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Veröffentlicht am 04.10.2019

Eine Liebesgeschichte, die zunehmend dramatisch wird

Dieser eine Augenblick
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Charlotte ist Ende Zwanzig und arbeitet als Kellnerin in Los Angeles, weil sie den richtigen Beruf für sich trotz mehrerer Anläufe noch immer nicht gefunden hat. Auch in der Liebe hatte sie bisher kein ...

Charlotte ist Ende Zwanzig und arbeitet als Kellnerin in Los Angeles, weil sie den richtigen Beruf für sich trotz mehrerer Anläufe noch immer nicht gefunden hat. Auch in der Liebe hatte sie bisher kein Glück, keine Beziehung hat länger als ein Jahr gehalten. Eines Abends trifft sie auf den Künstler Adam, der sein Handy zu Hause vergessen und sich verlaufen hat. Sie zeigt ihm den Weg und die beiden verbringen anschließend eine magische Nacht miteinander. In dieser beginnt er irgendwann, sie über ihre mehrjährige Beziehung auszufragen. Charlotte lässt sich darauf ein und erfindet im Frage-Antwort-Spiel eine romantische Liebesgeschichte. Doch am nächsten Morgen ist Adam sauer und will sie nicht mehr sehen. Charlotte kann ihn jedoch nicht vergessen. Als sie die Wahrheit über ihn erfährt, trifft sie eine Entscheidung, die ihr Leben komplett auf den Kopf stellt.

Das Buchcover gefällt mir mit seinen Wunderkerzen richtig gut und der Einstieg in die Geschichte ist mir dank des fluffigen Schreibstils der Autorin leicht gefallen. Charlotte lernt man als Frau kennen, die auf ihre Zwanziger zurückblickt und feststellt, dass sie weder Beruflich noch in der Liebe bislang sonderlich erfolgreich war. Immerhin hat sie ihre beste Freundin Helen, mit ihr durch dick und dünn geht. Sie lebt zusammen mit ihr in einer WG und arbeitet im selben Restaurant. Im Gegensatz zu Charlotte ist sie sprunghaft und lässt nichts anbrennen. Als Charlotte dem sympathischen Adam begegnet ermutigt Helen sie dazu, mit ihm die Nacht zu verbringen.

Dass mit Adam etwas nicht stimmt war mir als Leserin nach wenigen Seiten klar. Er ist auffällig vergesslich und hat in seiner Wohnung überall Post-Its kleben, die ihn an grundlegende Dinge erinnern. Charlotte scheint sich dabei jedoch nicht viel zu denken und hält seine Fragen nach ihrer Beziehung für ein Rollenspiel. Als er ihr am nächsten Morgen vorwirft, ihn angelogen zu haben, ist sie von seinem widersprüchlichen Verhalten mehr als verwirrt.

Nach dieser Einleitung kommt ein Sprung von sechs Monaten und plötzlich geht es um einen ganz anderen Mann. Er interessiert sich aufrichtig für Charlotte und ich fand ihn sympathisch, auch wenn er als erfolgreicher Sportler, der sich nichts aus seinen Groupies macht und endlich eine ernsthafte Beziehung sucht, ziemlich klischeehaft geraten ist. Da es im Klappentext des Buches aber nur um Adam ging wurde ich den Eindruck nicht los, dass er als Seitenfüller herhalten muss, was ich schade fand.

Plötzlich gibt es tatsächlich eine Spur zum vorher verschollenen Adam, und die Informationen über ihn ziehen Charlotte den Boden unter den Füßen weg. Da das erst nach der Hälfte des Buches passiert will ich nicht zu viel verraten, aber die Geschichte legt eine 180-Grad-Wendung hin und entpuppt sich als dramatische Sick Lit. Charlotte trifft folgenreiche Entscheidungen, die mir nicht genug erklärt wurden. Die folgenden Kapitel sind bittersüß, traurig und dennoch abenteuerlich. Allerdings kamen die Emotionen bei mir nicht richtig an, da mir alles zu schnell ging und ich mich über die Dreiecksgeschichte ärgerte. Nach all dem Drama in der zweiten Buchhälfte will die Autorin zum Ende hin scheinbar die Kurve kriegen, was in einer Auflösung resultiert, die ich zu gewollt fand.

