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Veröffentlicht am 21.10.2019

Die Weltreisende und der Zeitreisende

Die schönste und die traurigste aller Nächte
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Brasilien im Dezember 1997: Auf dem Abschlussball traut sich Victor endlich, die 17-jährige Amanda zu küssen. Für beide fühlt es sich wie der Beginn einer großen Liebe an. Sie sind sich sicher, dass sie ...

Brasilien im Dezember 1997: Auf dem Abschlussball traut sich Victor endlich, die 17-jährige Amanda zu küssen. Für beide fühlt es sich wie der Beginn einer großen Liebe an. Sie sind sich sicher, dass sie füreinander bestimmt sind. Doch wegen des Berufs von Amandas Vater zieht ihre Familie oft um und sie muss nun erneut ihre Zelte abbrechen. Victor kann in der Zeit hin- und herspringen, je nachdem ob er glücklich oder traurig ist. Dennoch verlieren sich beide aus den Augen. 20 Jahre später lebt Victor auf einem Weingut im Süden Brasiliens. Er hat sich einiges aufgebaut, aber er kann Amanda nicht vergessen. Sein Herz ist seit jener Nacht gebrochen…

„Die schönste und die traurigste aller Nächte“ ist ein fantasievoller Liebesroman von Maurício Gomyde.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 87 recht kurzen Kapiteln. Der Roman spielt in unterschiedlichen Jahren und an verschiedenen Schauplätzen. Durch Orts- und Zeitangaben zu Beginn der Kapitel fällt die Orientierung allerdings nicht schwer. Die Geschichte wird sowohl aus der Sicht von Amanda als auch von Victor erzählt – und zwar jeweils in der Ich-Perspektive. Eingestreut sind zwischen den Kapiteln immer wieder kurze Aussagen über das Glück. Der Aufbau wirkt gut durchdacht.

Der Schreibstil ist einfühlsam, anschaulich und dank viel wörtlicher Rede lebhaft. Zu Beginn wirft der Roman einige Fragen auf und macht gleich neugierig. Obwohl vieles erst einmal unklar bleibt, bin ich gut in die Geschichte gekommen.

Mit Amanda und Victor stehen zwei sympathische Protagonisten im Vordergrund. Anfangs tat ich mich noch ein wenig schwer damit, mir von ihnen ein genaues Bild zu machen, doch die Gedanken- und Gefühlswelt der beiden wird schon nach wenigen Kapiteln gut nachvollziehbar. Zudem gibt es einige interessante Nebencharaktere.

Meine Aufmerksamkeit hatte der Roman vor allem wegen des Zeitreisen-Aspektes. Die Vorstellung, dass Victor – je nach Gefühlslage – in die Zukunft oder Vergangenheit springen kann, hat mich angesprochen. Die Idee birgt viel Potenzial für eine kreative Geschichte. Und die Umsetzung hat mich im Großen und Ganzen überzeugt. Der fast 400 Seiten umfassende Roman kann mit einigen Überraschungen aufwarten. Immer wieder kommen spannende Momente auf. Trotzdem sind einige Passagen ein wenig langatmig geraten.

Positiv anzumerken ist, dass es der Roman vermeidet, ins Kitschige abzudriften. Andererseits konnte er mich emotional jedoch nicht so berühren wie beispielsweise „Die Frau des Zeitreisenden“.

Ein Blick lohnt sich auch in den Anhang des Buches. Dort sind die „Literarischen Glückskekse“ und weitere Zitate zu finden.

Das Cover der broschierten Ausgabe gefällt mir sehr. Im Inneren wird die hübsche Gestaltung aufgegriffen. Der Titel ist schon beinahe etwas poetisch, weckt die Neugier und ist ebenfalls treffend gewählt.

Mein Fazit:
„Die schönste und die traurigste aller Nächte“ von Maurício Gomyde ist trotz kleinerer Schwächen ein empfehlenswerter Liebesroman von Maurício Gomyde. Die Geschichte mit ihrer kreativen Grundidee konnte mich gut unterhalten. Eine ungewöhnliche Lektüre, die sich angenehm von anderen ihres Genres abhebt.

