Dorfidylle vs. Schandfleck
SchandfleckDas real erdichtete Obergassen könnte es nicht nur im Allgäu wirklich geben. Schmucke Häuser, blinkende Autos und Traktoren, fleißige, saubere und anständige Leute sind die Standards. Da wird sogar der ...
Das real erdichtete Obergassen könnte es nicht nur im Allgäu wirklich geben. Schmucke Häuser, blinkende Autos und Traktoren, fleißige, saubere und anständige Leute sind die Standards. Da wird sogar der Gehweg naß gewischt. Nur einer tanzt aus der Reihe - Manfred Garzinger. Und gerade der wird eines Tages tot in seinem Arbeitszimmer aufgefunden, über und über voll mit roter Farbe. Kommissar Eike Hansen ermittelt im mittlerweile fünften Fall in einer Dorfidylle und stößt auf eine Mauer des Schweigens.
Meine Meinung:
Kann man mit dem fünften Band einer Reihe starten? Hier kann man das auf jeden Fall. Vorkenntnisse sind nicht notwendig, Dialektausdrücke kommen zwar vor, aber eher selten. Kater Ignaz bekommt hier auch wieder seine speziellen Auftritte.
Der Fall ist ziemlich verzwickt, Hansen und sein Team ermitteln unaufgeregt in der Dorfgemeinschaft und darüber hinaus bei den Paintball-Freunden des Opfers. Die Dorfidylle wird so bildreich geschildert, dass ich diesen Ort Obergassen direkt vor Augen habe. Die Bewohner könnte es auch tatsächlich so geben. Die Charaktere sind so treffend beschrieben. Ich habe immer wieder geschmunzelt oder mich auch aufgeregt, wenn z. B. der eine Mann seine Frau nur den Haushalt machen lässt, aber mit der Polizei reden braucht sie nicht, sie hätte ja eh nichts zu sagen. Dass das Opfer kein einfacher Mann war, sondern eher ein unsympatischer Schmarotzer, hat eine gewisse Distanz zu ihm erzeugt. Meine Sympathien lagen da mehr bei seiner Tante, die vom Täter genau beobachtet wird.
Dass die Dorfgemeinschaft etwas zu verbergen hat, wird vor allem deutlich in den Passagen, die aus der Perspektive eines Anonymen (=Täter?) erzählt wird. Lange habe ich gerätselt, wer der Täter sein könnte und sein Motiv. Die Lösung hat mich dann überrascht, war sehr schlüssig und hat den Bezug zum Titel hervorragend hergestellt.
Hansen und sein Team sind mir ans Herz gewachsen. Wie Hansen als gebürtiger Hannoveraner im Allgäu zurecht kommt, ist schon bewundernswert. Hanna ist für mich der heimliche Star. Auch von Rosie will ich gerne mehr lesen, aber das kommt ja hoffentlich noch, nach der Hochzeit.
Das Titelbild finde ich sehr gelungen. Stattlicher Hof, Gans und Kuh sind wichtig für die Geschichte.
Alles in allem ist "Schandfleck" bei weitem kein Schandfleck für Jürgen Seibold - ganz im Gegenteil! Das Buch bekommt von mir 5 Sterne und eine Leseempfehlung für Krimiliebhaber von unblutigen Regionalkrimis.