„Dieser eine Augenblick“ beginnt als Liebesgeschichte, wird ab der Hälfte des Buches aber zunehmend dramatisch. Ich mochte die Charaktere und war neugierig, ob sie ihr Glück finden werden. Ihre Entscheidungen konnte ich aber oft nicht nachvollziehen und einige Entwicklungen fand ich zu konstruiert, weshalb ich das Buch mit gemischten Gefühlen beendet habe.

Veröffentlicht am 01.10.2019

Eine Liebesgeschichte kurz vor dem Mauerfall

Das geteilte Herz
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Am 31. Dezember 1988 feiert Barbara das Sylvesterfest bei ihren Freunden Elke und Wolf in Kleinmachnow in der DDR. Ihr Freund Manfred hat den gemütlichen Abend zu Zweit kurzfristig abgesagt, um eine Schicht ...

Am 31. Dezember 1988 feiert Barbara das Sylvesterfest bei ihren Freunden Elke und Wolf in Kleinmachnow in der DDR. Ihr Freund Manfred hat den gemütlichen Abend zu Zweit kurzfristig abgesagt, um eine Schicht im Krankenhaus zu übernehmen. Das findet Barabra bald jedoch gar nicht mehr so schlimm, denn auf der Feier begegnet sie Ulrich, von dem sie sofort fasziniert ist. Zwar trennt sie sich bald darauf von Manfred, als dieser kurz darauf in den Westen flieht vermutet die Stasi dennoch eine Beteiligung von ihrer Seite und überwacht sie. Eine Flucht kommt für sie aber nicht in Frage, und sie und Ulrich nähern sich immer mehr an. Doch dann kommt alles anders als gedacht.

Am 9. November ist es dreißig Jahre her, dass die Mauer fiel und damit das Leben Vieler nachhaltig änderte. Ich war neugierig, inwiefern die Ereignisse sich auf Barbaras Leben auswirken, die im Jahr 1988 südlich von Berlin in der DDR lebt.

Zu Beginn der Geschichte begleitet man Barabara am Sylvestertag 1988, als sie Ulrich zum ersten Mal begegnet. Sie ist sofort fasziniert von ihm und zweifelt dadurch noch mehr an ihrer bereits kriselnden Beziehung zu Manfred. Dieser will sie überreden, gemeinsam mit ihr in den Westen zu fliehen, weil er dort besser verdienen kann. Doch sie lehnt ab und trennt sich von ihm. Trotzdem befragt die Stasi sie ausführlich, als Manfred seinen Plan tatsächlich in die Tat umsetzt, und beginnt, sie eng zu überwachen.

Barbara hegt zwar keine Fluchtgedanken, ist mit der politischen Situation in ihrem Land aber auch nicht gerade glücklich. Als Lehrerin wird sie immer wieder gedrängt, der SED beizutreten, und ihre Weigerung hat Konsequenzen wie ständige Aufträge zur Ranzenkontrolle bei ihren Schülern. Unter den wachsamen Augen linientreuer Schüler muss sie alle westlichen Zeitschriften aus den Ranzen konfiszieren und die entsprechenden Schüler melden. Situationen wie diese verdeutlichen, wie schnell man 1989 in der DDR in Bedrängnis geraten konnte, wenn man nicht voll und ganz hinter der Partei stand.

