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Veröffentlicht am 13.10.2019

Der „Katharina-Code“ und vierzehn rote Rosen

Wisting und der fensterlose Raum
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Der „Katharina-Code“ und vierzehn rote Rosen

Der mysteriöse „Katharina-Code“, der nie entschlüsselt werden konnte, und vierzehn rote Rosen beschäftigen den erfahrenen Ermittler William Wisting auch noch ...

Der „Katharina-Code“ und vierzehn rote Rosen

Der mysteriöse „Katharina-Code“, der nie entschlüsselt werden konnte, und vierzehn rote Rosen beschäftigen den erfahrenen Ermittler William Wisting auch noch vierundzwanzig Jahre nach dem Verschwinden von Katharina Haugen aus Kleivervei. Der professionell agierende Abteilungsleiter befasst sich seit damals mit diesem ungeklärten Fall, ein jährlicher Besuch bei dem Ehemann Martin Haugen führte im Laufe der Zeit zu einer eigenartig anmutenden Freundschaft zwischen dem damals Tatverdächtigen und dem Ermittler. Wisting hatte nie wirklich an Martin Haugens Unschuld geglaubt, doch sein Alibi war und blieb hieb- und stichfest. Als ein Ermittler der neu gegründeten Cold-Case-Unit in Oslo seinen ersten Fall in Angriff nimmt, stößt er bei der Wiederaufnahme des Entführungsfalles um die Unternehmerstochter Nadia Krogh auf Parallelen zum Verschwinden von Katharina Haugen. Der zielstrebige Kripo-Beamte Adrian Stiller rollt gemeinsam mit William Wisting beide Fälle neu auf und Wistings Erfahrung, sein Feingefühl und diplomatisches Geschick sind gefordert, um die Wahrheit endlich ans Licht zu bringen.

Jørn Lier Horst liefert mit seiner aktuellen Neuerscheinung einen grandiosen Einstieg in eine neue Buchreihe. Seinem liebenswerten Protagonisten William Wisting stellt er einen korrekten, ergebnisorientierten und sympathischen jungen Ermittler zur Seite, der alle Hebel in Bewegung setzt, um seinen ersten Fall erfolgreich abzuschließen. Polizeijuristin Christine Thiis sowie Wistings Kollege und Stellvertreter Nils Hammer spielen hierbei jeweils nur eine untergeordnete Rolle.

Die sprachlich-stilistische Gestaltung dieses Kriminalromans hat mir ausgezeichnet gefallen. Der ruhige, bedächtige Erzählstil, seine akribischen Beschreibungen von Personen und Handlung sowie seine interessant gestrickten Fälle haben mich bereits bei meiner ersten Lektüre des Autors Jørn Lier Horst vollends überzeugt. Auch im vorliegenden Krimi blieb er seinem Schreibstil treu und sorgte erneut für Lesevergnügen vom Feinsten. Altvertraute Fakten werden dem Leser zur Kenntnis gebracht, verschiedene Aspekte dieser komplexen Fälle neu beleuchtet, längst erkaltete Spuren dank neuer technischer Errungenschaften nachverfolgt. Neben der Ermittlungsarbeit der Polizei wird auch dem Privatleben des Protagonisten große Aufmerksamkeit zuteil. Williams Tochter Line ist als engagierte Journalistin beruflich in die beiden Fälle involviert, Lines Tochter Amalie und Wistings Sohn Thomas bereichern jene Handlungsstränge, die Wistings Privatleben thematisieren. Darüber hinaus richtet sich der Fokus zeitweilig auf einige Zeugen und Verdächtige von damals. Sind Martin Haugens manipulative und rachsüchtige Ex-Ehefrau, sein wortkarger und vorbestrafter Nachbar und der Ex-Freund des zweiten Opfers tatsächlich von jedem Verdacht erhaben? Oder sticht Wisting durch seine erneuten Befragungen in ein Wespennest und provoziert damit unbedachte Äußerungen und Handlungen?

Der Spannungsbogen wurde die gesamte Handlung über konstant aufrecht gehalten. Ich fühlte mich sehr gut unterhalten und wurde durch das ungewisse Schicksal der beiden verschwundenen Frauen, Sprache und Handlung vollständig in den Bann dieser Geschichte gezogen. Ein hochwertiges Cover und eine lesefreundliche Schriftgröße runden meinen positiven Gesamteindruck ab.

