Sag, wo sind die Bienen hin?
Wo sind sie geblieben?
Ich habe mir erlaubt, zur Einführung einen Songtext des aus meiner Sicht unterschätzten Folksängers, Friedens- und Umweltaktivisten Pete Seegers in leichter Modifikation zu zitieren, ...
Wo sind sie geblieben?
Ich habe mir erlaubt, zur Einführung einen Songtext des aus meiner Sicht unterschätzten Folksängers, Friedens- und Umweltaktivisten Pete Seegers in leichter Modifikation zu zitieren, der in deutscher Sprache von der überragenden Marlene Dietrich interpretiert wurde.
Denn es sind die Bienen, die in diesem eindringlichen Roman der jungen Autorin Christy Lefteri für so vieles stehen: für Frieden, eine intakte Natur, für Harmonie, aber auch für Kraft, Überleben und Mut!
Sie werden zerstört in Aleppo, der Heimat ihres Hüters Nuri, doch das ist längst nicht das einzige, das er verliert: Der beginnende Syrienkrieg kostet ihn seinen Sohn und seinen Neffen, seine Frau Afra verliert das Augenlicht. Sein kluger älterer Cousin Mustafa, der ihn an die Welt der Bienen herangeführt hat, flieht mit seiner Familie nach England, wo er wissenschaftliche Kontakte hat, Nuri und Afra zögern noch.
Als sie dann endlich aufbrechen, um ihren Verwandten zu folgen, ist es fast unmöglich, noch durch Europa durchzukommen, schon gar nicht, wenn der einzige Kontakt dort aus geflüchteten Verwandten besteht.
Es beginnt eine Odysee, die das Paar - und mit ihm die Leser - zu Orten und vor allem zu Menschen führt, denen man niemals begegnen wollte. Der Leser erhält einen Eindruck, was so alles auf der Flucht passieren kann. Und das ist so grausam, dass man es fast nicht verkraftet.
Auch, wenn es zwischendurch immer wieder positive Begegnungen gibt, die helfen, zu überleben.
Christy Lefteri hat selbst in einem Flüchtlingslager in Athen gearbeitet, doch wie sie das Hoffen, Warten, Reisen und die Gefahr der Flüchtlinge beschreibt - das ist Poesie. Es kommt aus ihrem tiefsten Inneren heraus und hat zumindest auf mich eine Sogwirkung entfaltet.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass man nach der Lektüre des Romans noch bereit ist zur Abschiebung von Flüchtlingen aus gefährdeteten Ländern, doch dazu muss man erst einmal bereit sein, es in die Hand zu nehmen. Es ist nämlich schwere Kost; ein Buch, das weh tut und zwar nicht nur an einer Stelle. Ich befürchte, das diejenigen, denen ich es gern in die Hand drücken würde - die Rechten zum Beispiel, aber auch die Bequemen, es sofort wieder weglegen würden. Leider.
Denn dies ist ein Buch mit einer Botschaft. Ein Roman, der genau in unsere Zeit passt und aus meiner Sicht von jedem, der an den "Fridays for Future" und Friedensmärschen teilnimmt, gelesen, reflektiert und im besten Falle multipliziert werden sollte.
Diese Lektüre ist ein Wagnis, das erschüttert, berührt, entsetzt, fordert, bereichert und aufweckt. Ich bin wie durch den Fleischwolf gedreht!