Sonderlich politisch aktiv ist Barbara aber nicht, sondern die ersten Wochen im neuen Jahr 1989 vor allem damit beschäftigt, möglichst viel Zeit mit Ulrich zu verbringen. Die beiden sind glücklich miteinander und schmieden Pläne für die Zukunft. Doch dann kommt es zu einem überraschenden Vorfall, der alles ändert. Hier muss ich leider sagen, dass die ganze Ereigniskette auf mich sehr konstruiert wirkte, denn es gibt wirklich viele Zufälle, die für großes Drama sorgen.

Das Verhalten der Charaktere nach diesem Ereignis fand ich nicht ganz nachvollziehbar. Beispielsweise hat Barbara Angst, auf allen Wegen überwacht zu werden, trotzdem spricht sie am Telefon sorglos über ihre Pläne, die der Stasi sicherlich nicht gefallen. Deren Eingreifen wird immer wieder von einem einflussreichen Freund der Familie unterbunden, was ich als Begründung unzureichend fand. Die Auflösung wird schließlich durch weitere dumme Zufälle hinausgezögert und dann hollywoodmäßig präsentiert.

„Das geteilte Herz“ gibt Einblicke in das Leben in der DDR kurz vor dem Mauerfall und stellt eine Liebesgeschichte ins Zentrum der Handlung. Leider gab es viele Kleinigkeiten, die mich an der Geschichte gestört haben, weshalb es trotz der vielen romantischen und dramatischen Momente für mich ein durchwachsenes Leseerlebnis war.

Veröffentlicht am 10.09.2019

Ein Hotel in den Bergen Norwegens, das seine besten Tage hinter sich hat

Ein Hummerleben
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In den 1980er Jahren wächst Sedd bei seinen Großeltern auf, die in den Bergen Norwegens ein Hotel betreiben. Das gehobene Hotel will keine Wünsche offen lassen, deshalb gibt es unter anderem ein Hummerbecken, ...

In den 1980er Jahren wächst Sedd bei seinen Großeltern auf, die in den Bergen Norwegens ein Hotel betreiben. Das gehobene Hotel will keine Wünsche offen lassen, deshalb gibt es unter anderem ein Hummerbecken, ein Schwimmbad und eine Minigolfbahn. Doch die Geschäfte laufen zunehmend schlecht, da immer mehr Norweger nicht im eigenen Land, sondern im „verteufelten Süden“, wie Sedds Großmutter zu sagen pflegt, Urlaub machen. Sedd hilft regelmäßig im Hotel aus und lernt dabei Karoline kennen. Sie ist etwas jünger als er und bleibt mir ihren Eltern länger im Hotel. Mit ihrer Hartnäckigkeit überredet sie Sedd, Zeit mit ihr zu verbringen. Dabei würde der in dieser Zeit lieber das Geheimnis um seine Eltern küften und Fotografieren lernen. Doch die Gäste stehen an oberster Stelle, das gilt auch für Sedd, der das Hotel eines Tages übernehmen soll.

Norwegen ist in diesem Jahr das Gastland auf der Frankfurter Buchmesse, deshalb war ich sehr neugierig auf dieses Buch eines norwegischen Autors, das den Leser mit in die Berge des Landes nimmt, wo ein Hotel im Familienbetrieb seine besten Jahre hinter sich hat.

Der Titel des Romans erklärt sich auf den ersten Seiten, auf denen der Ich-Erzähler Sedd seine Beobachtungen rund um das Hummerbecken des Restaurants mit dem Leser teilt. Seine Schilderungen zeugen von einer großen Aufmerksamkeit, mit der er sein Umfeld im Blick hält. Er berichtet von kleinen und großen Ereignissen den Alltags und seine Überlegungen gehen immer wieder auf in eine philosophische Richtung.

Gleich zu Beginn gibt es einen aufsehenerregenden Zwischenfall, denn der Bankdirektor stirbt währen eines Essens im Hotel trotz Sedds Wiederbelebungs-Maßnahmen. Im Nachhinein ist es ihm unangenehm, darüber zu reden, denn alle loben ihn, obwohl sein Eingreifen keinen Unterschied gemacht hat.