FAZIT: Dieser Roman aus der Feder meines favorisierten nordischen Krimiautors hat meinem Lesegeschmack in jeder Hinsicht entsprochen. Die komplexe Handlung, die Konzentration auf die Ermittlungsarbeit, das bedächtige und ruhige Erzähltempo und die hervorragend ausgearbeiteten Charaktere machen den Reiz dieses beschaulichen Krimis aus. „Wisting und der Tag der Vermissten“ bescherte mir ein unterhaltsames und interessantes Lesevergnügen und ich genoss es, an Kommissar Wistings Seite dem Rätsel um das Verschwinden der beiden Frauen auf die Spur zu kommen. Dem nächsten Band dieser Reihe sehe ich bereits jetzt mit großer Erwartungshaltung und Freude entgegen.

Völlig begeisterte fünf Sterne und eine ganz klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 08.10.2019

Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Kommunismus.

Revolution im Herzen
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Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Kommunismus.

„Es gibt Menschen, deren Präsenz man sogar dann spüren kann, wenn sie in einem Nebenzimmer sitzen. Karl war so ein Mensch.“

Die ersten Szenen ...

Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Kommunismus.

„Es gibt Menschen, deren Präsenz man sogar dann spüren kann, wenn sie in einem Nebenzimmer sitzen. Karl war so ein Mensch.“

Die ersten Szenen dieses Buches berichten von einem jungen Mädchen namens Helena Demuth, das „Zitterhand“ gehänselt wird und auf einem Hof in Sankt Wendel unter ärmsten Verhältnissen mit sechs Geschwistern aufwuchs. Lenchen kämpft umsonst darum, geliebt zu werden - ihre Mutter ist eine verhärmte und harte Frau, einzig ihr verstorbener Vater liebte seine Tochter über alles. „Pabbi“ war es auch, der seinem klugen und lerneifrigen Lenchen das Spiel der Könige beibrachte und dadurch ihr Leben prägte. „Ein Schachspiel ist voller Ereignisse und überraschender Wendungen. Oft kann man durch viel Nachdenken einen Ausweg aus den schwierigsten Situationen finden.“

Lenchens Lebensweg führt sie als Dienstmädchen zur Familie von Westphalen, nach der Verehelichung der Tochter des Hauses mit Karl Marx bleibt sie fortan in deren Diensten. Die Marxens werden wie eine Familie für sie – und im Laufe der Jahre verliert Lenchen auch ihre Angst vor dem „düsteren Karl“, der sie mit seinen unbarmherzigen und abschätzigen Blicken und seiner aufbrausenden lauten Art stets eingeschüchtert hatte. Das „schwarze Ungetüm aus Trier“ mit dem Spitznamen „Mohr“ entdeckt Lenchens Leidenschaft für das Schachspiel – und es kommt zu einer Annäherung mit ungeahnten Folgen.

Claudia und Nadja Beinert haben sich mit diesem prachtvollen Roman pfeilgerade in mein Herz geschrieben. Das Autorenduo schaffte es, mein Interesse für den stürmischen und mitreißenden Revolutionär zu wecken, dessen großes ökonomisches Standardwerk unter dem Titel „Das Kapital“ Weltruhm erlangte. In überaus einnehmendem Schreibstil und mit hervorragend charakterisierten handelnden Figuren erzählen sie die Geschichte eines Philosophen, Gesellschafts- und Wirtschaftstheoretikers, der sich gemeinsam mit dem befreundeten Fabrikantensohn Friedrich „Fritze“ Engels der Revolution und dem Sturz der preußischen Monarchie verschrieb. Wundervoll recherchierte historische Hintergründe wurden mit der Geschichte von Helena Demuth verwoben, der Kampf um soziale Gerechtigkeit für alle, die Revolution des Bürgertums und der Arbeiter, aber auch die Lebensumstände und die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen Arm und Reich wurden eindrucksvoll dargestellt. Mit der Ich-Erzählerin „Lenchen“ Demuth begleitet man Karl und Jenny Marx von Jugend an, erlebt mit ihnen private Höhen und Tiefen, darf deren Bemühungen um den Kommunismus aus nächster Nähe mitverfolgen. Claudia und Nadja Beinert gelang es auf faszinierende Art und Weise, Geschichte lebendig zu machen. Liebevoll ausgearbeitete Charaktere an der Seite der Protagonisten Lenchen, Karl und Jenny Marx bereichern die Handlung darüber hinaus. Die Autorinnen verwoben gekonnt fiktive Ereignisse mit historisch belegten Tatsachen, in einem ausführlichen Nachwort gehen sie auf diese historischen Fakten detailliert ein. Das Glossar am Ende dieses Buches stellt eine willkommene und hilfreiche Ergänzung dar.