Veröffentlicht am 09.10.2019

Alte Sünden

Melmoth
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Es ist Winter in Prag und die Übersetzerin Helen Franklin (42) ist gerade zu Fuß in der Stadt unterwegs, als sie auf Dr. Karel Pražan, einen guten Freund, trifft. Er hat ein seltsames, in deutscher Sprache ...

Es ist Winter in Prag und die Übersetzerin Helen Franklin (42) ist gerade zu Fuß in der Stadt unterwegs, als sie auf Dr. Karel Pražan, einen guten Freund, trifft. Er hat ein seltsames, in deutscher Sprache verfasstes Manuskript dabei, das das Leben der Engländerin verändern wird. Es handelt von Melmoth, einer mysteriösen Frau in Schwarz. Laut einer Legende ist sie dazu verdammt, ewig über die Erde zu wandeln. Helen findet Hinweise auf Melmoth in geheimnisvollen Briefen und Tagebüchern. Sie fühlt sich verfolgt. Doch gibt es die Gestalt wirklich? Und, falls ja, was hat diese mit Helens Vergangenheit zu tun?

„Melmoth“ ist ein Roman von Sarah Perry.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit einem Prolog, der aus einem mysteriösen Brief besteht. Im Anschluss ist die Geschichte in drei Teile untergliedert. Erzählt wird aus der Perspektive eines auktorialen Erzählers, der den Leser immer wieder persönlich anspricht und einige Vorausdeutungen macht. Darüber hinaus gibt es auch eine Geschichte in der Geschichte, da auch Teile des Manuskripttextes enthalten sind. Und es sind ein Auszug aus einem Tagebuch, Briefe und andere Quellen eingefügt. Die Struktur des Romans ist also recht komplex. Dennoch erschließt sich der Aufbau schnell.

Der besondere Schreibstil konnte mich begeistern. Die bildgewaltige und poetische Sprache sind eine große Stärke des Romans, der atmosphärisch dicht ist. Viele Metaphern und Symbole sind im Text zu finden. Ein aufmerksames Lesen empfiehlt sich. Allerdings fiel mir der Einstieg in die Geschichte nicht schwer.

Im Vordergrund stehen drei Protagonisten. Neben Helen und Karel spielt der Deutsche Josef Adelmar Hoffmann eine wichtige Rolle, der das Manuskript geschrieben hat. Die Charaktere sind allesamt etwas sonderbar und speziell, aber auch interessant.

Inhaltlich verfügt das Buch zwar über viel Tiefe, hat mich jedoch zum Teil ein wenig enttäuscht. An einigen Stellen fällt die zuvor aufgebaute Spannung immer wieder ab und die Handlung wird langatmig. Thematisch finde ich den Roman darüber hinaus leider etwas überfrachtet, vor allem angesichts der recht überschaubaren Anzahl von kaum mehr als 300 Seiten. Gleichwohl kann mich die Grundthematik der Geschichte begeistern. Die Sagengestalt Melmoth ist zwar in der Literatur keine gänzlich neue Figur. Dennoch ist sie ein reizvolles Sujet. Gut gefallen hat mir auch, dass die Aspekte Schuld und Sühne ebenfalls im Fokus stehen. Insgesamt hatte ich allerdings den Eindruck, dass die Autorin ein bisschen zu viel wollte und daher noch einiges mehr nur anreißt, was die Lektüre bisweilen verwirrend macht.

Optisch ist die gebundene Ausgabe ein äußerst hübsches Schmuckstück. Die etwas düstere und doch sehr geschmackvolle Gestaltung passt gut. Schön finde ich auch, dass sich das Federmotiv nicht nur auf dem Schutzumschlag findet. Der prägnante Titel bietet sich an und wurde 1:1 vom englischsprachigen Original übernommen.

Mein Fazit:
„Melmoth“ von Sarah Perry ist ein in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlicher Roman. Zwar konnte mich die Geschichte nicht in allen Punkten überzeugen. Dennoch wird die Lektüre wohl noch einige Zeit nachhallen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Geschichte
  • Figuren
Veröffentlicht am 04.10.2019

Der Alptraum einer Mutter

Kalte Wasser
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Lauren Tranter hat gerade in einer Klinik in Großbritannien entbunden. Doch kaum sind die Zwillinge, die Jungen Riley und Morgan, auf der Welt, beginnt ihr ganz persönlicher Alptraum. Noch im Krankenhaus ...

