Platzhalter für Profilbild

heleneM22

Lesejury Profi
offline

heleneM22 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit heleneM22 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.10.2019

In einem Atemzug gelesen und atemlos zurückgeblieben.

ATME!
0

3,5 Punkte

Dieser Psychothriller liess mich etwas zwiegespalten und auch etwas verstört zurück.

Worum geht es: Nile liebt Ben. Dieser steht kurz vor der Scheidung von seiner Ex-Frau Flo. Danach wollen ...

3,5 Punkte

Dieser Psychothriller liess mich etwas zwiegespalten und auch etwas verstört zurück.

Worum geht es: Nile liebt Ben. Dieser steht kurz vor der Scheidung von seiner Ex-Frau Flo. Danach wollen Nile und Ben heiraten. Nile probiert gerade ein Hochzeitskleid an. Als sie aus der Umkleidekabine tritt, ist Ben plötzlich verschwunden. Auch telefonisch kann sie ihn nicht mehr erreichen. Sie beginnt ihn verzweifelt zu suchen...

Viel mehr kann ich zum Inhalt gar nicht schreiben, ohne zu spoilern.

Als Leser ist man ganz nah bei Nile, man lauscht ihrem inneren Monolog und begleitet sie auf ihrer Suche. Nile reagiert sehr aufgeregt, panisch und schon etwas übertrieben auf das Verschwinden von Ben. Als sie Bens Freunde und Familie kontaktiert, verhalten diese sich sehr abweisend und unfreundlich, so dass man sich schon etwas wundert. Nile war Bens Affaire, sind deshalb alle so sauer auf sie, weil sie sich in die langjährige Ehe "gedrängt" hat?

So nach und nach entwickelte ich auch leichte Hassgefühle auf Nile, aber auch Fremdscham aufgrund ihres Verhaltens und auch Mitleid. Gerade zu Anfang war sie mir sehr unsympathisch. Irgendwann verstand ich sie mitsamt ihrer Angst, der Panikattacken und sozialen Phobie ein wenig mehr. Einige Verhaltensweisen haben mich dabei überzeugt, andere weniger. Mehr kann ich auch hier nicht schreiben, ohne zu spoilern.

Thematisch geht es neben der Suche nach der Wahrheit um Ehebruch und Affairen, um Eifersucht und Kontrolle sowie um Angst und Gewalt in den verschiedensten Ausprägungen.

Der Thriller entwickelt im Fortgang einen großen Sog, dem ich mich kaum entziehen konnte. Es war spannend und ich wollte unbedingt wissen, was nun tatsächlich passiert ist. Aber nicht nur deshalb begann ich, einige Absätze zu überlesen. Es war nämlich teilweise sehr gruselig, so nah in der Gefühlswelt von Nile zu sein. Ich konnte es teilweise schlecht aushalten, in diesem fahrigen Gedankenkarussel der sehr hektischen und von Panikattacken bedrohten Nile mitzufahren.

Die Sprache ist einfach gehalten, häufige kurze Sätze halten das Tempo hoch und es gibt überraschende Wendungen. Das Ende jedoch kommt nicht überraschend, da es schon eine der verschiedenen durchscheinenden Optionen war. Die Art und Weise, wie die Autorin das Ende literarisch umgesetzt hat, brachte mich allerdings zum Schmunzeln.

Fazit: Ein spannender und etwas gruseliger Psychothriller, auf den man sich einlassen muss, manchmal wenig glaubhaft, aber nah am Wahnsinn

Veröffentlicht am 01.10.2019

Ein Roman mit Stärken und Schwächen

Der Sprung
0

3,5 Punkte

"Den Sprung hat sie von ihrem Erzeuger [...] Der wusste auch nicht, wohin mit seiner Energie, und ständig musste man ihm aus irgendeinem Schlamassel helfen." (S.241)

Ich hatte hohe Erwartungen, ...

3,5 Punkte

"Den Sprung hat sie von ihrem Erzeuger [...] Der wusste auch nicht, wohin mit seiner Energie, und ständig musste man ihm aus irgendeinem Schlamassel helfen." (S.241)

Ich hatte hohe Erwartungen, doch leider hat mich der Roman ein wenig enttäuscht, obwohl er wirklich sehr gut beginnt, sprachlich und vom Aufbau gefällt sowie viele gute Gedanken bereithält.

