum irren. Was die Nominierung jedoch nicht verrät, ist, dass nicht jedes Buch zu jedem Leser passt und „Das flüssige Land“ setzt voraus, dass man das märchenhafte und fantastische Element entweder sowieso liebt oder großzügig darüber hinweglesen kann. Wer auf authentische Handlung steht, ist bei diesem Roman eher schlecht beraten.

So verlangte der Text mir auch einiges ab. Bisweilen hatte ich den Eindruck Mitten in „Alice im Wunderland“ gelandet zu sein. Das Raum-Zeit-Kontinuum scheint aufgehoben und das Figurenpersonal ist ein Sammelsurium von Kuriositäten, allen voran die Gräfin. Das hat einen gewissen Reiz, wird auch sprachlich ansprechend und überzeugend umgesetzt, entbehrt gleichermaßen aber jeden Realismus. Zwar wird die Handlung immer wieder historisch wie auch naturwissenschaftlich eingebettet, aber so ganz wurde ich den Eindruck der Fantasiewelt nicht los. Das Mysterium um das Loch bietet ein gewisses Spannungsmoment, wird aber etwas zu langatmig abgehandelt. Auch das Ende kann mich nur bedingt überzeugen, zu bemüht wird die Ordnung wieder hergestellt.

Man den Roman womöglich als Parabel lesen, die unter anderem Fragen nach dem menschlichen Umgang mit der Umwelt, nach ethischer Verantwortung und vermeintlichem kollektivem Gedächtnisverlust oder auch der fragwürdigen Gesellschaftsstruktur aufwirft. Vielleicht erfreut man sich auch einfach an der geradezu fabelhaften Welt mit ihren kuriosen Figuren. Literarisch so gar nicht meine Welt, weshalb mich der Roman nicht wirklich erreichen konnte. Gerettet hat ihn der Schreibstil, viele pointierte Zuspitzungen, die gekonnt formuliert sind und ein in sich stimmiges Szenario mit liebevoll gestalteten Figuren.

Veröffentlicht am 05.04.2020

Die biografische Fernerkundung der Vergangenheit

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„Von manchen Sehnsüchten wissen wir gar nicht, dass wir sie haben, bis wir auf sie stoßen: Ich war zum ersten Mal in meinem Leben angekommen.“

Inhalt

Ruth Schwarz hat die leidvolle Aufgabe, nach dem ...

„Von manchen Sehnsüchten wissen wir gar nicht, dass wir sie haben, bis wir auf sie stoßen: Ich war zum ersten Mal in meinem Leben angekommen.“

Inhalt

Ruth Schwarz hat die leidvolle Aufgabe, nach dem Unfalltod ihrer Eltern, deren letzten Wunsch zu erfüllen. Da beide in der österreichischen Gemeinde Groß-Einland, die seltsamerweise auf keiner Karte verzeichnet ist, aufgewachsen sind, möchten sie dort auch ihre letzte Ruhestätte finden. Ruth gelingt es, die mysteriöse Gemeinde aufzuspüren, deren Paradoxon sehr gut zum Thema von Ruths Habilitation passt: Die Zeit scheint hier stillzustehen, Monate vergehen wie Stunden und die Vergangenheit ist ebenso präsent, wie die Zukunft. Die junge Frau, fühlt sich dort aufgehoben und verliert ihr ursprüngliches Ziel schnell aus den Augen. Stattdessen erwirbt sie das Geburtshaus ihrer Eltern und tritt in die Dienste der Gräfin, die als adliges Oberhaupt der Gemeinde gilt.

Denn Groß-Einland hat ein elementares Problem, welches Ruth durch ihre Kenntnisse der Physik möglicherweise beheben könnte. Vor Jahrzehnten war der Ort ein Bergbaurevier und die diversen Grabungen an allen möglichen Orten der Stadt führen nun dazu, das immer mehr Erdschichten absinken und mit sich die Häuser und Gebäude in die Tiefe reißen. Ganz in der Nähe des Marktplatzes befindet sich das wohl gefährlichste Objekt, ein Loch welches wie ein wildes Tier diverse Erdschichten verschluckt. Doch obwohl die Gräfin wünscht, dass Ruth der Natur Einhalt gebietet, indem sie die Gesteinsschichten vor dem Verfall bewahrt, so vehement wehrt sie sich gegen deren Erkundungen, warum der Boden so löchrig ist und wer oder was unter den bereits eingestürzten Gebieten ruht …

Meinung

Der Debütroman der niederösterreichischen Autorin Raphaela Edelbauer, verspricht eine magisch-mystische Erzählung in Verbindung mit einer spannenden Geschichte über die Opfer der Vergangenheit und den Wunsch Einzelner, Verborgenes im Verborgenen zu belassen. Tatsächlich bietet dieser ungewöhnliche Ansatz ein buntes Potpourri an Menschen, Ereignissen und Unterlassungen, sowie eine faszinierende Ausarbeitung einer eher schlichten Thematik, die auf den ersten Blick recht unscheinbar wirkt und es letztlich auch bleibt.

