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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.09.2019

Ein Stern am Bücherhimmel

Unter einem guten Stern
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Als Justine (Journalistin beim »Alexandria Park Star«, Skeptikerin, Schütze) ihrer Jugendliebe Nick (Romeo-Darsteller im Theater, Idealist, Wassermann) wiederbegegnet, ist das vielleicht Schicksal. Auch ...

Als Justine (Journalistin beim »Alexandria Park Star«, Skeptikerin, Schütze) ihrer Jugendliebe Nick (Romeo-Darsteller im Theater, Idealist, Wassermann) wiederbegegnet, ist das vielleicht Schicksal. Auch dass er sich stets nach dem Horoskop der Zeitschrift richtet, für die Justine arbeitet, könnte Schicksal sein. Justine aber hat Nick immer geliebt und will sich auf keine höhere Macht verlassen. Heimlich nimmt sie Änderungen am Wassermann-Horoskop vor, um ihm ein Zeichen zu senden. Doch Nick missversteht ihre Hinweise völlig – und er ist nicht der Einzige, der sich von den Sternen leiten lässt…

Minnie Darke legt uns mit ihrem Debütroman ein wahres Meisterwerk an Esprit, Witz, Gefühl und Wärme vor. Wie gebannt rast man durch die Seiten. Es ist ein Roman, bei dem man zu essen, zu trinken, ja, sogar zu atmen vergisst. Damit der Lesegenuss nicht zu schnell vorbei ist, musste ich mich dazu zwingen Pausen einzulegen. Es ist nicht nur spannend die Irrungen und Wirrungen der Protagonisten verfolgen, auch die Schicksale der vielen Nebenfiguren kennenzulernen, deren Leben von dem geänderten Wassermann-Horoskop geprägt wird, ist ein Abenteuer und Hochgenuss. Die Autorin kann sich nicht nur fehlerfrei und überzeugend in ihre beiden Hauptcharaktere einfühlen, nein, sie überzeugt gleich mit einer ganzen Palette an Figuren – angefangen bei einem streunenden Hund mit starverdächtiger Singstimme und aufgehört bei einem verbitterten einsamen Mann im Altersheim. Die kurzen und prägnanten Personenbeschreibungen sind dabei ein wahres Meisterstück der schriftstellerischen Charakterzeichnung. Beispiel gefällig? „Dorothy Gisborne – Wassermann, England-Fan, langjährige Anwohnerin in der Devonshire Street, seit fünf Jahren verwitwet, stolze Besitzerin der wohl umfangreichsten Sammlung von Charles-und-Diana-Hochzeitsdevotionalien in der gesamten Christenheit und penible Laken-, Geschirrtuch- und Unterhosen-Büglerin – tippte eine Adresse in das Suchfeld von Google Maps.“ Also, ganz ehrlich, wer hat nach diesem Satz kein genaues Bild von der beschriebenen Person im Kopf?

Weiterhin möchte ich betonen, dass man sich keinesfalls für Sternseherei interessieren muss, um den Roman aufs Vollste zu genießen. Ähnlich wie die Protagonistin des Romans, Justine, konnte ich mich nie für das Thema des Horoskops erwärmen. Dies liegt vor allem daran, dass es eben in der Regel so durchschnittlich und in seiner Aussage so vage ist. Wäre es so einfallsreich, ansprechend und phantasievoll wie in Minnie Darkes Roman, dann würde ich es auch ganz bestimmt – so wie Nick – jeden Monat lesen und beherzigen. Die Autorin hat es geschafft, dass ein Thema, dem ich nie Interesse entgegengebracht habe, dank der gelungenen Umsetzung eine Faszination auf mich ausübt, die ich selbst nicht für möglich gehalten hätte. Als ob dem Ganzen nicht schon genug wäre, spricht der Roman dem Leser auch Mut zu – er ermuntert einen zu seinen Überzeugungen und Träumen zu stehen. Und er spricht dem Leser Mut zu, sich selbst zu verwirklichen bzw. sich nicht von seinem Weg abbringen zu lassen. Es ist wahrlich ein herzerwärmender Roman, der mit Originalität und Spritzigkeit überzeugt. Von Kitsch keine Spur!

Ich sage nicht, es würde nicht oft passieren, dass ich von einem Buch restlos begeistert bin und große Bewunderung für den Autor bzw. die Autorin empfinde, aber eher selten ist es so, dass ich ein Buch tatsächlich liebe. Bei Minnie Darkes „Unter einem guten Stern“ ist es allerdings genau so – ich liebe diesen Roman. Es ist eins dieser Bücher, das ich für nichts auf dieser Welt weggeben würde. (Nebenbei gesagt: Auch von dem Cover bin ich restlos begeistert – es ist wunderschön. Und – aber das bleibt unter uns – ich schließe mich mit dem Buch manchmal extra ins Bad ein, nur um das Cover im Dunkeln leuchten zu sehen). Deshalb: Holt euch diesen Roman und taucht ein in eine Welt, die beflügelt, inspiriert und Mut macht!