Lauren Tranter hat gerade in einer Klinik in Großbritannien entbunden. Doch kaum sind die Zwillinge, die Jungen Riley und Morgan, auf der Welt, beginnt ihr ganz persönlicher Alptraum. Noch im Krankenhaus erscheint eine Frau mitten in der Nacht an ihrem Bett und will ihr einen schrecklichen Deal aufzwingen: Lauren soll eines ihrer Kinder gegen eines der Frau austauschen. Zwar kann sich Lauren mit ihren Zwillingen noch in die Toilette retten und dort die Polizei rufen. Dann jedoch werden ihre Kinder entführt. Niemand nimmt Laurens Aussagen ernst. Nur eine junge Polizistin, Detective Sergeant Joanna Harper, glaubt ihr. Aber hat sich wirklich alles so zugetragen und was hat es dann damit auf sich? Will man Lauren bewusst in den Wahnsinn treiben? Oder wird sie tatsächlich allmählich verrückt?

„Kalte Wasser“ ist der Debütroman von Melanie Golding.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 43 Kapiteln, denen ein spannender Prolog vorangestellt ist. Erzählt wird vorwiegend aus der Sicht von Lauren, aber auch der von Harper. Die Handlung umfasst einen Zeitraum zwischen dem 13. Juli und dem 10. Oktober. Orts- und Zeitangaben zu Beginn der Kapitel erleichtern die Orientierung. Ab und an sind Zitate aus literarischen Werken, Mythen, Märchen und Liedern eingefügt. Dieser Aufbau funktioniert sehr gut.

Der Schreibstil ist anschaulich und detailliert. Nach dem Prolog braucht die Geschichte ein wenig Zeit, um Fahrt aufzunehmen. Dann aber konnte mich der Roman packen.

Die Protagonisten bleiben insgesamt ziemlich undurchsichtig, was die Spannung aufrechterhält. Niemand außer der Polizistin kommt sehr sympathisch rüber, was mich allerdings nicht gestört hat.

Die recht kreative Grundthematik der Geschichte hat mir gut gefallen. Zwar wird hier mit Ängsten vieler Leser gespielt, zum Beispiel vor einer Kindesentführung. Dennoch werden auch alltäglichere Probleme wie postnatale Störungen und die psychische Gesundheit thematisiert, was durchaus Denkimpulse geben kann.

Der Autorin gelingt es, einige falsche Fährten auszulegen. So wird die Spannung größtenteils bis zum Schluss erhalten, obwohl auf blutige Grausamkeiten und derartiges bewusst verzichtet wird. Nur streckenweise ist mir der fast 400 Seiten umfassende Roman ein wenig zu langatmig. Die Auflösung wirkt schlüssig, aber das Ende lässt auch noch Raum für eigene Interpretationen und Überlegungen. Interessant ist in diesem Zusammenhang das mit „Liebe Leserin, lieber Leser“ beginnende Nachwort der Autorin, in dem sie erklärt, was sie dazu bewegt hat, dieses Buch zu schreiben.

Das ansprechend gestaltete Cover passt gut. Die deutsche Version weicht bei Optik und Titel von der britischen Originalausgabe („Little Darlings“) ab, was ich in diesem Fall jedoch nachvollziehen kann.

Mein Fazit:
„Kalte Wasser“ von Melanie Golding ist ein mystisch angehauchter Spannungsroman, der für fesselnde Unterhaltung sorgt. Eine empfehlenswerte Lektüre für alle, die nicht viel Blutvergießen brauchen, um auf ihre Kosten zu kommen.

Veröffentlicht am 04.10.2019

Weniger erholsam als gedacht

Herzkur
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Verena Teenkamp ist mit den Nerven am Ende. Ehemann Rainer hat ihr eröffnet, dass er eine Auszeit von der Familie braucht, und sich für mindestens ein Jahr nach Jordanien versetzen lassen. Nun steht die ...