Die Lektüre lebt gerade zu Beginn von den Unwahrscheinlichkeiten und mysteriösen Begebenheiten, entwickelt sich aber in ihrem Verlauf zu einer Art Erkundung der Familiengeschichte, die direkt mit den Ereignissen vor Ort verknüpft zu sein scheint. Irgendwie muss man sich auf den Plot einlassen, erinnert er doch stark an ein Märchen und beschwört genau solche Bilder herauf, die dazu passen würden. Die Protagonistin selbst ist kein einfacher Mensch und lebt zwischen ihrer Drogenabhängigkeit und der Lethargie einer heimatlosen Seele, so dass man ihr die Ermittlungsarbeit nicht so ganz zutraut, doch im Anbetracht der nicht verrinnenden Zeit, der statischen Probleme und ihrer gewissenhaften Erledigung des Arbeitsauftrages, dringt immer wieder eine glasklare Entwicklung in den Vordergrund: In Groß-Einland schlummern Dinge, die bisher niemand hinterfragt hat, die möglicherweise vertuscht wurden und sich nun mit Macht ihren Weg an die Oberfläche bahnen.

Meine Kritikpunkte beziehen sich in erster Linie auf die Gestaltung des Textes, der gerade im Mittelteil unschöne Längen hat. Angefangen mit den hundertsten und tausendsten Veränderungen in einer ohnehin erdachten Welt, hin zu unbedeutenden Gesprächen in der Ortskneipe und stundenlangen Aufenthalten in der Bibliothek, zur Recherchearbeit an der Chronik. All das hat mein Lesevergnügen zusehends geschmälert, zumal keine bahnbrechenden Neuigkeiten zu Tage gefördert werden. Und obwohl Ruth zunächst ein wahres Zuhause in dieser unbekannten Gegend gefunden hat und so etwas wie Wärme und Geborgenheit empfindet, muss auch sie einsehen, dass ihre neue Heimat nicht für die Ewigkeit gemacht ist.

Fazit

Ich vergebe 3,5 Lesesterne, die ich zu 4 Sternen aufrunde für diesen innovativen, märchenhaften Roman, der den Leser in eine kleine Welt entführt, die sich gar nicht weit von der unsrigen in einem kurzen Abschnitt zwischen Raum und Zeit befindet. Die Ansätze bezüglich wichtiger Themen wie Herkunft, Familie, Zuhause werden jedoch von den Ereignissen vor Ort immer wieder überlagert und verschmelzen zu einem eigenartigen Gebilde aus Fantasie, Geschichte und Realität. So wie es der Protagonistin ergeht, so vollzieht sich die Wirkung auch beim Leser: man ist immer unterwegs, entdeckt etwas Neues, findet eine Antwort und stellt im gleichen Augenblick fest, wie unbedeutend sie ist. Das Buch bringt unterhaltsame Stunden in einem Paralleluniversum mit sich, hinterlässt aber keinen bleibenden Eindruck bei mir.

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Veröffentlicht am 27.02.2020

Ein flüssiges Buch

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Die Wiener Physikerin Ruth erleidet ein Schock, als sie die Nachricht erhält, dass ihre Eltern in einem Unfall ums Leben gekommen sind.
So erfährt die Protagonistin, dass ihre Eltern in einem Ort namens ...

Die Wiener Physikerin Ruth erleidet ein Schock, als sie die Nachricht erhält, dass ihre Eltern in einem Unfall ums Leben gekommen sind.
So erfährt die Protagonistin, dass ihre Eltern in einem Ort namens Groß-Einland begraben werden möchten. Angekommen am Ort, merkt sie eine ungewöhnliche Stimmung in der Ortschaft. Unter Groß Einstein existiert ein großer Hohlraum, der das Leben der Bewohner beeinflusst. Ruth macht sich auf die Suche nach der Lösung des Loches, jedoch ohne Erfolg. Hat die Gräfin dieser Ortschaft damit was zu tuen? Selbst stellt sich die Protagonistin die Frage, inwiefern ihre Familie in Bezug zu dieser Situation stand... Wie weit wird sie kommen? Erfährt Ruth mehr über die Geschichte dieses Ortes und ihrer Familie?

