Berührend, schockierend und absolut überzeugend
Wie ein Leuchten in tiefer NachtSchon lange habe ich kein Buch mehr gelesen, dass mich in ganz verschiedenen emotionalen Ebenen so sehr bewegt hat. Ich habe mit den Figuren mitgefiebert, ich habe mich mit ihnen gefreut, ich war sprachlos ...
Schon lange habe ich kein Buch mehr gelesen, dass mich in ganz verschiedenen emotionalen Ebenen so sehr bewegt hat. Ich habe mit den Figuren mitgefiebert, ich habe mich mit ihnen gefreut, ich war sprachlos vor Erschütterung. Und schon lange habe ich kein Buch mehr gelesen, bei dem der Titel so gut zu der Handlung des Romans passt: „Wie ein Leuchten in tiefer Nacht“ spiegelt genau die Kernaussage das Romans wieder, den Zusammenhalt, und dass es immer irgendwie weitergeht. Die Bibliothek, um die es in dem Roman geht, gibt jeder der Protagonistinnen einen neuen Lebensinhalt und eine neue Richtung, und wird somit für jede von ihnen zu besagtem „Leuchten“.
Aber von Anfang an: Die Geschichte spielt in den 1930er Jahren in Kentucky und stellt die damals existenten WPA Satteltaschenbücherein in den Fokus des Geschehens. In diesen „mobilien Bibliotheken“ ritten Frauen durch entlegene, schwer zugängliche Regionen um Bücher, und damit auch Bildung, zu verteilen. Eine solche Bibliothek wird in dem Ort Baileyville gegründet, einem Ort, der gekennzeichnet ist, von dem Interesse an Klatsch und Tratsch bei gleichzeitigem Augenverschließen, wenn es um Probleme anderer geht sowie einer heuchlerisch konventionellen Lebensweise. In diesem Ort finden sich, gegen den Willen der meisten männlichen Bewohner des Ortes, mehrere Frauen die die Bibliotheksarbeit aufnehmen. Alle aus ganz unterschiedlichen Gründen: Um ihrer unglücklichen Ehe zu entkommen, um das Gefühl zu haben gebraucht zu werden oder weil es einfach ihrem Naturell entspricht, unkonventionelle Dinge zu tun.
Die Bibliothek wird für die Frauen mehr und mehr zu einem zweiten Zuhause. Sie kämpfen gemeinsam gegen Ungerechtigkeit, gegen Gewalt und gegen die Tatsache, dass in diesem Ort Einfluss und Geld ausreichen um Stimmung zu machen und Meinungen zu beeinflussen. In einer Zeit, in denen die Frauen meistens nicht viel mehr waren, als die Ehefrauen ihrer Männer, trauen sich die Protagonistinnen gegen diese Missstände aufzustehen.
In diesem Kontext, schafft es die Autorin aus meiner Sicht in beeindruckender und gleichsam dramatischer Weise die Ungerechtigkeit und das systematische „Kleinhalten“, dass in dieser Zeit gegenüber Frauen der Normalfall war darzustellen. Dies reicht von einem Blick des Ehemannes, der ausreicht um die Frau zum Verstummen zu bringen, über einen Griff und letztendlich, die Gewalt, die Alice zu teil wurde. Ich blieb an einzelnen Stellen wirklich sprachlos zurück und mir lief es beim Lesen kalt über den Rücken. Einfach weil die Autorin es schafft, diese Ungerechtigkeit so eindrücklich darzustellen.
Allerdings muss ich sagen, dass ich mir am Anfang mit dem Buch wirklich schwer getan habe. Zwar fand ich die Thematik von Anfang an spannend und auch die ersten Seiten zeigten, dass dieser Roman weit mehr wird, als eine beschauliche Liebesgeschichte, allerdings kam ich nicht wirklich in die Geschichte rein. Bis ca. Seite 200 Seiten kam ich nur sehr langsam voran.
Dann allerdings, mit dem schicksalhaften Abend im Haus der Van Cleves, wandelte sich die Geschichte um 180 Grad. Die Handlungen überschlugen sich und ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Dies lang insbesondere auch daran, dass sich eine der Hauptfiguren, Alice, deutliche veränderte: Vom stillen Püppchen, dass sich nichts sehnlicher wünschte, als ihren Ehemann glücklich zu machen, wandelte sie sich zu einer mutigen, starken Frau, die auch nicht davor zurückschreckt den Mund auf zu machen um die Wahrheit zu sagen. Diese Veränderung hat mich wirklich beeindruckt und der Geschichte eine wesentliche Wendung gegeben. Von jetzt auf gleich wird Alice zur Stütze der Bibliothek, eine Entwicklung, die man zu Beginn des Buches nicht erwartet hätte.
Aber auch die anderen Charaktere haben mich mehr als überzeugt. Jede einzelne der Frauen hat so viel erlebt und bringt diese Erfahrungen sichtbar mit in den Roman ein und drückt der Bibliothek somit ihren Stempel auf. Ich konnte mich direkt in die Protagonistinnen reinversetzen und sie direkt vor mir sehen – so als stünde ich selbst in der Bibliothek. Dies lag aus meiner Sicht insbesondere auch daran, dass eben nicht ausschließlich die beiden Hauptfiguren, Alice und Margery, in den Mittelpunkt des Geschehens gestellt wurden, sondern, mehr oder weniger offensichtlich, auch die Bedeutung der anderen Charaktere für die Geschichte hervorgestellt wurde. Sei es die Rettungsaktion durch Beth und Izzy während des Unwetters, das fluchtartige Verlassen des Gerichtssaals durch Sophia um noch „etwas in Ordnung zu bringen“ oder der Einsatz von Kathleen, mit dem sie zweimal die Bibliothek rettet. Gefallen hat mir dabei besonders, dass diese Nebenhandlungen eben nicht in einzelne Kapitel „ausgelagert“ wurden, sondern direkt in separaten Absätzen an der Stelle integriert wurden, an der sie thematisch passen. Auf diese Weise wurde der Erzählfluss beibehalten und die Puzzleteile fügen sich direkt ineinander.
Zusammenfassend: Mich hat das Buch absolut überzeugt. Das Buch stellt den Einsatz und den Mut der Frauen in den Vordergrund. Beeindruckend integriert in ein interessantes Kapitel der Geschichte die sich zum Glück in vielen Teilen geändert hat. Von mir eine 100%ige Leseempfehlung.