Unterhaltsame Fortsetzung der Familiensaga und eine lehrreiche Zeitreise in die 50er Jahre
Die Schwestern vom Ku'damm: Wunderbare ZeitenBerlin, 1952:
Silvie Thalheim, die im Gegensatz zu ihrer älteren Schwester Rieke, nicht wirklich viel Interesse am Familienunternehmen besitzt, liebt stattdessen ihre Arbeit beim Radio. Eine neue Idee ...
Berlin, 1952:
Silvie Thalheim, die im Gegensatz zu ihrer älteren Schwester Rieke, nicht wirklich viel Interesse am Familienunternehmen besitzt, liebt stattdessen ihre Arbeit beim Radio. Eine neue Idee für eine Radiosendung, wird zu ihrer Freude aufgegriffen und so darf sie tatsächlich als Moderatorin, interessante Menschen interviewen. Ob nun Promis oder völlig normale Menschen- Gefühlsmensch Silvie bringt sie dazu ganz frei, von der Leber weg, zu sprechen. Eines Tages lernt sie den jungen, rebellischen und attraktiven Schauspieler Wanja kennen und obwohl Silvie aus der Vergangenheit gelernt hat, dass ihr das Liebesglück wahrscheinlich nicht in die Wiege gelegt wurde, lässt sie sich auf den sensiblen Künstler ein. Bald schon ist sie schwanger, doch Silvie traut sich noch immer nicht, an das große Glück mit Wanja zu glauben.
Währenddessen ist die schwangere Rieke überglücklich mit ihrem Mann. Zwar ärgert es sie, dass ihr Vater und Chef des Thalheimer Modekaufhauses, ihr ausgerechnet Bruder Oskar vor die Nase gesetzt hat, der leider kein großes Talent fürs Modegeschäft geerbt hat, doch beißt sie sich hartnäckig durch. Als Oskar, der spät und gebrochen aus dem Krieg zurückkehrte, die Firma in eine gefährliche Lage manövriert, müssen Rieke und Silvie an einem Strang ziehen um das Modehaus Thalbach zu retten.
Oskar fühlt sich nicht wohl in seiner Haut. Immer noch quälen den Zwillingsbruder von Silvie, die schrecklichen Kriegserlebnisse und obwohl er begierig darauf ist, seiner Familie zu beweisen dass er genauso einfallsreich und tüchtig ist wie sie, scheint ihm bei seinen Vorhaben kein Glück beschienen. Er ertränkt seinen Kummer in Alkohol, fährt leidenschaftlich gerne schnelle Autos und genießt das Berliner Nachtleben in vollen Zügen. Selbst Silvie gelingt es kaum noch, an ihn heranzukommen…
Die jüngste Tochter, Flo, die Künstlerseele, hat allerlei Flausen im Kopf und trägt viel Freiheitsliebe in sich, wie ihr schwesterliches Vorbild Silvie. In der Schule läuft es leider nicht allzu gut, was die Eltern beunruhigt. Als Flo dann auch noch einen, in deren Augen, unstandesgemäßen Mann kennenlernt hängt der Familiensegen schief. Immerhin ist die enge jüdische Freundin Miri zurückgekehrt aus Israel und kann den Thalheims einmal mehr beistehen…
Während der erste Teil der „Thalheim“ Trilogie, die Jahre 1933- 1951 umfasst, beginnt der zweite Teil im Jahre 1952 und endet 1957.
Geschäftlich läuft es eigentlich gut für das Modekaufhaus Thalheim. Die Kunden lieben die angebotene Kleidung und die Thalheimers haben genau das richtige Gespür für Trends. Einzig Oskar, das Sorgenkind, bringt die Familie immer wieder an ihre Grenzen. Oskars Fehlschläge ziehen sich wie ein roter Faden durchs Buch- doch leider blieb er mir auch im Verlaufe des Buches fremd, was ich eigentlich schade fand, da er schließlich auch ein Familienmitglied ist.
Überhaupt hatte ich dieses Mal ein kleines Problem mit den Romanfiguren. Man erfährt zwar ihren Werdegang, liest von ihren glücklichen Momenten sowie ihren Fehlschlägen, doch werden diese beinahe völlig zur Nebensache, da die Autorin, wie immer sehr viel Zeitgeschehen miteinfließen lässt. Das liebe ich einerseits in Brigitte Riebes Romanen sehr- andererseits konnte ich diesmal aber leider nicht so mitfühlen und mitleiden, wie im Vorgängerband, weil besagte persönliche Momente viel zu schnell, beinahe gestrafft erzählt, abgehandelt wurden.
Zwar war mir schon vor dem Lesen bewusst, dass wir es hier nun mit Silvies Roman zu tun bekommen und Silvie daher im Fokus steht, doch fand ich es sehr schade, dass die übrigen Thalheims nur noch Randerscheinungen waren. Ich hätte mir viel mehr gemeinsame Dialoge der Familie gewünscht und ehrlich gesagt auch, dass das Familienoberhaupt seinem Sohn ordentlich den Kopf wäscht. Dazu kamen mir die Geschehnisse rund um das Kaufhaus, diesmal zu kurz.
Positiv fand ich hingegen, dass man Silvies Wesen nun, in ihrer eigenen Geschichte, besser „greifen“ konnte. Im Sender gibt sich Silvie völlig ungekünstelt, offen, innovativ und zupackend und ihre Offenheit macht sie sympathisch- auch für den Leser. Meine Sorge, dass ich Silvie, die ich im Vorgängerband noch nicht so sehr mochte, selbst in ihrer Story ablehnen würde, war also unbegründet. Dazu hat sie die positive Angewohnheit, nach dem Fallen immer wieder aufzustehen- egal welche Nackenschläge ihr das Leben auch bereitet.
Eine neue Romanfigur in diesem Band ist unter anderem der Schauspieler Wanja. Beim Lesen seiner Romanpassagen hatte ich, witzigerweise stets einen anderen Schauspieler vor Augen- Horst Buchholz, dessen Anfänge leichte Parallelen aufweisen zur fiktiven Romanfigur Wanja. Neben fiktiven Akteuren, finden zusätzlich bekannten Showbizzgrößen aus der damaligen Zeit Erwähnung und runden die Zeitreise, in die 50er Jahre, perfekt ab.
Stark fand ich ebenfalls erzählt, wie Brigitte Riebe die politischen Probleme der damaligen Zeit schilderte. Wie West und Ostdeutschland unaufhaltsam auseinanderdrifteten, welche Meinungen die Menschen damals vertraten und vor allem, wie sie nach den Entbehrungen der Kriegsjahre langsam wieder zu ihrem Alltag zurückfanden.
Die 480 Seiten lasen sich wie im Fluge, dank Brigitte Riebes flüssigen Schreibstil, doch mehr als vier von fünf Punkten kann ich auch dieses Mal nicht vergeben, weil ich mir mehr familiäres Miteinander und intensivere Momente mit den Thalheims gewünscht hätte. Dennoch ist auch die Fortsetzung der Familiensaga unterhaltsam und eine lehrreiche Zeitreise.
Kurz gefasst: Unterhaltsame Fortsetzung der Familiensaga und eine lehrreiche Zeitreise in die 50er Jahre.