Das Tempo des Buches ist ruhig und Sedd erzählt viel vom Hotelalltag. Sein Großvater hat das Hotel einst von seinem Vater übernommen, es ist sein ganzer Stolz und immer wieder schwelgt er in Erinnerungen. Seine Großmutter ist ursprünglich aus Wien, sie hat ihren Mann in Linz auf der Hotelfachschule kennengelernt und sehnt sich immer wieder in die Heimat. Der Koch Jim, ein ehemaliger Seefahrer, gehört quasi zur Familie und steht dieser in jeder Situation zur Seite. Diese drei Charaktere spielen in Sedds Berichten neben Karoline, die als Gast im Hotel ist und unbedingt Zeit mit ihm verbringen will, die größte Rolle.

Nach den Ereignissen gleich zu Beginn war ich gespannt, was im Hotel als nächstes passieren wird. Findet Sedd etwas über seine Eltern heraus? Tut sein Großvater etwas, um wieder mehr Gäste anzulocken? Nichts dergleichen passiert jedoch. Doch nichts dergleichen passiert. Zwar gibt es immer wieder kleine Hinweise auf drängende Fragen, doch die Schilderungen widmen sich kleinen Ereignissen im Hotel und verlieren sich in Details. Auch auf eine größere Charakterentwicklung bei Sedd wartete ich vergebens.

Vieles wird totgeschwiegen in Sedds Familie, weshalb auch auf Entdeckungen, dessen Bedeutung sich dem Leser mühelos erschließt, keine Aussprache erfolgt. Die Handlung steuert in gefühlter Zeitlupe auf ein Fiasko hin. Auf dieses muss man jedoch sehr lange warten, erst auf den allerletzten Seiten erhält man als Leser Antworten. Das wirft jedoch große neue Fragen auf, die leider nicht mehr beantwortet werden. Die Geschichte ist insgesamt tragisch, skurrile Zwischenfälle und kluge Beobachtungen sorgen aber immer wieder für unterhaltsame Momente. Für mich war es ein interessanter Ausflug in die Berge Norwegens, bei dem ich jedoch einen Spannungsbogen vermisst habe.

Veröffentlicht am 24.08.2019

Das brave Mädchen vom Lande trifft auf die Realität der großen Stadt

OMG, diese Aisling!
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Die achtundzwanzigjähige Aisling wohnt im irischen Dörfchen Ballygobbard bei ihren Eltern und pendelt jeden Tag für ihren Job in die Hauptstadt Dublin. Sie hofft sehr darauf, dass ihr langjähriger Freund ...

Die achtundzwanzigjähige Aisling wohnt im irischen Dörfchen Ballygobbard bei ihren Eltern und pendelt jeden Tag für ihren Job in die Hauptstadt Dublin. Sie hofft sehr darauf, dass ihr langjähriger Freund John ihr endlich einen Heiratsantrag macht und mit ihr zusammenzieht. Um der Sache einen Schubs zu geben, arrangiert sie extra einen Teneriffa-Urlaub im Winter. Dort macht John ihr aber deutlich, dass er ihr die Frage der Fragen in absehbarer Zeit nicht stellen wird. Wütend und enttäuscht trennt Aisling sich von ihm und nimmt kurze Zeit später das Angebot ihrer Kollegin Sadhbh an, in ihre WG zu ziehen. Sadhbh ist ebenso wie die zweite Mitbewohnerin Elaine ganz anders als die Frauen im Dorf. Doch während Aisling noch dabei ist, sich an ihr neues Leben als Stadtbewohnerin zu gewöhnen, erhält sie schlechte Nachrichten aus der Heimat.

Die Geschichte beginnt mit einem Prolog, in dem sich zwei Frauen auf einer Hochzeitsfeier über Aisling und Frauen wie sie unterhalten: Vernünftige Mädchen vom Land, die Ordnung, Praktikabilität und Sicherheit schätzen. Die beiden finden solch ein Leben nett, aber langweilig, und machen sich darüber lustig, während Aisling sie in der Toilettenkabine belauscht.

