„...Eine entsetzliche Angst befiel Sophie und sie beschleunigte ihre Schritte. Sie konnte vielleicht nicht viel, aber im Weglaufen war sie schon immer gut gewesen...“
Wir schreiben das Jahr 1859. In New York ist Sophie zusammen mit Danny, dem Anführer der Bowery Boys. Nachdem Anna, ihre Freundin, das Jugendheim verlassen musste, hat sich Sophie ihr angeschlossen und ist mit zu Annas Schwester gezogen. Dabei hat sie auch den dreijährigen Nicholas und die fünfjährige Olivia mitgenommen. Sophie kümmert sich schon länger um die Kinder.
Von Danny verspricht sie sich Schutz und eine Unterkunft, denn die Verhältnisse bei Annas Schwester sind mehr als beengt.Dann aber wird Danny in eine Schießerei mit einer konkurrierenden Gang verwickelt. Zwei der Gegner bleiben tot liegen. Plötzlich sind auch Anna und Sophie in Gefahr.
Sie entschließen sich, mit dem Waisenzug in den Westen zu fahren.
Die Autorin hat einen bewegenden historischen Roman geschrieben. Es ist der dritte Teil Der Geschichten mit den Neumann – Schwestern. Obwohl ich die beiden ersten Teile nicht kenne, hatte ich kein Problem, der Handlung zu folgen.
Die Personen werden gut charakterisiert. Sophie hat nur ein Ziel. Sie möchte, dass es Olivia und Nicholas gut geht. Nur ihre Methoden sind dafür nicht geeignet, denn das Leben auf der Straße Schattenseiten. Als einziges andenken an irhe Mutter führt sophie einen Kerzenständer mit sich. Selbst in bitterster Not hat sie es nicht fertiggebracht, ihn zu verkaufen. Auch die Worte ihrer Mutter sind ihr noch in Erinnerung:
„...Auch wenn du dich manchmal sehr verloren fühlst, will Jesu Licht in dir brennen...“
Doch von Jesu hat sie sich mittlerweile weit entfernt. Dann aber lernt sie auf einer Farm im Westen Euphemia kennen. Sie ist Farmersfrau und Mutter von fünf Söhnen. Einer davon ist gelähmt. Sophie bewundert, wie liebevoll Euphemia mit ihm umgeht, obwohl der barsch und unhöflich reagiert. Euphemia versteht es auch, Sophie so zu nehmen, wie sie ist. Sie geht über ihre Fehler und Unzulänglichkeiten weg und baut sie immer wieder neu auf. Als Euphemia Sophie ihre Geschichte erzählt, wird deutlich, dass sie durch manche Tiefen des Lebens musste. Sie charakterisiert sich selbst so:
„...Aber ich war nicht immer so geduldig oder liebevoll. Ich kann genauso eigensinnig sein wie meine Bratpfanne, wenn darin etwas anbrennt. Ich habe den Herrn nicht immer so an mir arbeiten lassen, wie er das möchte. Aber ich lerne immer mehr, ihn an mir arbeiten und mich von ihm reinigen zu lassen...“
Sehr gut herausgearbeitet wird Sophies innere Zerrissenheit. Sie weiß inzwischen, dass ihre Schwestern ein gutbürgerliches Leben führen. Sie möchte sie erst wiedersehen, wenn sie sich selbst ein besseres Leben aufgebaut hat. Doch wie sie selbst schon sagt, ihre Spezialität ist Weglaufen. Das gilt besonders dann, wenn sie glaubt, dass dies besser für Olivia und Nicholas ist. Selbst Euphemias Zuneigung lehnt sie anfangs ab, weil sie glaubt, sie nicht verdient zu haben.
Die Waisenzüge in den Westen waren ein zweischneidiges Schwert. Es wird deutlich, dass dadurch manche Kinder liebevolle Eltern bekommen haben. Andere dagegen waren bessere Dienstboten.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es ist ein runder Abschluss der Trilogie.