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Veröffentlicht am 17.11.2016

Bleibt an der Oberfläche

All die verdammt perfekten Tage
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Theodore Finch lernt Violet auf dem Glockenturm der Schule kennen. Sie starrt paralysiert in die Tiefe und er kann sie vor dem Sturz in den sicheren Tod bewahren.

Violet hat ihre Schwester erst vor einigen ...

Theodore Finch lernt Violet auf dem Glockenturm der Schule kennen. Sie starrt paralysiert in die Tiefe und er kann sie vor dem Sturz in den sicheren Tod bewahren.

Violet hat ihre Schwester erst vor einigen Monaten bei einem Verkehrsunfall verloren. Sie ist einsam, weicht Lehrern und Eltern aus, versteckt sich hinter ihrer Trauer und steuert auf die komplette Apathie zu.

Theodore kann sie überzeugen, mit ihm gemeinsam an einem Schulprojekt zu arbeiten, das sie zu entlegenen Winkeln von Indiana führt.

Violet beginnt Vertrauen in Finch, wie ihn alle nennen, zu fassen und sich wieder dem Leben zu öffnen. Mit jedem Stückchen Lebensfreude, das sie sich zurückerobert, scheint Finch jedoch genau diese Lebensfreude zu verlieren.

„All die verdammt perfekten Tage“ ist ein Jugendroman im Fahrwasser von „Das Schicksal ist ein mieser Verräter, eine Liebesgeschichte zweier junger Menschen, die an der Schwelle zum Erwachsen werden stehen und drohen zu scheitern.

Finch ist ein Eigenbrödler, ein seltsamer Kauz – kurz ein richtiger Nerd. Er ist die Zielscheibe von Hohn und Spott an der Schule, scheint sich aber kaum etwas daraus zu machen. Er spielt mit unterschiedlichen Charakterzügen, so wie andere Menschen ihre Kleider wechseln. Finch hat ein schwieriges Elternhaus und ist sich oft selbst überlassen. Es mangelt ihm an Vorbildern, zu denen er aufsehen und sich orientieren kann.

Violet ist genau das Gegenteil, bis zum Tod ihrer Schwester war sie beliebt, ein Cheerleader aus einem geordneten Elternhaus. Sie gerät ins Straucheln und Theodore Finch scheint nicht unbedingt geeignet sie langfristig aus dem tiefen Loch zu befreien zu können, in dem sie seit dem Tod ihrer Schwester steckt.

Die Geschichte an sich, folgt einer nachvollziehbaren Idee. Leider springt der Funke für mich nicht so wirklich über. Finchs‘ Vergangenheit bleibt über weite Strecken im Dunkeln, was ihn tatsächlich so zerstört, finden die LeserInnen nicht heraus. Somit bleiben auch viele seiner Handlungen unverständlich.

Die zahlreichen wortschweren Zitate, die die Autorin für die Nachrichten nutzt, die Finch und Violet sich schreiben, geben dem Roman leider nicht mehr Tiefe sondern führen ihn in den Bereich der Pseudophilosophie. Es scheint, dass jedes Gespräch zwischen den ProtagonistInnen zum einzigartigen Moment hochstilisiert wird und das wirkt spätestens ab der Hälfte des Romans nur noch ermüdend.

Der Fort- und später Ausgang der Geschichte ist bald klar und kommt dann wenig überraschend daher, was auch dazu beiträgt, dass sie sich wie Kaugummi zieht.

Leider kann ich hier keine wirkliche Leseempfehlung aussprechen.

Veröffentlicht am 17.11.2016

Ordentlicher Jugendthriller

Locked in
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Alex Dale ist freie Journalistin. Aktuell beschäftigt sie sich mit den Arbeiten von Dr. Haynes, einem Arzt dem Herausragendes in der Forschung mit WachkomapatientInnen gelingt.

Eher zufällig stößt sie ...

Alex Dale ist freie Journalistin. Aktuell beschäftigt sie sich mit den Arbeiten von Dr. Haynes, einem Arzt dem Herausragendes in der Forschung mit WachkomapatientInnen gelingt.