Worum geht es: Eine Frau steht auf dem Dach eines Mietshauses und will springen. Die Polizei ist alarmiert und eine Menge Schaulustiger sind versammelt. Es beginnt einem Volksfest zu gleichen. Man lernt verschiedene Personen kennen, die auf irgendeine Art und Weise mit dem Geschehen in Berührung kommen. Felix, der Polizist, der sich eines alten Traumas bewusst wird. Egon, der seine Arbeit in der Fabrik hasst und seinem alten Hutgeschäft nachtrauert. Die Eheleute Theres und Werner, deren kleiner Laden langsam pleite geht. Maren, deren Ehemann sich sehr verändert hat und kein Interesse mehr an ihr zeigt. Finn, der Fahrradkurier, der aus Berlin geflüchtet ist und der sich in die etwas eigene Gärtnerin Manu verliebt hat. Winni, die in der Schule aufgrund ihres Aussehens gemobbt wird und noch einige andere.

Je Kapitel befindet sich eine der Personen im Mittelpunkt. Sie alle sind mit dem Geschehen auf dem Dach in irgendeiner Weise verbunden bzw. stehen irgendwie in Kontakt miteinander.

Um bei dieser Vielzahl an Figuren nicht durcheinander zu geraten, schrieb ich mir nebenbei die Namen auf. Das klappte dann ganz gut. Diese recht verschiedenen Figuren nahmen mich sehr gefangen. Viele sind einsam, werden nur in ihren wenigen Beziehungen sichtbar. Die meisten von ihnen müssen mit schwierigen Lebenssituationen, mit Krisen und Verlusten umgehen.

Die Unvollkommenheit der Welt wird aufgezeigt und gleichzeitig Trost gespendet, dass es anderen doch ähnlich geht.

Sehr deutlich lenkt die Autorin den Blick auf Unstimmigkeiten unserer Gesellschaft. Sie kritisiert Polizei und Politiker, die Sensationslust, das Ergötzen am Leid anderer, die fehlende Empathie und Gleichgültigkeit der Menschen. Sie beleuchtet Beziehungen und das Verhalten Einzelner in Krisensituationen. Aufgrund der Vielzahl von Menschen gibt es natürlich eine Vielzahl von Themen und eine Fülle an Gedanken.

Es ist sehr kurzweilig geschrieben, amüsant, an einigen Stellen, besonders zu Anfang auch berührend sowie nachdenklich machend.

Was mich leider gar nicht überzeugt hat und aus dem Roman wieder heraus katapultiert hat, waren die Gründe, warum die Frau – über Stunden - auf dem Dach stand. Das fand ich sehr, sehr unrealistisch! Und das als Herzstück des Romans...nein, nein, nein. Schade!

Auch fand ich den Transport der Gedanken zuweilen sehr holzhammermäßig, sehr laut, sehr überdeutlich. Manche Szenen erschienen zudem sehr übertrieben/überdreht oder auch etwas kitschig.

Fazit: Der Roman hat gute Seiten und weniger gute Seiten. Dennoch hat der Roman mich gut unterhalten, hat einige einprägsame Figuren erschaffen und einen interessanten Blick auf unsere heutige Gesellschaft geworfen, so dass ich ihn letztendlich doch empfehle..:)

"Wenn du gut leben willst, musst du ein verdammt guter Verlierer sein." (S.110).

Veröffentlicht am 01.10.2019

Urkomisch und rührend

An Nachteule von Sternhai
0

Nach viel ernster Lektüre brauchte ich ein lustiges Buch und fand es in diesem Kinder-/ Jugend-/ All-Age Buch.

Dieser Roman brachte mich gleichzeitig zum Lachen und zum Weinen (aus Berührtheit). Passiert ...

Nach viel ernster Lektüre brauchte ich ein lustiges Buch und fand es in diesem Kinder-/ Jugend-/ All-Age Buch.

Dieser Roman brachte mich gleichzeitig zum Lachen und zum Weinen (aus Berührtheit). Passiert mir sehr selten beim Lesen. Vielleicht war ich an dem Tag auch besonders anfällig...:)

Schon gleich nach den ersten Seiten war ich verzückt. Es trägt ein wenig den "Doppelte Lottchen" Charme und ist doch ein klein wenig anders. Diese beiden 12 jährigen Mädchen....mein Herz wurde butterweich, ich fand sie einfach soo rührend. So authentisch wie Kinder halt sind. Liebenswert, naiv, ehrlich. Beide sind in ihrem Charakter und ihren Vorlieben dennoch recht verschieden. Bett, die Wilde, liebt Tiere über alles. Avery ist eher ängstlich, aber sehr belesen. Die beiden wohnen 500 km voneinander entfernt.

Ihre Väter haben sich ineinander verliebt und wollen die Töchter in ein gemeinsames Sommercamp stecken, so dass sie sich anfreunden können und der Hochzeit nichts im Wege steht. Bett und Avery sind von allem erstmal gar nicht begeistert. Um die Pläne der Väter zu durchkreuzen, beginnen sie sich in E-Mails auszutauschen. Diese zu lesen, macht einfach nur Freude und ist urkomisch!