Das Cover ist durch die bunten Farben lebhaft entworfen worden.
Der Einstieg in dieses Buch gelingt sehr schwierig, da man sich sehr an den ungewöhnlichen Schreibstil gewöhnen muss. Durch die zahlreiche Parataxen (Nebensätze) ist man als Leser sehr gefordert, sich mit diesem Schreibstil vertraut zu machen. Einzelne Wörter musste ich nachschauen, da sie dem österreichischen Sprachgebrauch entnohmen worden sind.

Die Geschichte ist an sich, was spezielles. Deshalb kann man auch davon ausgehen, dass dieser Roman für den Buchpreis nominiert worden ist.
Ruth ist ein sehr sympathischer ehrgeiziger Charakter, welcher sich gut als Protagonistin eignet. Die Gräfin von Groß Einland stellt eine gute Antagonistin zur Protagonistin dar. Ich fand es schön ihre Geschichte zu verfolgen. Die Beschreibungen des Ortes sind authentisch dargestellt. Am Ende der Geschichte blieben mir aber viel zu viele Fragen offen.

Zusammengefasst ein spezieller Roman, in dem die Autorin in unbekannt erforschende Gebiete der deutsch-österreichischen Literatur voranschreitet.

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Veröffentlicht am 01.01.2020

Phantasievolle Geschichte mit starkem Gegenwartsbezug

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Als die promovierte Physikerin Ruth nach dem plötzlichen Tod ihrer Eltern sich auf der Suche nach deren früherem Leben macht, landet sie in Groß-Einland, wo die beiden aufgewachsen sind. Eine völlige Idylle, ...

Als die promovierte Physikerin Ruth nach dem plötzlichen Tod ihrer Eltern sich auf der Suche nach deren früherem Leben macht, landet sie in Groß-Einland, wo die beiden aufgewachsen sind. Eine völlige Idylle, in der die Menschen praktisch unbemerkt vom Rest der Welt leben, da die Gemeinde nirgendwo verzeichnet und nur schwer zugänglich ist. Dennoch verlängert Ruth ihren Aufenthalt dort eher widerwillig und fühlt sich überraschenderweise jedoch nach kurzer Zeit heimisch. Schnell ist sie Teil der Dorfgemeinschaft und die über allem thronende Gräfin gibt ihr zudem eine gute Arbeitsstelle. Doch es liegt Unheil über dem Dorf - Gegenwärtiges und Vergangenes. Ein riesiges Loch in der Erde droht Alles zu verschlingen, auch die Untaten während der Zeit des Dritten Reiches. Während Ruth versucht das Dorf zu retten, forscht sie gleichzeitig nach, was damals geschah.
Was für eine verrückte Geschichte! In der Zusammenfassung mag sich dies nicht so lesen, doch es sind die Details des Ganzen, die einen ungläubig den Kopf schütteln, gleichzeitig aber gebannt weiterlesen lassen. Ein ganzer Ort versinkt mehr und mehr im Untergrund, aber das Leben geht sogar trotz Todesfällen weiter wie gewohnt. Es wirkt wie ein potemkinsches Dorf, das von einer mysteriösen Gräfin für die BewohnerInnen aufrecht erhalten wird. Sie selbst bestimmt über die gesamte Gemeinde, sogar der Bürgermeister hält bei Allem still.
Literarisch gebildeten LeserInnen fällt natürlich bald auf, dass es sich hier um eine Parabel handelt. Wie im wahren Leben werden unschöne Dinge hier zwar nicht unter den Teppich, dafür aber in das Loch gekehrt - insbesondere Geschehenes während des II. Weltkrieges. Es wird geschwiegen um des lieben Friedens willen, denn wer hat schon etwas davon, wenn man die alten Dinge wieder hervorholt? Die Wahrheit ist zwar bekannt, doch hören geschweige denn aussprechen will sie niemand. Der Mensch an sich ist zudem bequem, weshalb also aufbegehren gegen etwas was einen nicht betrifft, solange man selbst es gut hat? Auch gegen die Gräfin, die trotz Abschaffung der Aristokratie über die gesamte Gemeinde bestimmt (auch, was es im Supermarkt zu kaufen gibt), gibt es keinen Widerstand, denn sie kümmert sich ja um Alle.
Ruth ist die Einzige, die Fragen stellt und zweifelt, doch je mehr sie Teil der Gemeinde wird, umso schwieriger fällt es ihr, ihre Nachforschungen weiter zu betreiben. Als Lesende fühlt man mit ihr und ihren widerstrebenden Gefühlen, zwischen der Suche nach der Wahrheit und der Zuneigung zu den Menschen, die sie mit dieser Suche verletzt.
Die Autorin packt eine Menge in diese Geschichte und gegen Ende ist es mir fast ein bisschen zu viel. Während ich mich zu Beginn noch völlig von den teils abstrusen Gegebenheiten faszinieren und unterhalten ließ, wurden die Andeutungen auf Konkretes jedoch ständig stärker und zahlreicher (zumindest kam es mir so vor), so dass das Faszinierende zusehends abnahm. Schade drum!