Eher zufällig stößt sie auf den Fall von Amy Stevenson, das Mädchen wurde vor 15 Jahren schwer misshandelt und liegt seitdem im Wachkoma. Alex ist ungefähr im gleichen Alter wie Amy und kann sich dunkel an ihren Fall erinnern, da sie zum Zeitpunkt des Verbrechens auch in der gleichen Gegend wohnhaft waren.

Sie versucht mit Hilfe ihres Ex-Mannes, der bei der Polizei arbeitet, den Fall neu aufzurollen. Dabei steht ihr aber ein Umstand gewaltig im Weg. Ihre massive Alkoholsucht.

Aus der Sicht von 4 unterschiedlichen Personen rollt Holly Seddon ihre Geschichte auf. Besonders interessant ist dabei die Perspektive von Amy, die seit Jahren im Wachkoma liegt und dennoch ihre Umgebung wahrnimmt. Obwohl gefangen in ihrem Körper, versucht sie aus den Einflüssen, die auf sie einströmen ihre Schlüsse zu ziehen und zu verstehen was um sie geschieht.

Alex kämpft gegen den Dämon Alkohol und ihr Kampf, lässt uns mit ihr mitfiebern. Ihre Leidenschaft Amys‘ Geschichte aufzudecken trotz der vielen Hindernisse, die sie sich selbst in den Weg stellt, ist ein Beispiel für Disziplin auch unter widrigsten Umständen.

Der Plot ist stimmig und wird spannend vorangetrieben. Leider verabsäumt Holly Seddon neben der Story auch die Charaktere weiter zu entwickeln. Komplexe Situationen lösen sich gerade im letzten Drittel des Buches in Wohlgefallen auf. Offensichtlich psychologische Probleme mancher Charaktere verschwinden angesichts schöner Ereignisse im Nichts.

Das Buch endet an der Stelle wo es im Eigentlichen Sinn erst interessant werden könnte. Die Tragik des Falls wird nach seiner Auflösung zwar deutlich, was dieser Umstand allerdings mit den Beteiligten macht, wie sie alle mit dieser Traumatisierung umgehen und sie vielleicht lösen oder an ihr scheitern, bleibt völlig offen. Ebenso Amys‘ weitere Geschichte.

Ein interessantes, auch ein wenig ungewöhnliches Buch für zwischendurch, ohne wirklichen Tiefgang.

Veröffentlicht am 17.11.2016

Für einen Regentag

Die Holunderschwestern
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Katharina Raith betreibt eine Werkstatt als Möbelrestauratorin gemeinsam mit ihrer Kollegin Isi. Sie entstammt einer Linie stolzer Frauen, am bekanntesten die Urgroßmutter Fanny von der alle mit großer ...

Katharina Raith betreibt eine Werkstatt als Möbelrestauratorin gemeinsam mit ihrer Kollegin Isi. Sie entstammt einer Linie stolzer Frauen, am bekanntesten die Urgroßmutter Fanny von der alle mit großer Hochachtung sprechen und deren Erbe noch immer in der Familie spürbar ist. Als plötzlich ein charmanter Engländer vor Katharinas‘ Tür steht und ihr verschollene Tagebücher ihrer Urgroßmutter übergibt, droht das hohe Podest der Urgroßmutter zu bröckeln. Katharina erfährt durch die Tagebücher die ungeahnte Geschichte einer Frau, die in den „zerrissenen Jahren“ – den Jahren zwischen den großen Kriegen jung war und ihr Leben versuchte zu meistern.