Der ganze Roman besteht aus E-Mails und Briefen, wobei die meisten zwischen Avery und Bett gewechselt werden, aber auch ihre Väter, Betts Oma, Averys Mutter oder auch die Campleiter und Erzieher kommen zu Wort. Das ist vielleicht ein klein wenig anstrengend zu lesen, da man gut darauf achten muss, wer nun wem schreibt.

Der Roman ist dennoch sehr kurzweilig geschrieben und es gibt überraschende Wendungen. Man braucht aber auch etwas Durchhaltevermögen, da die erzählte Zeit ca. 1-2 Jahre umfasst. Vielleicht wäre es insgesamt etwas runder gewesen, hätte man hier etwas gekürzt. Andererseits fand ich den Verlauf auch nicht schlecht, weil so eine Entwicklung gezeigt werden konnte. Eine Entwicklung, die nicht dem typischen Happy End Roman entspricht, sondern ganz realistisch Familienbeziehungen, Liebesbeziehungen und Freundschaften betrachtet, die auch schwierige Phasen überstehen oder eben auch nicht überstehen.

Der Ton ist sehr modern, da immer wieder auf aktuelle Themen Bezug genommen wird, wie z.B. Umweltschutz und Regenbogenfamilien. Zudem macht das Buch Mut und ist mit viel positiven und aufmunternden Worten versehen.

Ich habe mich wunderbar amüsiert und empfehle das Buch gern für Leute zwischen 11 und 111 Jahren..:)

Veröffentlicht am 01.10.2019

Anregendes und sympathisches Kinderbuch

Jane Austen
0

Dieses Bilderbuch finde ich sehr besonders, weil es sich mit eher "Erwachsenenthemen" an Kinder richtet. Es ist Teil der Reihe: Little people BIG DREAMS, die nun ins Deutsche übersetzt wurde. Hier stehen ...

Dieses Bilderbuch finde ich sehr besonders, weil es sich mit eher "Erwachsenenthemen" an Kinder richtet. Es ist Teil der Reihe: Little people BIG DREAMS, die nun ins Deutsche übersetzt wurde. Hier stehen Frauen und auch einige Männer im Mittelpunkt, die als Kinder schon Träume und Wünsche hatten und dann in Folge Großes erreicht haben.
In diesem wird Jane Austen vorgestellt und man erhält einen Einblick in ihr Leben. Sie war schon als kleines Mädchen sehr bildungshungrig und wurde von ihrem Vater, entgegen der damaligen Konventionen, unterrichtet und gefördert. Sie las sehr viel und begann zu schreiben. Als junge Frau verliebte sie sich leider sehr unglücklich. Diese Erfahrungen verarbeitete sie in ihrem Roman Stolz und Voruteil, der dann unter einem Pseudonym veröffentlicht wurde.

Die Illustrationen gefielen mir gut, sie sind liebevoll, kindgerecht und aussagekräftig. Der jeweilige Text ist kurz, prägnant und verständlich. Er lädt zu Nachfragen der jungen Leser/innen ein. Grundsätzlich hätte ich mir ein paar Seiten mehr gewünscht, da ich das Ende nicht ganz rund finde und es als recht abrupt erlebte.
Zum Abschluss gibt es noch einen Fließtext für die Erwachsenen, der die Biographie Jane Austens zusammenfasst.
Das Buch macht Lust, sich Jane Austens Leben näher zu betrachten und ihre Romane zu lesen. Auch weckt es Neugier, sich mit Geschichte und Rollenbildern auseinanderzusetzen. Gleichzeitig macht es Mut, dem eigenen Weg zu folgen, auch wenn es schwierig ist.

Das Lesealter ist ab 4 Jahren angegeben. Allerdings werde ich das Buch meinen Kindern etwas später geben, im Grundschulalter etwa, wenn sie schon ein wenig mehr die historischen Hintergründe verstehen können. Zu alt kann man für dieses Buch eigentlich nicht sein, weil die Illustrationen schön sind, der Inhalt bewegt und anregt, sich darüber hinaus mit der Thematik zu beschäftigen.

Nun bin ich auf jeden Fall sehr gespannt auf die anderen Persönlichkeiten, die innerhalb dieser Reihe vorgestellt werden..:)

Veröffentlicht am 30.09.2020

Chancenungleichheit im Bildungsbereich

Streulicht
0

Shortlist Deutscher Buchpreis 2020

Ein junges Mädchen wächst in einem Frankfurter Industrieviertel auf. Ihre Mutter stammt aus der Türkei, ihr Vater aus einer deutschen Arbeiterfamilie.
Aus der Ich-Perspektive ...