Abschließend möchte ich die hochwertige optische Aufmachung dieses Buches hervorheben, das zudem mit einem bezaubernden Cover punktet. Die Gestalt eines sitzenden Mädchens in Dienstbotenkleidung und einem Bündel handgeschriebener Briefe in Händen weist bereits im Vorfeld auf einen Briefwechsel der Protagonistin hin, der erhobene Buchtitel in blutroter Schrift zieht unweigerlich die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich. Den Beginn des Buches ziert eine alte Landkarte von London um 1850, während sich auf den beiden letzten Seiten ein auf Pergamentpapier abgedrucktes Lied von Carl Theodor Müller befindet.

Fazit: „Revolution im Herzen“ ist eine Lektüre, die mich begeistert hat. Hervorragend recherchierte historische Fakten, authentische Charaktere und das faszinierende Eintauchen in das Leben und Umfeld des Karl Marx sorgten für allergrößten Lesegenuss. Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen und ich kann es jedem Leser empfehlen, der tief in diese Zeit eintauchen und Geschichte hautnah erleben möchte.

Fünf Bewertungssterne und eine uneingeschränkte Leseempfehlung für dieses fantastische Buch!

Veröffentlicht am 01.10.2019

Ein neuer Fall für Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn

Sterbekammer
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Ein neuer Fall für Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn

„Ich habe die Gesichter meiner Lieben vergessen. Und wie ihre Stimmen klangen. Es fühlt sich an, als hätte ich da draußen nie existiert. Als hätte ...

Ein neuer Fall für Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn

„Ich habe die Gesichter meiner Lieben vergessen. Und wie ihre Stimmen klangen. Es fühlt sich an, als hätte ich da draußen nie existiert. Als hätte ich immer hier gelebt, in diesem Bunker, in dem ich nicht leben und nicht sterben kann.“

Nachdem der streitsüchtige und aggressive Sonderling Josef Hader tot aufgefunden wurde, entdecken die Ermittler unter der Küche der alten Deichmühle eine versteckte schalldichte Kammer. Und obgleich das Team der Kripo Itzehoe aufgrund eines Mordes in einer Tankstelle alle Hände voll zu tun hat, richtet sich das Augenmerk der Polizeibeamten immer mehr auf einen ungeklärten alten Entführungsfall. Die eigensinnige und zielstrebige Polizistin Frida Paulsen und ihr Kollege Bjarne Haverkorn werden mit der Untersuchung der Deichmühle betraut und müssen sich erneut mit dem spurlosen Verschwinden von Anneke Jung vor zehn Jahren befassen.

Auch im vorliegenden dritten Band der Elbmarsch-Krimireihe von Romy Fölck stehen die beiden Ermittler Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn im Mittelpunkt. Die taffe Frida wohnt seit kurzem auf dem Hof ihrer Eltern, ihr ehemaliger Vorgesetzter wurde durch einen selbstbewussten und perfektionistisch veranlagten Karrieristen ersetzt. Fridas berufliches und privates Leben werden in diesem Band gehörig durcheinandergebracht. Bjarne Haverkorn hingegen erholt sich von einer schweren Rauchvergiftung. Der erfahrene Kriminalist steht kurz vor dem Eintritt in seinen wohlverdienten Ruhestand, seine Ehe ist zerrüttet und besteht nur noch auf dem Papier. Bjarne ist emotional tief in Annekes Fall involviert, in seinem häuslichen Umfeld kommt es obendrein zu gravierenden Veränderungen. Mit Frida und Bjarne präsentiert Romy Fölck ein eingespieltes Ermittlerteam, das mir auf Anhieb sympathisch war. Die Charakterzeichnung dieser beiden Protagonisten empfand ich als äußerst gelungen und ich fand mich auch als Quereinsteiger in diese Buchreihe rasch zurecht. Prägnante vergangene Ereignisse werden kurz erwähnt, die Figuren hervorragend dargestellt. Die Autorin wartet auch mit interessanten Nebenfiguren auf. Sowohl das Team der Mordkommission, als auch Familienmitglieder und Freunde der Protagonisten stellen interessante und zum Teil durchaus vielschichtige Akteure dar. Darüber hinaus werden einige Personen unter die Lupe genommen, die irgendwann einmal Kontakt zu dem alten Einzelgänger in der Deichmühle und dessen Familie hatten. Zu guter Letzt sorgen auf dem elterlichen Hof der Frida Paulsen ein alter ungarischer Hirtenhund namens Arthur, ein Hengst mit dem klingenden Namen Cobain sowie der Esel Hetfield für Amüsement.