Ihre Partnerin Isi hat ein Talent überteuerte Möbelruinen anzuschleppen, aber als sie eine Ladenzeile aus den 1920er Jahren auftut ahnen beide Frauen noch nicht wie eng ihr Schicksal mit dieser verwoben sein wird…

Teresa Simon verzauberte uns vor einem Jahr mit ihrem Debütroman „Die Rosenblütenvilla“. Ihr zweiter Roman ist ungefähr in der gleichen Zeitepoche angesiedelt und wieder geht es um eine Familiengeschichte, die ihre Schatten von der Mitte des vergangenen Jahrhunderts bis weit in die Gegenwart zu werfen vermag. Liebevoll ausgearbeitete Charaktere bewegen sich in einer hervorragend recherchierten Umgebung. Vergangenheit und Gegenwart fließen völlig natürlich ineinander.

Katharina ging in ihren eigenen Weg aus dem Schatten einer überkritischen Mutter heraus, die wie sich später herausstellt, durch übertriebenen Ehrgeiz ihre Unsicherheit und Selbstzweifel besiegen wollte, dass dabei die Beziehung zur einzigen Tochter auf der Strecke bleibt, stellen die beiden Frauen beinahe zu spät fest.

Interessant ist auch die Verbindung von Fanny und Fritzi den ungleichen Zwillingsschwestern. Während Fanny sich dem Leben stellt und ihm mit Kraft und Durchhaltevermögen begegnet, scheint Fritzi wie ein Blättchen im Wind vom Schicksal durchgewirbelt zu werden. Was die Schwestern verbindet, scheint sie auch zu trennen, denn sie neiden einander die Eigenschaften der jeweils anderen.

Die zerrissenen Jahre, also die Zeit zwischen den zwei großen Kriegen, werden erschreckend gut dargestellt, die aufkeimende Hoffnung der Menschen nach Ende des ersten Weltkrieges sowie die bittere Enttäuschung dieser Hoffnungen lässt die Leserinnen oft erdrückt innehalten. Mehr als einmal wünscht man sich einen alternativen Ausgang als die steile Karriere Hitlers, die mit seiner Machtergreifung ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht.

Was Simon vor allem im letzten Drittel des Buches fehlt, ist eine klare Linie, die sie verfolgt um offene Erzählstränge zu einem stimmigen Ende zu bringen. Der Ausgang verschiedener Teilgeschichten bleibt völlig im Dunkeln. Zwar mutmaßen die ProtagonistInnen zu einigen Ereignissen über einen möglichen Ausgang, aber auch das wird nur halbherzig verfolgt.

Der obligatorische Kitsch-Schluss, den offensichtlich alle Frauenromane haben müssen hilft da leider auch nicht um die Leserin befriedigt zurück zu lassen. Trotzdem für Regenstunden oder einen Tag am Strand ein durchaus geeigneter und sehr schöner Roman.

Veröffentlicht am 17.11.2016

Passabel

Ewig Dein
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Judith ist glückliche Single-Frau. Ihr Leben ist angefüllt mit ihrem Beruf als Inhaberin eines Lampengeschäfts. Sie ist beliebt in ihrem Freundeskreis und wird von ihrer Familie geschätzt. In einem Lebensmittelgeschäft ...

Judith ist glückliche Single-Frau. Ihr Leben ist angefüllt mit ihrem Beruf als Inhaberin eines Lampengeschäfts. Sie ist beliebt in ihrem Freundeskreis und wird von ihrer Familie geschätzt. In einem Lebensmittelgeschäft läuft sie Hannes Bergtaler über den Weg, einem charmanten Architekten der sich anstellt ihr Herz zu erobern. Doch was wie eine zarte Liebesgeschichte beginnt, entwickelt sich bald zu einem undurchdringbaren Psychodschungel.

Dem Buch fehlt leider eine gewisse Tiefe, die Charakterbildung wurde anscheinend zugunsten des Plotts gekürzt. So bleiben vor allem die Motive von Hannes deutlich im Hintergrund, was der Spannung abträglich ist. Judiths‘ Charakterzüge werden so gut wie gar nicht deutlich und es scheint eher, dass die Figur sich nur dem Plott dienlich verhält, zuerst naiv, dann verängstigt und schließlich entschlossen und voller Energie – wobei das in Anbetracht verschiedener Umstände im Verlauf des Buchs mehr als unwahrscheinlich erscheint.