Veröffentlicht am 12.05.2020

Voller Leben und Weisheit

Der Sprung
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Das kleine Städtchen Thalbach bei Freiburg ist „ein Umsteigebahnhof, eine Durchgangsstation“, hier leben all die „Hängengebliebenen, Abwartenden oder Festsitzenden“. Eines schönen Sommertages passiert ...

Das kleine Städtchen Thalbach bei Freiburg ist „ein Umsteigebahnhof, eine Durchgangsstation“, hier leben all die „Hängengebliebenen, Abwartenden oder Festsitzenden“. Eines schönen Sommertages passiert gerade hier jedoch etwas, dass die ganze Stadt in Aufruhr versetzt: Auf dem Dach eines Wohnhauses tobt eine junge Frau, die sich weigert herunterzukommen. Hast sie etwa vor zu springen?

Schnell sammelt sich eine wahre Menschenmasse auf dem Platz vor dem Wohnhaus zusammen. Sie filmen mit, machen Fotos, sonnen sich, veranstalten ein Picknick. Für die meisten wird der Tag nur als derjenige im Gedächtnis bleiben, der die Alltagsroutine für einige Stunden durchbrochen hat. Nicht mehr und nicht weniger. Für einige wenige bedeutet dieser Tag jedoch Veränderung, Wandel. Und genau diese Menschen lernen wir kennen. Abwechselnd tauchen wir in die verschiedenen Perspektiven ein – in diejenige der jungen Manu auf dem Dach, bei der sich allerdings die Innensicht auf den Sprung allein reduziert. Wir lernen Felix, den jungen Polizisten kennen, der der Frau gut zuzureden versucht; dabei hat er mit eigenen Ängsten und Reminiszenzen zu kämpfen. Finn, den Fahrradkurier, der Manus Freund ist. Winnie, die gemobbte Schülerin, der der Voyeurismus der Menschen auf dem Platz zuwider ist. Astrid, Manus ältere Schwester, die doch unbedingt Bürgermeisterin werden möchte und nun von dieser Geschichte in ein schlechtes Licht gerückt wird. Edna, die die Frau auf dem Dach zuerst erblickt und die Polizei informiert. Theres, die mit ihrem Mann einen kleinen Laden führt, der kurz vor Konkurs steht, an besagtem Tag aber überrannt wird. Maren, die die Wohnung bewohnt, deren Dach Manu nun Stück für Stück abreißt. Egon, der früher Hüte hergestellt hat, aber seinen Laden schließen musste; ganz unerwartet kommt aber eine Wendung, die womöglich ein Comeback einleuchtet. Und Henry, den Obdachlosen, der den Menschen Lebensfragen verkauft. „Wenn Sie einen Tag aus Ihrem bisherigen Leben wiederholen könnten, für welchen würden Sie sich entscheiden und warum?“

Simone Lappert ist mit einem wunderbaren Schreibstil gesegnet. Sie kann sich mühelos und fehlerfrei in jede Figur einfühlen – die Spannbreite erstreckt sich von einem pubertierenden Mädchen bis hin zu einem älteren Mann, der dem Leben nichts mehr abgewinnen kann. Genauso mühelos taucht der Leser in die einzelnen Geschichten ein und findet sich in jeder Figur ein Stück weit wieder. Man kann man sich kaum von den einzelnen Schicksalen losreißen und vieles hallt nach, auch nachdem das Buch beendet ist. Einiges bleibt offen, sodass die Geschichten individuell weitergesponnen werden können. Und auch mit einigen Fragen bleibt der Leser zurück. Wie hättest du dich in dieser Situation verhalten? Und eine Aufforderung an uns schwingt deutlich mit: Genauer hinzuschauen – in unserer eigenen Stadt, unserer eigenen Umgebung, unserem eigenen Leben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.09.2019

250-seitiger innerer Monolog vom Feinsten

Mittwoch also
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Hedda, Journalistin in Oslo, ist 33 Jahre alt, als ihre ganze Welt plötzlich auf dem Kopf steht: Ihre Langzeitaffäre und heimliche große Liebe Lukas macht Schluss mit ihr und sie verliert zudem ihren Job. ...