Fazit: „Sterbekammer“ war meine erste Lektüre aus der Feder von Romy Fölck und hat mir durch einen sehr gut konstruierten Kriminalfall, überzeugende Charaktere und dem einnehmenden Schreibstil großes Lesevergnügen bereitet. Der Spannungsbogen wird durch die in eigenen Kapiteln festgehaltenen Gedanken des Entführungsopfers hoch gehalten und man hofft bis zur letzten Seite, dass die Ermittler bei ihrer Suche nicht auf sterbliche Überreste, sondern auf eine Überlebende stoßen. Große Spannung, toller Schreibstil und ein überraschendes Ende sorgen für hervorragende Unterhaltung - gerne vergebe ich für diesen Krimi fünf Sterne und eine Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 22.09.2019

Das Portrait einer faszinierenden Persönlichkeit

Die englische Fürstin
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Mary Theresa Olivia Cornwallis-West, Fürstin von Pless, Gräfin von Hochberg und Freifrau zu Fürstenstein – das Portrait einer faszinierenden Persönlichkeit

„Ich habe versucht, dich zu lieben.“ (Daisy ...

Mary Theresa Olivia Cornwallis-West, Fürstin von Pless, Gräfin von Hochberg und Freifrau zu Fürstenstein – das Portrait einer faszinierenden Persönlichkeit

„Ich habe versucht, dich zu lieben.“ (Daisy – Mary Theresa Olivia Cornwallis-West)

„Das ist nett von dir, meine Liebe, aber nicht nötig.“ (Fürst Hans Heinrich von Pless, Graf von Hochberg)


Mary Theresa Olivia Cornwallis-West, „Daisy“ genannt, ist das erstgeborene Kind einer Aristokratenfamilie, ein temperamentvoller und ungezähmter Wildfang. Die prekäre finanzielle Lage veranlasst ihre Eltern dazu, ehrgeizige Heiratspläne für ihre Tochter zu schmieden. Als Debütantin bezaubert Daisy bei ihrer Einführung in die Gesellschaft mit ihrer Schönheit und ihrem Charme, sie wird umschwärmt und erobert die Männerwelt Londons im Sturm. Die Werbung eines schwerreichen Fürsten aus deutschem Uradel bedeutet für Daisys Eltern die Erfüllung all ihrer Träume. Obgleich das Mädchen den langweiligen, kühlen und äußerst reservierten Dreißigjährigen nicht mag, bleibt ihr keine Wahl. Nach der Eheschließung mit Fürst Hans Heinrich von Pless muss die Achtzehnjährige ihre Familie und ihr Heimatland verlassen und sich in ihr neues Leben im prunkvollen Fürstenstein einfügen, das von Vorschriften, Verboten und Zwängen beherrscht ist.

Sabine Weigand erzählt in diesem beeindruckenden Portrait die Geschichte einer wenig bekannten, faszinierenden Persönlichkeit und nimmt ihre Leser mit auf eine interessante Reise, die im Jahre 1883 beginnt. Die Erzählperspektive der Autorin wechselt mit Erinnerungen Daisys als Ich-Erzählerin, diverse Zeitungsartikel über die Fürstin, aber auch die Wiedergabe zahlreicher Briefe aus Korrespondenzen mit der Fürstin bereichern dieses Buch ungemein. Sabine Weigand Autorin konzentriert sich in erster Linie auf die Lebensgeschichte ihrer Protagonistin, dank ihrer hervorragenden Recherchearbeit fungieren die politischen Ereignisse jener Zeit als aufwühlende Rahmenhandlung. Man erfährt von Daisys Schwierigkeiten, sich in Deutschland zurechtzufinden, ihrem Ringen um die Zuneigung ihres kalten und unnahbaren Ehemannes sowie die Geburt ihrer gemeinsamen Kinder. Das Luxusleben der englischen Fürstin in ihrem prunkvollen Zuhause wird ebenso thematisiert wie der verschwenderische Umgang ihres Ehemannes mit seinem Reichtum oder das Aufbegehren der jungen Ehefrau, wenn es um soziale Gerechtigkeit und Wohltätigkeit geht. Entgegen der Kälte und Gleichgültigkeit ihres Ehemannes den Armen gegenüber riskiert Daisy sehr viel, setzt sich laufend über Hans Friedrichs ausdrückliche Verbote hinweg, um Not und Elend zu lindern. Die junge Fürstin wird von der Bevölkerung hochgeschätzt und als „Engel von Waldenburg“ verehrt. Durch ihr mutiges Engagement und dank ihrer diplomatischen Art ist ihr sogar Kaiser Wilhelm sehr zugetan. Doch als Europa zielstrebig auf einen Krieg zusteuert, scheitert auch Daisy mit ihren Bemühungen, auf die Regenten und hochrangige Entscheidungsträger positiv einzuwirken.