Danach lernte ich Aisling ausführlicher kennen. Sie führt ein durchschnittliches, braves Leben und manche ihrer Ansichten brachten mich zum Schmunzeln. Zum Beispiel verschenkt sie Supermarkt-Chips, weil sie so praktisch sind, lässt keine Rabattaktion aus und sucht auch in der Stadt wirklich immer einen ordnungsgemäßen Parkplatz. Allerdings wird ihr ganzer Charakter so stark überzeichnet, dass ich nicht richtig warm mit ihr wurde. Zum Beispiel fand ich ihre Versuche, ihren Kollegen in Sachen Büroverhalten Manieren beizubringen, eher nervig. Sie treibt Ordnungswahn und Gewissenhaftigkeit auf die Spitze und hat für ihr Alter eine wirklich naive Weltsicht.

Das erste Drittel des Buches dreht sich vor allem darum, dass Aisling einen Heiratsantrag von ihrem Freund will, obwohl für den Leser schon nach den ersten Seiten klar ist, dass dieser nicht kommen wird. Später geht es hauptsächlich um Aislings Liebeskummer. So zieht sich der Start in die Länge, während ich auf den im Klappentext angekündigten WG-Einzug wartete und hoffte, dass er eine Weiterentwicklung bei Aisling auslöst.

Endlich zieht Aisling in die WG, doch schon nach den ersten unterhaltsamen Gesprächen mit ihren neuen Mitbewohnerinnen rückt ein Handlungsstrang in den Vordergrund, mit dem ich nicht gerechnet habe. Ich möchte an dieser Stelle eine Triggerwarnung für das Thema schwere Erkrankung im engsten Familienkreis aussprechen. Hier gab es viele traurige und bedrückende Momente.

Schließlich geht es für eine Weile mehr um die WG und Aisling wird ein bisschen lockerer, bleibt im Kern aber das brave Mädchen, das staunt, was andere für verrückte Dinge tun. Auf eine richtige Liebesgeschichte wartete ich leider vergebens. Es gibt viel Hin und Her und die Konsequenz aus all dem hat mich enttäuscht. Kurz vor dem Ende erwischte mich die Handlung rund um die Erkrankung noch einmal so eiskalt, dass ich Seiten überspringen musste.

Letztendlich hatte ich das Gefühl, dass sich die Geschichte nicht entscheiden kann, was sie sein will: Emotionaler Liebesroman? Humorvoller WG-Roman? Rührende Familiengeschichte? So ist es von allem etwas und nichts so richtig geworden. Aisling ist ein braves Mädchen mit einigen Ticks, in denen man sich hier und da selbst wiederfindet. Doch ihre geballte Naivität ließ mich immer wieder die Augen verdrehen. Für mich war es eine stellenweise amüsante, aber insgesamt sehr durchmischte Lektüre.

Veröffentlicht am 13.06.2019

Ein Selbsterfahrungsbericht über Mieten und Kaufen, der mir zu ausschweifend war

Ein Haus auf dem Land / Eine Wohnung in der Stadt
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Jan Brandt lebt als Autor in Berlin. Als ihm seine aktuelle Wohnung, in der er schon mehrere Jahre lebt, aufgrund von Eigenbedarf gekündigt wird, muss er sich wieder auf die Suche begeben. Dabei muss er ...

Jan Brandt lebt als Autor in Berlin. Als ihm seine aktuelle Wohnung, in der er schon mehrere Jahre lebt, aufgrund von Eigenbedarf gekündigt wird, muss er sich wieder auf die Suche begeben. Dabei muss er feststellen, dass sich die Situation auf dem Berliner Wohnungsmarkt seit seiner letzten Suche deutlich verschärft hat. In dieser Zeit überlegt er auch, in sein Heimatdorf Ihrhove in Ostfriesland zurückzukehren und dort ein Haus zu kaufen. Als er entdeckt, dass der Hof seiner Vorfahren zum Verkauf angeboten wird, überlegt er, zuzuschlagen. Doch das Gebäude ist stark renovierungsbedürftig und der Kredit wäre eine große Belastung, wenn überhaupt einen erhält.