Hedda, Journalistin in Oslo, ist 33 Jahre alt, als ihre ganze Welt plötzlich auf dem Kopf steht: Ihre Langzeitaffäre und heimliche große Liebe Lukas macht Schluss mit ihr und sie verliert zudem ihren Job. Daraufhin bricht sie zu einer Irrfahrt quer durch Europa auf, die mit einem Beinah-Flugzeugabsturz über Sarajewo beginnt und mit einem One-Night-Stand mit dem Aussteiger Milo in Berlin endet. Zurück in Oslo stellt Hedda fest, dass sie ungewollt schwanger ist, woraufhin sie schnellstmöglich abtreiben möchte. Doch das norwegische Gesundheitssystem sieht eine mehrtägige Bedenkzeit vor. Doch Heddas Entschluss steht fest. Oder etwa nicht?

Von der ersten Seite an wird die Leserin in die Welt der Protagonistin hineingerissen. Zu identifizieren braucht sie sich nicht mit ihr. Große Literatur bedarf solcher ‚Tricks‘ nicht. Die Leserin soll nur in ihre Welt eintauchen und sich mit ihr auseinandersetzen. Es ist eine Welt, in die einzutauchen es sich lohnt. Man wird in Heddas Bewusstseinsstrom hineingezogen und kommt nicht eher los, bis man die letzte Seite gelesen und das Buch zugeklappt hat. Zynisch, ironisch, selbstkritisch, wortgewandt, feministisch, hinterfragend, bissig. Die eigenwillige und selbstbestimmte Hedda spiegelt die 80er-Jahre-Generation, die Xennials wider – eine Generation, die wie keine andere zwischen der alten und der neuen Welt steht und sich auf ganz individuelle Art orientieren muss. „Ich trage das Schicksal meiner Art in mir, einen Keim, einen absoluten Anfang, eine imaginäre Größe, ein Versprechen, ein Potenzial, eine Vorstellung, eine Zukunft.“

Nachdem uns mit Arthur Schnitzlers „Leutnant Gustl“ erstmals eine Erzählung durchgehend im inneren Monolog geschrieben vorlag und im 20. Jahrhundert nur noch durch James Joyce‘ Bewusstseinsstrom-Roman „Ulysses“ übertroffen werden konnte, haben wir hier mit „Mittwoch also“ nun ein ebenso geniales Werk dieses Genres vorliegen, das bedenkenlos in die Reihe der Bewusstseinsstrom-Romane eingegliedert werden kann. Du suchst nach origineller Gegenwartsliteratur, die viele Aussagen unterschiedlichster Natur in den Raum stellt und noch viel mehr Fragen aufwirft? „Mittwoch also“ ist der ideale Roman für dich!

Veröffentlicht am 28.08.2019

Alles, was ich schon immer über den Alltag eines Buchhändlers wissen wollte

Tagebuch eines Buchhändlers
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„Wenn ich ein Haus betrete, um dort Bücher zu sichten, empfinde ich eine Vorfreude wie bei nichts sonst. Es fühlt sich an, als würde ich ein Netz auswerfen und nie wissen, was sich darin verfangen hat, ...

„Wenn ich ein Haus betrete, um dort Bücher zu sichten, empfinde ich eine Vorfreude wie bei nichts sonst. Es fühlt sich an, als würde ich ein Netz auswerfen und nie wissen, was sich darin verfangen hat, wenn ich es wieder einziehe. […] Bei einer Verhandlung um den Preis einer Privatsammlung mit dem Verkäufer werden die Bücher, um die es geht, zu einer schillernden Beute. Ab dem Moment jedoch, in dem man sich auf einen Preis geeinigt hat, Hände geschüttelt wurden und der Scheck meine Hand verlässt, verwandeln sich die Bücher in eine schwere Last, die ich in Kisten packen, ins Auto einladen, zu Hause ausladen, später durchsehen, online auflisten, auspreisen und in die Regale räumen muss, ehe ich auch nur einen Penny meiner Investition wiedersehe.“

Shaun Bythell ist seit 2001 Besitzer einer Buchhandlung – dem bekannten „The Book Shop“ in Wigtown, Schottland. Am 5. Februar 2014 beginnt er mit seinen Aufzeichnungen zu dem „Tagebuch eines Buchhändlers“ und beendet es am 4. Februar 2015 – es umfasst somit genau ein Jahr seines Lebens. Jedem neuangefangenen Monat setzt er einen Auszug aus George Orwells „Erinnerungen an eine Buchhandlung“ voran und setzt sich mit diesem auseinander.