Die Figuren dieser Handlung wurden sehr detailliert ausgearbeitet, den Gedanken und Gefühlen der Protagonisten großzügig Raum gegeben. Daisy und Hans Friedrich sind zwei starke Protagonisten, gefangen in einer lieblosen Ehe und völlig konträr im Denken und Handeln. Ihnen wurden zahlreiche Nebenfiguren – fiktive, wie auch historisch belegte Persönlichkeiten – zur Seite gestellt. Meine größte Sympathie galt dem bescheidenen und treuen Joschi Siebenbürger, der von Daisy unter die Fittiche genommen wurde und schon bald als persönlicher Begleiter und Beschützer der Fürstin fungierte. Auch die liebevolle alte Bedienstete namens Emma Kollischan zählte zu meinen absoluten Favoriten – die lebenskluge Frau mit dem großen Herzen erwies sich für Daisy als ganz besonderer Segen.

Der Schreibstil der Autorin hat mir ausnehmend gut gefallen. Die persönliche Geschichte der Daisy von Pless wurde durch die Emotionen, Gedanken und Träume der jungen Frau bereichert. Die politische Situation in Europa und der Ausbruch des Krieges stellten wertvolle geschichtliche Hintergrundinformationen dar. Das verschwenderische und prunkvolle Leben des Adels und die herrschenden Standesdünkel bildeten einen starken Kontrast zum Überlebenskampf der bettelarmen, hungernden Bevölkerung. Sabine Weigand legte besonderes Augenmerk auf die Arbeiter in den Kohlebergwerken des Fürsten. Die Geschichte des bettelarmen Bergarbeitersohnes Josef Siebenbürger wurde kapitelweise als „Joschis Geschichte“ eingebunden. Soziale Missstände, bittere Armut, aber auch das Aufgebehren der Bevölkerung waren gewichtige Themen dieses Buches.

Durch die zahlreiche Korrespondenz der Fürstin darf der Leser die Ereignisse intensiv miterleben. Angesichts der Vielzahl an Namen empfand ich das im Buch befindliche Personenregister als wichtiges Element. Der für mich interessanteste Abschnitt war der Anhang, in dem die Autorin nicht nur die wichtigsten Eckdaten des Lebens der Daisy von Pless dokumentierte, sondern auch darauf hinwies, bei welchen Ereignissen es sich um Fiktion, und bei welchen um historisch belegte Tatsachen handelte.

FAZIT: Sabine Weigand hat mir ihrer Neuerscheinung „Die englische Fürstin“ eine eindrucksvolle Romanbiographie geschaffen, die mir ausgezeichnet gefallen hat. Historische Fakten und Fiktion wurden effektvoll zu einem imposanten Roman verwoben. Daisy von Pless – Mary Theresa Olivia Cornwallis-West, die spätere Fürstin von Pless, Gräfin von Hochberg und Freifrau zu Fürstenstein – war mir bis zu diesem Zeitpunkt völlig unbekannt. Ich habe der Autorin höchst interessante Einblicke in das Leben und Wirken dieser mutigen und starken Frau zu verdanken.

Begeisterte fünf Sterne und eine klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 17.09.2019

Ich bin Ärztin. Ich bin nach Berlin gekommen, um kranken Menschen zu helfen.

Die Charité: Aufbruch und Entscheidung
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Ich bin Ärztin. Ich bin nach Berlin gekommen, um kranken Menschen zu helfen.

Der Lebenstraum von Dr. Rahel Hirsch steht kurz vor seiner Erfüllung. Die junge Ärztin aus Frankfurt darf als medizinische ...

Ich bin Ärztin. Ich bin nach Berlin gekommen, um kranken Menschen zu helfen.