Mir hat die Idee sehr gefallen, das Buch als Wendebuch zu gestalten und damit zwei Gegensätze gegenüberzustellen. Das führte aber auch zur ersten großen Frage vor dem Lesen: Womit starte ich? Dem Haus auf dem Land oder der Wohnung in der Stadt? Ich entschied mich für die etwas dünnere Haus-Geschichte. Ich bin selbst auf dem Land aufgewachsen und habe eine schöne und bezahlbare Wohnung in einer Großstadt zu gefunden. Insofern war ich neugierig, welche Erfahrung der Autor mit Stadt und Land gemacht hat.

Zu Beginn der Haus-Geschichte holt Jan Brandt weit aus und erzählt in nüchternem Ton die Geschichte seiner Vorfahren und eine Episode, in der er in Amerika ein Haus seiner Vorfahren besucht hat. Es folgt die Geschichte rund um den Hof seiner Vorfahren in Ostfriesland. Fakten über Fakten erwarteten mich, die mir den Einstieg nicht leicht machten. Erst nach 50 Seiten kommt der Autor im Jahr 2016 an, in dem er entdeckt, dass der Hof zum Verkauf steht. Er berichtet davon, wie er abwägt, ob er das Geld auftreiben kann und sich die Investition wirklich lohnt.

Die Geschichte rund um das Haus ist eigentlich schnell erzählt. Dass sie trotzdem auf über 180 Seiten kommt liegt daran, dass alles sehr ausschweifend erzählt wird. Da gibt es zum Beispiel seitenweise Geplauder mit den alten Klassenkameraden ebenso wie 30 Seiten pure Auflistung historischer Ereignisse, die seit dem Bau des Hofs geschehen sind. Ohne Jahreszahlen. Das ist ein künstlerischer Ansatz, aber Lesen wollte ich das Kapitel dann doch nicht.

Die Haus-Geschichte ein paar interessante Feststellungen rund um die Veränderung der Wohn- und Geschäftssituation auf dem Land bereit, hat mich insgesamt aber gelangweilt, weshalb ich meine Hoffnungen auf die Stadt-Geschichte setzte. Diese hat mir tatsächlich besser gefallen, denn Storys rund um Wohnungsbesichtigungen zeigen immer wieder anschaulich, wie weit der Mietirrsin gekommen ist.

Der Autor gibt Einblicke, in welchen Wohnungen in Berlin er früher gewohnt hat, was er 2016 an seiner aktuellen Wohnung so schätzt und weshalb er die Kündigung nicht hinnehmen will. Man begleitet ihn auf zahlreichen Besichtigungen ebenso wie beim Versuch, Beweise für die Hinfälligkeit der Kündigung zu sammeln. Bei letztem wird vor allem erzählt, wie er sich auf die Lauer legt, um seinem Vermieter nachzuweisen, dass der woanders wohnt als angegeben. Trotz interessanterem Inhalt kommt auch hier das große Manko des Buches wieder zum Tragen: Die Ausführlichkeit. Die Erlebnisse des Autors, während er stundenlang herumsteht und wartet, sind zwar ein gutes Symbol für seine Verzweiflung, aber inhaltlich nicht sonderlich lesenswert.

Aus der Stadt-Geschichte nehme ich insgesamt noch mehr Erkenntnisse mit als aus der Haus-Geschichte. Unterm Strich ist dieser Selbsterfahrungsbericht für meinen Geschmack jedoch viel zu ausschweifend geraten, weshalb ich knappe drei Sterne vergebe.