Der Autor, von seiner damaligen Teilzeitkraft Nicky als „großes, rothaariges Rätsel“ betitelt, erzählt uns in seinem Tagebuch von seinem Arbeitstag als Buchhändler, von seinen Freunden, Familienangehörigen, Bekannten und – last but not least – seinen Kunden. Er erzählt von den Herausforderungen seines Berufs, von ganz besonderen Funden, von Veranstaltungen, die Farbe in den Alltag bringen, aber auch von enttäuschenden und tristen Tagen. Als Experte in seinem Gebiet klärt Shaun Bythell uns über die Auswirkungen von Amazon und dem Internet im Allgemeinen auf physische Buchhandlungen wie seine auf. Auch von seinen Lektüren erzählt er uns, sodass man sich die ein oder andere Inspiration holen kann.

Mit herrlich britischem Humor kommentiert er seine Kunden, Mitarbeiter und sich selbst, ohne dabei ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Sehr selten passiert mir, dass ich beim Lesen eines Buches laut lachen muss – bei Bythells „Tagebuch eines Buchhändlers“ war das dauernd der Fall. Ich habe es wirklich sehr genossen und kann es jedem nur wärmstens ans Herz legen. Und die zweite Botschaft an euch, wie „The Indepentent“ bereits richtig bemerkt hat: Unterstützt euren Buchhändler vor Ort! Ich werde es ganz bestimmt tun. Was ich mir nun aber ganz besonders wünsche: Ich möchte sobald wie möglich nach Schottland reisen, um „The Book Shop“ einen Besuch abzustatten!

Veröffentlicht am 19.08.2019

Alles Wissenswerte über den Schlaf

Warum wir schlafen
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Ich weiß nicht, ob es Ihnen auch so geht, aber ich interessiere mich brennend für das Thema „Schlaf“ – was während dieses Vorgangs tatsächlich passiert und warum er so wichtig ist. Auf Albrecht Vorsters ...

Ich weiß nicht, ob es Ihnen auch so geht, aber ich interessiere mich brennend für das Thema „Schlaf“ – was während dieses Vorgangs tatsächlich passiert und warum er so wichtig ist. Auf Albrecht Vorsters Sachbuch „Warum wir schlafen“ habe ich mich somit direkt gestürzt und konnte es kaum aus der Hand legen. Ich kann mich nicht erinnern, jemals ein dermaßen interessantes, humorvolles und zugleich für den Laien leicht verständliches Buch zu einem wissenschaftlichen Thema gelesen zu haben.

Albrecht Vorster beschäftigt sich mit Meeresschnecken, anhand derer er den Schlaf erforscht. Warum gerade mit Schnecken mögen Sie sich fragen. Das liegt daran, dass Schnecken von allen Lebewesen die wenigsten Nervenzellen besitzen und deshalb leicht zu untersuchen sind. Im ersten Kapitel erfahren wir somit unter anderem wie der Autor mit Dunkelkammerbeleuchtung und Radio die Nacht mit den Schnecken durchmacht und welche Schlüsse er aus seinen Beobachtungen am darauffolgenden Tag in Bezug auf den Menschen zieht.

Der Autor erklärt äußerst anschaulich, was während des Schlafes alles passiert. Wie und wo die Wahrnehmungen des Tages während der Nacht verarbeitet werden und wie Gelerntes während des Schlafzustandes verarbeitet wird. Er erklärt die wesentlichen Unterschiede der Arbeit des Immunsystems während des Tages und der Nacht. Und weshalb es in diesem Zusammenhang ratsam ist, während einer Krankheit oder nach einer Impfung unbedingt viel zu schlafen. Vorster stellt uns vor Augen, welche Auswirkungen künstliches Licht auf die Schlafqualität haben und warum Schichtarbeit auf Dauer krank macht. Warum die alljährliche Zeitumstellung in Sommer- und Winterzeit eine Schnapsidee ist und weshalb eine Festsetzung auf die Winterzeit die bessere Wahl gegenüber ständiger Sommerzeit wäre. Dass es sich bei Träumen nicht um abstrakte Gedanken, sondern um „echte“ Wahrnehmungen in einer imaginären Traumwelt handelt. Welche Rolle der Schlaf in einer Beziehung spielt. Was es mit dem Symptom „Restless legs“ auf sich hat und was bei einem Jetleg wirklich hilft.

Dies sind nur einige der Themen, die Albrecht Vorster in seinem Sachbuch zum Thema Schlaf behandelt. In verschiedener Gewichtung sind alle Informationen, die der Autor uns liefert, für jeden relevant, in machen Fällen können sie geradezu lebensverändernd sein. Albrecht Vorster versteht es den Leser für das Thema Schlaf zu begeistern. Wer vielleicht früher der Ansicht war, Schlaf wäre nur Zeitverschwendung, der wird nach der Lektüre von „Warum wir schlafen“ diametral entgegengesetzter Meinung sein. Ich kann nur eins sagen: Unbedingt lesen!