Shortlist Deutscher Buchpreis 2020

Ein junges Mädchen wächst in einem Frankfurter Industrieviertel auf. Ihre Mutter stammt aus der Türkei, ihr Vater aus einer deutschen Arbeiterfamilie.
Aus der Ich-Perspektive erleben die Leserinnen nun die Dysfunktionalität ihrer Familie, nehmen am steinigen Bildungslebenslauf der namenlosen Protagonistin teil und erfahren Alltagsrassismus und Milieudeterminismus in Deutschland.

Die Familiensituation ist für das Mädchen sehr schwierig. Der Vater ist Fabrikarbeiter. In seiner (Nach-)Kriegsgeneration galt die Selbstbeschränkung als Pflicht. Eigene Wünsche lernte er nie zu formulieren. „Das ganze Leben meines Vaters war eine einzige Ersatzhandlung“. So hortet er massenhaft Dinge zu Hause und ist alkoholabhängig. Wenn er betrunken ist, wird er aggressiv und der Mutter gegenüber gewalttätig.

Das Innenleben der Hauptprotagonistin wird sehr nahbar dargestellt, so dass ich ihre Lebenswelt gut nachvollziehen sowie mitfühlen konnte. Sie tat mir oft sehr leid. Keiner hört ihr wirklich zu bzw. interessiert sich für sie. Sie hat keinerlei Unterstützung und wird immer wieder von anderen niedergedrückt. Zum Aufbegehren fehlt ihr die innere Stabilität.
Sie steht sowohl zu Hause ständig unter Anspannung als auch in der Schule. Sie möchte am liebsten unsichtbar sein. Sie wünscht sich weit weg und spürt stets eine „unsichtbare Wand zwischen [ihr] und dem Ort“ in dem sie lebt.
Ihrem Milieu zu entfliehen oder gar sich selbst zu entwickeln wird ihr kaum ermöglicht, wobei sie es dennoch beharrlich versucht. Insbesondere werden ihr von den verschiedensten Lehrer
innen immer wieder Steine in den Weg gelegt. Auch wird sie von der Mittelschicht, dem Bildungsbürgertum weder wirklich angenommen noch akzeptiert.
Zudem sieht sie sich, aufgrund ihres Namens und ihres Aussehens von klein auf, obwohl sie eine Deutsche ist, ständig mit rassistischen Anfeindungen konfrontiert. Zur türkischen Community besteht überhaupt kein Kontakt und auch der Sprache ihrer Mutter ist sie kaum mächtig.

Diese Darstellung des Mädchens, welches zur jungen Frau heranwächst, überzeugte mich sehr, die Darstellung ihrer Familienstruktur jedoch nicht immer. Ich fand es nicht so ganz überzeugend, dass der Vater als langjähriger Alkoholiker dennoch seiner regelmäßiger Arbeit nachgehen konnte. Auch die Mutter wurde einerseits als sehr fleißig, emsig, tätig schaffend dargestellt, andererseits wurde immer wieder vom teils verwahrlosten, staubbeschichteten, überall nach Rauch riechenden Haushalt berichtet. Auch konnte ich die Freundschaften, die hier zwar nicht wirklich tief und gleichrangig, aber dennoch langjährig bestanden, nicht so ganz nachvollziehen, da schienen mir die Herkünfte doch zu unterschiedlich.

Die Chancenungleichheit im Bildungswesen wurde sehr gut herausgearbeitet. An den Lehrer*innen wurde dabei kaum ein gutes Haar gelassen, was mir nach der zigsten Wiederholung dann doch etwas übertrieben vorkam. Überhaupt gab es insgesamt so gut wie keine positiven Aspekte, da die Autorin in negativen Zustandsbeschreibungen verbleibt. Auch dies blieb für mich letztlich unbefriedigend, da mir die beschriebenen Prozesse sehr bekannt sind und mich eher Lösungsorientierungen interessieren.

Sprachlich ist der Roman reich an Metaphern und Umschreibungen. So gelangen einerseits sehr schöne Bilder und kluge Beobachtungen, andererseits geriet es etwas schwafelnd und zu detailreich an Umgebungsbeschreibungen, die mich schlichtweg langweilten. Insgesamt ist der Spannungsbogen nicht sehr hoch. Der Ton ist sehr ruhig, die Atmosphäre düster, schwermütig, trüb und trist.

Fazit: Ein ruhiger Roman, der durch eine metaphernreiche Sprache auffällt und altbekannte jedoch aktuelle Themen wie die Chancenungleichheit im Bildungssektor sowie Alltagsrassismus nachvollziehbar abbildet. Für Menschen, die sich noch nicht damit auseinandergesetzt haben empfehlenswert sowie für Menschen, denen ähnliches widerfahren ist und sich wiedererkennen möchten.
3,5/5