Daniel Glattauer hat uns zarte Romane wie „Gut gegen Nordwind“ geschenkt und auf den ersten Blick scheint auch „Ewig dein“ genauso ein Roman zu sein. Am Ende des Buchs wird aber kein Stein mehr auf dem anderen sein und die LeserInnen bleiben verstört zurück.

Veröffentlicht am 17.11.2016

Charakterzeichnung bleibt flach

Am Tag und in der Nacht
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Claire und Rob sind verheiratet und erwarten ihr erstes Baby – doch das Schicksal schlägt zu und sie verlieren das Kind.

Claire erleidet eine späte Fehlgeburt und in ihren Gedanken und Taten macht sie ...

Claire und Rob sind verheiratet und erwarten ihr erstes Baby – doch das Schicksal schlägt zu und sie verlieren das Kind.

Claire erleidet eine späte Fehlgeburt und in ihren Gedanken und Taten macht sie ihren Mann dafür verantwortlich – sie bestraft ihn. Rob’s Großmutter hinterlässt ihrem Enkel einen Stapel Briefe, die sie von ihrer Cousine Daisy während des 2. Weltkrieges erhalten hatte.

Daisy beschreibt ihrer Cousine ihr immer turbulenter werdendes Leben während der Kriegswirren. Die National Gallery hat zwar wieder begonnen monatlich ein Gemälde auszustellen doch die Stimmung der Menschen im bombengefährdeten London wird immer verzweifelter.

Daisy schildert ihrer Cousine und engsten Freundin Elizabeth jedes monatliche Gemälde eingehend.

70 Jahre später liest Claire diese Briefe, sie beschließt auf Daisy’s Spuren das jeweilig beschrieben Gemälde in der Gallery zu besuchen, einen anfänglichen Versuch von Rob sie zu begleiten wehrt sie kühl ab.

Mit jedem monatlichen Gemälde fühlt sich Claire, der Daisy aus der Vergangenheit näher und tief verbunden und dann lernt sie wieder einen Mann kennen. Vielleicht ein Ausweg aus einer abgekühlten, beinahe gescheiterten Ehe?

Das Buch begann spannend und unkonventionell, die einzelnen Kapitel waren den jeweiligen Bildern aus Daisy’s Briefen zugeordnet. Die genaue und berührende Beschreibung und Interpretation der Gemälde hat mich fasziniert. Schon an dieser Stelle fand ich es ärgerlich, dass die Bilder auf der Innenseite des Buchrückens zwar in Farbe, aber sehr klein abgebildet waren. Am Kapitelanfang befand sich zwar eine größere Abbildung, aber diese war in Graustufen gedruckt, so oder so, konnte ich viele Details nicht genau erkennen und mit der Beschreibung nicht abgleichen.

Leider kann die zu Beginn aufgebaute Spannung nicht aufrechterhalten werden, das Buch beginnt recht bald belanglos vor sich hin zu plätschern. Rob und Claire agieren hölzern und oberflächlich, vor allem was Rob in seinem Inneren bewegt, wird gar nicht herausgearbeitet. Zusätzlich wird die Geschichte sehr bald total vorhersehbar und Geheimnisse banal aufgelöst, beinahe lieblos.

Claire’s Rendevous mit der Vergangenheit fällt langweilig und ohne Pointe aus. Schließlich erstarrt Claire in ihrem Verhalten unfähig und mutlos, ohne Kraft eine Veränderung anzustreben.

Rob und Claire starten an einem Punkt neu, ohne ihre Eheprobleme oder den Verlust ihres Kindes aufzuarbeiten, ihr Handeln wirkt gefühllos und unglaubwürdig – da hilft auch das andauernd betonte Weinen von Claire nichts.

Die Geschichte hat mich nicht wirklich berührt, weil mir alle Charaktere zu wenig nahegebracht wurden, kaum beschrieben wurden und ich somit ihr Handeln nicht nachvollziehen konnte.