Der Lebenstraum von Dr. Rahel Hirsch steht kurz vor seiner Erfüllung. Die junge Ärztin aus Frankfurt darf als medizinische Pionierin im Jahre 1903 ihre Volontärstelle an der Berliner Charité antreten. Rahel findet in dieser von Männern dominierten Welt in ihrem Vorgesetzten Professor Dr. Friedrich Kraus große Unterstützung. Darüber hinaus entpuppt sich auch der junge Arzt Dr. Theodor Brugsch als wohlmeinender und hilfsbereiter Kollege, der Rahel als ebenbürtig behandelt und bald sogar ihre Zusammenarbeit sucht. Das Misstrauen und die Ablehnung der anderen Ärzte verletzen Rahel, doch mit eiserner Disziplin und großem Ehrgeiz gelingt es ihr nach und nach, sich Respekt zu verschaffen. Die hart arbeitende Frau konzentriert sich einerseits auf die Arbeit mit ihren Patienten, widmet sich andererseits aber auch mit unermüdlichem Einsatz für die Forschung. Als sie während eines unerfreulichen Zwischenfalls auf den Straßen Berlins die Bekanntschaft einer temperamentvollen und hübschen jungen Frau namens Barbara Schubert macht, bedeutet dies für die beiden so unterschiedlichen Frauen den Beginn einer lebenslangen Freundschaft. Doch mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges brechen schwere Zeiten für Rahel und Barbara an…

Im zweiten Band zur Geschichte der Charité, das vom königlichen Pesthaus zur modernen Klinik avancierte, präsentiert Ulrike Schweikert zwei mutige und starke Frauen als Protagonistinnen. Während die Ärztin Dr. Rahel Hirsch einem privilegierten jüdischen Elternhaus entstammt, das ihr ein Medizinstudium in Zürich und Straßburg ermöglichte, muss Barbara Schubert als Wäscherin in der Charité arbeiten und als Mitbewohnerin in der winzigen Wohnung ihrer verwitweten Tante ein Auslangen finden. Im Zeitraum von 1903 bis 1938 darf man anhand der beiden Protagonistinnen sowohl das Leben der privilegierten Gesellschaft, als auch die Lebensumstände der hart arbeitenden Bevölkerung Berlins, mitverfolgen. Während Rahel die Geisel Syphilis und deren Bekämpfung sowie die Entwicklungen in der Medizin beschäftigen, interessiert sich die wissbegierige Barbara für Politik und die Rechte der Frauen, sie wird ein engagiertes Mitglied der Frauenrechtsbewegung. Durch die Person des Michael Frankl lernt man leidenschaftliche Flugzeugkonstrukteure und Pioniere der Lüfte kennen. In ihrer kargen Freizeit dürfen Rahel und Barbara das Entstehen der ersten bewegten Bilder und der ersten Lichtspielhäuser mitverfolgen, als historischer Hintergrund wird eine Welt gezeigt, die geradewegs auf einen Krieg zusteuert. Die Kriegsereignisse werden dem Leser durch die Erfahrungen von Barbaras Cousin Franz, aber auch durch verschiedene Briefe von der Front vermittelt.

Der einnehmende Schreibstil der Autorin wird durch hervorragend charakterisierte handelnde Figuren ergänzt, die Einbindung des Berliner Dialekts in Gesprächen mit Barbara Schubert und ihren Verwandten trägt darüber hinaus zur Authentizität bei. Neben fiktiven Figuren brachte die Autorin auch zahlreiche historische Persönlichkeiten in die Handlung ein. So darf man sich auf Einblicke in das Leben des Arztes und Wissenschaftlers Professor Paul Ehrlich freuen, der als Forscher maßgeblich zur Entwicklung eines Diphterie Serums beitrug und die moderne Chemotherapie begründete. Auch das Leben des Internisten Dr. Theodor Brugsch und die Erkenntnisse des Mediziners und Mikrobiologen Robert Koch sowie des Immunologen Doktor August von Wassermann sind Themen dieses Buches. Zu guter Letzt wird durch die Interessen und Aktivitäten der Protagonistin Barbara Schubert diversen Frauenaktivisten eine kleine Rolle zuteil.

Fazit: Ulrike Schweikert präsentiert mit dem vorliegenden Buch einen sehr unterhaltsamen und durch die hervorragend recherchierten historischen Hintergründe zugleich auch hoch interessanten zweiten Band einer Reihe, die man durchaus auch unabhängig voneinander lesen kann. Der Autorin ist es erneut gelungen, mich vollends zu begeistern. Sowohl der einnehmende Schreibstil, als auch die in die Handlung eingebrachten historischen Fakten und die authentischen Figuren dieses Buches bescherten mir ein herausragendes Leseerlebnis.

Ich sehe dem dritten Band dieser Reihe bereits mit großer Vorfreude entgegen!