Die Schrebergarten-Gleichung und die „Unbekannte(n)“
Es gibt viele Unbekannte in diesem Roman, nicht ohne Grund heißt eine der handelnden Figuren „Herr X“. Die große Unbekannte, das ist Pippa Bolle. Sie kommt als Außenstehende und unbeschriebenes Blatt ...
Es gibt viele Unbekannte in diesem Roman, nicht ohne Grund heißt eine der handelnden Figuren „Herr X“. Die große Unbekannte, das ist Pippa Bolle. Sie kommt als Außenstehende und unbeschriebenes Blatt (diese auf ihrem Schreibtisch sind ein Grund dafür, warum sie überhaupt die Ruhe und Abgeschiedenheit sucht) in eine geschlossene Gesellschaft-die Havelinsel „Schreberweber“, die in sich bereits mehr als porös ist…
Aber der Reihe nach: Was ich jetzt so ernst formuliert habe ist eigentlich ganz witzig: Der sogenannte „Schrebergarten-Krimi“ „Unter allen Beeten ist Ruh“ vom Debütautorinnen-Duo mit dem humorvollen und anspielungsreichen Namen „Auerbach & Keller“ ist mehr augenzwinkernder Frauenroman mit Todesfall als blutrünstig-düsterer Thriller-und das ist auch gut so. Ein klassischer „Wer-hat-es-getan“-Krimi mit witzigen Elementen, einer sympathischen Hobbyermittlerin (die an Miss Marple erinnert, wäre sie nicht viele Jahrzehnte jünger) und einem gut überschaubaren Kreis von 10-15 Verdächtigen, den Bewohnern und ein paar Besuchern der Havelinsel.
Die Handlung ist die Folgende: die Übersetzerin Pippa Bolle ist frisch zurück aus Italien und frisch getrennt von ihrem italienischen Ehemann Leo; seit 3 Monaten lebt sie wieder in Berlin, wo sie mit ihrem Job so wenig verdient, dass sie es sich nur leisten kann in der Hausmeisterwohnung ihrer Eltern mitzuwohnen. Obwohl die Hausgemeinschaft in Wedding berühmt ist für ihren Zusammenhalt und die – von ihrer englischen Mutter Effie eingeführte – soziale Interaktion, ist Pippa latent von den feierlichen Zusammenkünften genervt: sie lenken sie von der Arbeit ab und auch die Privatsphäre leidet. Da kommt ihre beste Freundin Karin mit ihrem Vorschlag gerade recht: Pippa soll das Schreberhäuschen samt Garten ihres Vaters Viktor hüten, während der im Urlaub in Italien ist. Dort kann sie in Ruhe arbeiten-zumindest in der Theorie, denn der Aufenthalt Pippas auf der Schreberinsel erweist sich als weitaus ereignisreicher als ihr lieb sein dürfte: der geldgierige Bewohner Lutz Erdmann will allen Bewohnern ihre Parzellen abkaufen, um auf der Insel ein ökologisches Hanf- und Wellnessressort zu errichten. Viele weigern sich und die alteingesessene Bewohnerin Dorabella von Schlittwitz schafft es, dass eine Parzelle an den Inselschiffer Nante-und nicht an Erdmann geht. Kurz darauf ereignet ein Todesfall: Dorabella von Schlittwitz wird ertrunken in ihrer Badewanne aufgefunden. Wurde die alte, kranke Frau umgebracht oder steckt doch eine harmlose Erklärung dahinter? Wurde ihr Testament gefälscht? Was hat es mit dem „Unbekannten“, plötzlich aus dem Nichts aufgetauchten Halbbruder von Erdmann – Felix Müller – auf sich? Warum hat Dorabella ihn als Erben eingesetzt? Fragen über Fragen, die Pippa Bolle nach und nach beantworten möchte – und am Ende auch wird.
Der Roman verfügt über einen leichtfüßigen und homogenen Schreibstil. Nur an einigen wenigen Stellen merkt man, dass hier zwei Autorinnen am Werk waren. Sehr schön wird immer wieder die heimelige Atmosphäre auf der Insel beschrieben, die mit den aufgewühlten Gemütszuständen der unsicheren Bewohner (die fast alle in einer Übergangsphase in ihrem Leben sind) kontrastiert. Gelegentlich hat das Buch aber auch Längen, die so sicher vermeidbar gewesen wären und dem Lesespaß mit ihrer Aussparung dennoch keinen Abbruch getan hätten.
Alles in allem ein netter Sommerkrimi, den man schön auf der Terrasse-oder eben im Schrebergarten-verschlingen kann.