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Veröffentlicht am 27.09.2019

Flüssiges Land

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Das flüssige Land - Raphaela Edelbauer
Shortlist Deutscher Buchpreis 2019
Eine faszinierende, wenn auch anstrengende Lektüre.

"Wir hatten eine potente Verwaltung des Auseinanderbrechens installiert und ...

Das flüssige Land - Raphaela Edelbauer
Shortlist Deutscher Buchpreis 2019
Eine faszinierende, wenn auch anstrengende Lektüre.

"Wir hatten eine potente Verwaltung des Auseinanderbrechens installiert und führten darin mit respektvoll geschlossenen Augen das Regiment." Seite 292

Nach dem plötzlichen Tod ihrer Eltern sucht Ruth deren Heimatort auf. Naja sie sucht ihn zuerst einmal. Schließlich taucht Groß-Einland auf keiner Landkarte auf und will offensichtlich nicht gefunden werden. Auch der Weg dorthin ist alles andere als gut zugänglich. Es scheint beinahe komplett vom Rest der Welt abgeschnitten zu sein. Endlich am Ziel angekommen, warten noch etliche weitere Überraschungen auf Ruth. Denn unter Groß-Einland existiert ein Loch, das seine Bewohner in die Tiefe zu reißen droht.
Nun ist es mit Ruth so eine Sache, denn sie ist scheinbar massiv medikamentenabhängig und wirkt über weite Strecken auch recht antriebslos. Dem Leser stellt sich die Frage, was von alldem überhaupt tatsächlich geschieht, oder bildet sie sich das am Ende in einem langen Drogenrausch alles nur ein? Auf jeden Fall scheint sie sich von den Ereignissen um das Loch nur allzu gerne überrollen zu lassen.
Die gesamte Handlung ist extrem surreal. Man sollte sich deshalb nicht zu sehr auf Fakten versteifen, denn logisch erklärbar ist hier nur wenig. Wie der Ort, so verschwimmt auch die Zeit in Groß-Einland oder in Ruths Empfinden. Wie auch immer.

Für mich fühlte es sich an wie eine Mischung aus Alice im Wunderland und Kafkas Schloss. Insbesondere die Parallelen auf Kafka bezogen, fielen mir schon auf, bevor ich ähnliches in anderen Rezensionen las.

Ich fand es sehr schwer greifbar, anstrengend, fühlte mich oft genervt, veräppelt, dennoch wird die Sache mit dem Loch sehr spannend beschrieben und hielt mich bei der Stange. Tatsächlich entwickelte sich dabei ein regelrechter Sog. Eine Geschichte, die man fühlen muss, anstelle ihrer zu verstehen. Einen besonderen Reiz machen für mich das Surreale auf der einen Seite, und die sachliche, naturwissenschaftliche Beschreibung des Lochproblems andererseits aus.
In verschnörkelter Sprache liest sich dieses Werk wie eine Parabel auf gesellschaftliche Missstände, folgt dabei jedoch keinerlei Logik. Der Text verhält sich wie das Land von dem er erzählt. Er lässt sich nicht fassen, entzieht sich dem Leser immer wieder. Wirklich faszinierend.
Es wimmelt nur so vor Metaphern. Das wurde mir hier ehrlich gesagt ein bisschen zu viel. Alles kann vieles bedeuten, ich meinte ständig irgendwo heruminterpretieren zu müssen. Das nimmt ein bisschen die unbeschwerte Lesefreude. Aber gut, derartiges war zu erwarten bei einem Roman, der für den Deutschen Buchpreis nominiert ist.
Zutiefst beeindruckt bin ich jedoch von der schriftstellerischen Leistung der Autorin. Einen solchen Text muss man erst mal zu Papier bringen können, auch wenn die breite Masse der Leser damit nicht viel anfangen können wird.
Tja, man kann nur versuchen, sich auf dieses Buch einzulassen. Mit Sicherheit ist es sehr speziell, auch wenn ich es keinem Genre zuordnen kann. Bestimmt ist es auch eines jener Bücher, die einem im Gedächtnis bleiben.