Verena Teenkamp ist mit den Nerven am Ende. Ehemann Rainer hat ihr eröffnet, dass er eine Auszeit von der Familie braucht, und sich für mindestens ein Jahr nach Jordanien versetzen lassen. Nun steht die 38-Jährige mit den gemeinsamen Töchtern Ella (10) und Anni (7) alleine da. Neben der psychischen Belastung durch die kriselnde Ehe zehren ihr Job als Vermessungsingenieurin, der Haushalt in dem Eigenheim in Bonn und die Kinder – trotz der Mithilfe ihrer Mutter – an ihren Kräften. Daher stimmt sie schließlich der Idee zu, eine dreiwöchige Mutter-Kind-Kur in einer Klinik auf Fehmarn zu machen. Doch worauf hat sie sich da nur eingelassen? Um sie herum sind 50 andere, kaum zu ertragende Frauen und ihre nervigen Kinder. Dann aber wird die Kur noch weitaus erfreulicher und aufregender als gedacht...

„Herzkur“ ist der Debütroman von Julia Greve.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus mehr als 20 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Erzählt wird im Präsens in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Verena. Abgesehen von wenigen kurzen Rückblenden ist der Roman chronologisch aufgebaut.

Der Schreibstil ist locker und anschaulich. Positiv aufgefallen sind mir die authentisch klingenden Dialoge, wodurch der Roman sehr lebhaft wird. Negativ machen sich ungewöhnlich viele (Tipp-)Fehler bemerkbar, die den Lesefluss allerdings nur geringfügig stören. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir leicht.

Mit Verena steht eine Protagonistin im Vordergrund, die mir zwar nicht sofort, aber zunehmend sympathisch war. Ihre Entwicklung habe ich gerne verfolgt. Etliche der übrigen Figuren wirken zu Beginn etwas klischeehaft, werden im Verlauf der Geschichte jedoch vielschichtig und glaubhaft dargestellt.

Gehofft habe ich auf eine humorvolle und unterhaltsame Handlung – und wurde keinesfalls enttäuscht. Die Geschichte konnte mich emotional berühren und brachte mich mehrfach zum Schmunzeln. Trotz der annähernd 400 Seiten kommt beim Lesen keine Langeweile auf. Zwar sind Teile der Geschichte vorhersehbar, doch an anderen Stellen kann der Roman überraschen.

Wie nicht anders zu erwarten, steht das Liebesleben von Verena zwar im Vordergrund. Allerdings kommen auch andere Themen nicht zu kurz, sodass die Geschichte nicht kitschig und zu seicht wird. Besonders interessant empfand ich die lehrreichen Passagen, in dem es um Bernsteine geht. Nicht nur an diesem Punkt wird deutlich, dass die fiktive Handlung auf Recherchen und eigenen Erlebnissen der Autorin beruht. Das verleiht ihr viel Authentizität. Ein Pluspunkt ist für mich außerdem, dass das Buch eine Botschaft vermittelt: Es lädt dazu ein, sich nicht auf Vorurteile und den ersten Eindruck zu verlassen.

Das Design des liebevoll gestalteten Covers wirkt etwas altbacken, passt aber ganz gut. Gut gefallen hat mir, dass das Möwen-Motiv im Inneren aufgegriffen wird. Der genretypische Titel ist prägnant formuliert.

Mein Fazit:
„Herzkur“ von Julia Greve ist ein unterhaltsamer Roman mit viel Witz, der mir schöne Lesestunden bereitet hat. Empfehlenswert vor allem für diejenigen, die eine leichte, aber nicht gänzlich anspruchslose Lektüre suchen. Ich werde mir sicherlich auch die nächsten Bücher der Autorin anschauen.

Veröffentlicht am 27.09.2019

Die junge Frau auf dem Dach

Der Sprung
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Ein Dienstagmorgen in der mittelgroßen Stadt Thalbach bei Freiburg: Oben auf dem Dach eines Mietshauses steht eine junge Frau. Sie tobt, reißt die Ziegel aus ihrer Verankerung und wirft Gegenstände vor ...

Ein Dienstagmorgen in der mittelgroßen Stadt Thalbach bei Freiburg: Oben auf dem Dach eines Mietshauses steht eine junge Frau. Sie tobt, reißt die Ziegel aus ihrer Verankerung und wirft Gegenstände vor die Füße der zahlreichen Schaulustigen. Polizei, Krankenwagen, Feuerwehr und Presse haben sich postiert. 20 Stunden lang hält die Stadt den Atem an: Wird die junge Frau noch springen? Für Finn Holzer, einen Fahrradkurier, ist der Vorfall ein großer Schock. Erst vor Kurzem hat er sich in die junge Frau verliebt. Auch die Schicksale einiger anderer Menschen werden von diesem Vorfall beeinflusst.

