Dieses Buch ist ein spannendes und intelligent konstruiertes Thriller-Debüt von Samantha Downing, deren zweiter Thriller 2020 (auf Englisch) erscheint.
Das Interessante an diesem Buch ist, dass man es aus Täterperspektive liest. Der Erzähler und seine Frau ermorden Frauen. Die Motive hierfür sind komplex und werden nur nach und nach aufgedeckt. Ich konnte mir zunächst schwer vorstellen, dass so eine Geschichte konstant die Spannung aufrechterhalten kann. Dass es trotzdem gelingt, liegt an dem Schreibstil der Autorin und ihrer gelungenen Wahl der ersten Person Singular als Erzählperspektive, mit Präsens als Erzähltempus und mit schlichten, meist kurzen Sätzen, die das Ganze so authentisch und mitreißend wie möglich machen. So frisch und klar wie die Sprache sind auch die Charakterisierungen, man findet hier wenig Klischees. Besonders der Erzähler ist eine interessante, glaubwürdige Figur. Er beschreibt seinen Alltag, das Familienleben, das Planen und Durchführen der Verbrechen sachlich, aber sehr intensiv. Man kann ihn kaum für sein Verhalten verurteilen, stattdessen nimmt man die Erzählung einfach so hin. Die Geschichte lebt von dem Nervenkitzel, den der Gedanke verursacht, dass ganz normale Menschen die abscheulichsten Geheimnisse haben könnten und man eben nicht in seine Nachbarn oder sogar Freunde und Familie hineinsehen kann. Dagegen kommt das Buch fast gänzlich ohne blutige Beschreibung der Taten oder Tatorte aus, die Grausamkeit wird stets nur angedeutet. Der Horror spielt sich hier auf einer anderen Ebene, der der zwischenmenschlichen Beziehungen, ab. Hierzu passt, dass sogar Millicent für den Erzähler genauso undurchsichtig bleibt wie für die Leser, obwohl die beiden eine liebevolle Beziehung führen.
An dieser Stelle eine Anmerkung zum Cover: Ich finde es gelungen, man erkennt in der Mimik der Frau Millicent wieder. Was mich aber sehr stört: Immer und immer wieder wird im Buch beschrieben, dass sie rote Haare hat (wie auf dem englischen Cover auch dargestellt). Die Frau auf dem deutschen Cover ist aber eindeutig blond. Einerseits ist es nur eine Kleinigkeit, aber andererseits finde ich es umso weniger verständlich, dass man dann bei der Wahl des Models von der Beschreibung im Buch so bewusst abweicht. Wie viel mehr Aufwand wäre es gewesen eine rothaarige Frau abzubilden?
So gut mir das Buch insgesamt gefallen hat, gibt es doch noch weitere kleine Kritikpunkte. Überwiegend war die Handlung intelligent konstruiert, immer wieder gab es unerwartete Wendungen, die der Geschichte neue Facetten gegeben haben. Die Auswirkungen des Handelns des Paars auf verschiedene Menschen in ihrem Umfeld zeigen, dass die Autorin sich intensiv Gedanken gemacht hat, bevor sie das Buch geschrieben hat. Dennoch gibt es auch immer wieder Schwächen in den Plänen und kleinere Logikfehler. Am meisten haben mich die allerletzten Sätze des Buches gestört, die nochmal eine Wendung enthalten, die schockieren soll, aber für mich nicht richtig glaubwürdig war. Ich kann hier natürlich nichts dazu verraten, aber ich finde, dass die Person, um die es geht, für ihr Handeln über die ganze Geschichte hinweg etwas gegensätzliche Motive hatte und nachdem man das Gefühl hatte, dass es das eine war, das sie angetrieben hat, wird dann doch wieder das andere ins Spiel gebracht, was meiner Meinung nach nicht nötig gewesen wäre. Außerdem hat man einige große Offenbarungen lange vorausgeahnt. Sprachlich haben immer wieder kleinere Übersetzungsfehler gestört, z.B. auf S. 410f.: "Ich sehe mir die Bilder an, die ich vom Haus gemacht habe." Im Original muss "that I have taken" gestanden haben, was ambig ist; hier ist aber eindeutig gemeint, dass die Bilder aus dem Haus mitgenommen wurden.
Dennoch empfehle ich das Buch gerne weiter und freue mich schon auf den nächsten Thriller der Autorin, den ich aber vielleicht lieber im Original lesen werde.