„Der Sprung“ ist ein Roman von Simone Lappert.

Meine Meinung:
Der Roman ist trefflich konstruiert. Er besteht aus drei Teilen, die mit „Der Tag davor“, „Erster Tag“ und „Zweiter Tag“ bezeichnet werden. Darüber hinaus ist er in viele eher kurze Kapitel untergliedert, die jeweils mit dem Namen des Protagonisten überschrieben sind, dessen Sichtweise der Leser im Folgenden kennenlernt. Erzählt wird aus der Perspektive von insgesamt zehn Personen. Dadurch entsteht eine ungewöhnlich große Anzahl an Erzählsträngen, die jedoch miteinander verbunden sind. Der Aufbau ist sehr gut durchdacht.

Gut gefallen hat mir auch der unaufgeregte Schreibstil. Die Sprache ist poetisch und geprägt von vielen, teils ungewöhnlichen Bildern, die eine dichte Atmosphäre erzeugen. Ein aufmerksames Lesen ist gefragt, denn die Autorin versteht es, immer wieder kleine, aber wichtige Hinweise einzustreuen. Obwohl die Geschichte nur langsam an Fahrt aufnimmt, hat mich der Roman bereits nach wenigen Seiten gefesselt.

In der Geschichte taucht eine Vielzahl an Personen auf. Zunächst einmal wäre da die junge Frau auf dem Dach, die der Leser aber nur aus der Perspektive der anderen kennenlernt. Sie ist ein reizvoller Charakter, für mich allerdings weder Identifikationsfigur noch Sympathieträgerin. Auch die zehn Protagonisten, aus deren Sicht erzählt wird, sind interessante Figuren. Die meisten von ihnen sind vielschichtig angelegt und wirken authentisch. Einige wenige dagegen werden klischeehaft und überspitzt dargestellt. Die Vielfalt an Personen ermöglicht es, ein breites gesellschaftliches Spektrum abzudecken. So werden interessante Verbindungen aufgezeigt und veranschaulicht, wie die Leben ganz unterschiedlicher, zum Teil sich fremder Menschen miteinander zusammenhängen können. Insgesamt wirkt der Roman dadurch allerdings etwas zu überfrachtet, weshalb ich mir eine Fokussierung auf weniger Protagonisten gewünscht hätte.

Auch inhaltlich ist die Geschichte vielseitig gestaltet. Die junge Frau auf dem Dach bildet lediglich die Rahmenhandlung. Den meisten Raum nehmen die unterschiedlichen Schicksale und Lebensgeschichten der anderen Protagonisten sowie deren menschliche Abgründe ein. Einige konnten mich mal mehr, andere aufgrund der recht schnellen Perspektivwechsel mal weniger berühren. Mit den verschiedenen Personen geht ein Kaleidoskop an Themen einher, was die Lektüre abwechslungsreich macht. In etlichen Details wird deutlich, dass die Autorin viel Energie in die Recherche gesteckt hat.

Der Roman basiert auf einem wahren Ereignis und dessen Umständen, die Simone Lappert nachhaltig beschäftigt haben. Schonungslos zeigt sie in der Geschichte den Voyeurismus und seine Motive auf. Bei anderen Fehlentwicklungen legt sie ebenfalls den Finger in die Wunde. Aber auch über diesen Punkt hinaus schafft es der Roman immer wieder, zum Nachdenken anzuregen. Insofern steckt in ihrem Buch eine Menge Gesellschaftskritik. An einigen Stellen wirkt die Handlung jedoch etwas zu plakativ und übertrieben.

Das verlagstypische, künstlerische Cover hat wenig Aussagekraft, ist aber nicht unpassend. Der Titel, dessen Mehrdeutigkeit sich während der Lektüre offenbart, ist sehr treffend.

Mein Fazit:
Mit „Der Sprung“ ist Simone Lappert trotz kleinerer Schwächen ein in mehrfacher Hinsicht besonderer und lesenswerter Roman gelungen, der mehr als nur unterhält.