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Veröffentlicht am 12.10.2019

Ein unfassbares Buch!

Bis ans Ende der Geschichte
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Jodi Picoult gehört für mich schon lange zu meinen Lieblings-Autorinnen. Nie vergessen und immer wieder lesen werde ich "Bis ans Ende aller Tage", das mein absolutes Lieblingsbuch von ihr ist. Ich weiß ...

Jodi Picoult gehört für mich schon lange zu meinen Lieblings-Autorinnen. Nie vergessen und immer wieder lesen werde ich "Bis ans Ende aller Tage", das mein absolutes Lieblingsbuch von ihr ist. Ich weiß nicht mal, warum, aber irgendwie habe ich ihren neueren Werken nicht mehr viel Beachtung geschenkt. Vielleicht habe ich mich etwas an ihr überlesen, vielleicht stehe ich zur Zeit aber auch einfach auf Bücher anderer Genres. Nachdem ich in der letzten Zeit jedoch einige begeisterte Besprechungen zu "Bis ans Ende der Geschichte" gelesen habe und der Klappentext gut klang, kam ich an dem Buch nicht mehr vorbei und habe die letzten Tage damit verbracht, es zu lesen. Stellenweise kam ich dabei nur langsam voran, aber vor allem die letzten 150 Seiten habe ich förmlich inhaliert.

Es gibt in diesem Buch mehrere Erzählebenen, das heißt mehrere Zeitebenen sowie mehrere personelle Erzähler.

Wir lernen Sage kennen, die in der Gegenwart die weibliche Hauptperson und Ich-Erzählerin ist. Sage hat vor drei Jahren ihre Mutter bei einem Unfall verloren und besucht seitdem regelmäßig eine Trauergruppe. Sie geht den Menschen aus dem Weg, arbeitet als Bäckerin, weil sie nachts weniger Menschen begegnet als tags. Ihr Liebesleben spielt sich im Verborgenen ab, denn Sage hat eine Affäre mit einem verheirateten Mann. (Dieses Handlungsdetail ist für mich rückblickend überflüssig gewesen. Ja, es spiegelt Sages Drang danach wider, sich vor ihren Mitmenschen zu verstecken. Aber letztlich nimmt die Affäre im Vergleich zum Rest des Buches eine völlig unbedeutende Rolle ein. Warum also den Charakter noch mit so etwas belasten ... Zumal Adam, Sages Affäre, einfach nur ein lächerlicher Charakter war.)

Während des Besuchs der Trauergruppe lernt Sage den 96-jährigen Josef Weber kennen, der auch Kunde in ihrer Bäckerei ist. Herr Weber ist sehr beliebt im Ort, ist als freundlicher Herr bekannt, der immer Trinkgeld gibt, sein Brötchen immer mit seinem Dackel teilt und dem sogar von der Handelskammer der Preis als Guter Samariter verliehen wurde. Doch eines Tages bittet er Sage um einen unfassbaren Gefallen, dessen Auslöser so gar nicht in das Erscheinungsbild dieses beliebten Menschen passt.

Die Geschichte von Josef Weber wird rückblickend aus seiner Perspektive erzählt und bringt den Leser zurück in die dunkelste Zeit, die Deutschland wohl jemals erlebt hat. Wir werden Zeuge, wie Josef Weber zusammen mit seinem Bruder Franz in einem kleinen Ort in der Nähe von Paderborn aufwächst und schon als Schuljunge immer wieder in Prügeleien gerät. Ganz im Gegensatz dazu ist sein Bruder der brave Musterschüler, der von einem Studium der Literaturwissenschaft träumt. In der Hitlerjugend wird Josef Weber schnell das Vorbild aller Jungs, da er sportlich und stark und der perfekte Befehlsempfänger ist. So entfernt sich Josef charakterlich immer mehr von seinem Bruder und seine Karriere nimmt ihren Lauf, die ihn schließlich nach Auschwitz führt, wo er Ursache und Verantwortlicher für Leid, Elend und Tod wird.

Wir lernen Sages Großmutter Minka kennen, sowohl in der Gegenwart als auch in der Vergangenheit, denn auch sie erzählt den Lesern ihre Geschichte. Und die ist erschütternd, beängstigend, grausam und so häufig gar nicht angenehm zu lesen. Denn sie führt ebenfalls nach Auschwitz.

Ein weiterer Charakter, dem wir in der Gegenwart begegnen, ist Leo Stein, der im US-Justizministerium arbeitet und sich auf das Aufspüren von Kriegsverbrechern des 2. Weltkrieges spezialisiert hat. Ich muss sagen, dass es mir teilweise schwerfiel, nachzuvollziehen, mit welchem Ehrgeiz und welcher Rechtfertigung er so verbissen seiner Arbeit nachgeht. Vor allem die Tatsache, dass er nach all den Jahren nur das Schlechteste von Josef Weber denkt, hat mich extrem nachdenklich gestimmt. Aber das ist auch eine der moralischen Problemstellungen, mit denen Jodi Picoult in diesem Buch arbeitet. Daher verstehe ich, dass Leo Stein seine Arbeit so verbissen rechtfertigt, denn es gibt auch andere Sichtweisen auf diese Thematik, was so typisch für Jodi Picoult ist und mir so gut gefällt.

Immer wieder eingestreut werden Kapitel, die in kursiver Schrift gedruckt sind. Hierzu möchte ich gar nicht viel sagen, weil es schwierig ist, sich dazu zu äußern, ohne zu viel vom Inhalt zu verraten. Letztendlich sind es aber wohl diese Kapitel, denen das Buch seinen Namen zu verdanken hat.

So viel zum Inhalt des Buches. Ich muss zugeben, dass ich nach dem Lesen des Klappentextes schon so eine Ahnung hatte, in welche Richtung das Buch gehen könnte. Ich hoffe, dass ich euch mit meiner zusätzlichen Inhaltsbeschreibung nicht zu viel verraten habe. Wobei die Details, die ihr meiner Rezension nun entnehmen könnten, wirklich nur an der Oberfläche kratzen. Also lest das Buch einfach selbst. Ich hoffe, dass es noch viele Leser findet, denn es gibt so viel Gesprächsstoff und ich würde mich total freuen, mich noch etwas detaillierter mit dem einen oder anderen Leser austauschen zu können.

"Bis ans Ende der Geschichte" ist kein fröhliches Buch. Auch nicht in den Szenen, die in der Gegenwart spielen. Stattdessen wird es überschattet von unfassbarer Grausamkeit, erschreckenden Szenen, Details, die ich am liebsten wieder vergessen würde. Und manchmal musste ich mich zum Weiterlesen zwingen. Und doch ist dieser Roman so gut, so unfassbar lesenswert. Nicht durchweg konnte Jodi Picoult mich fesseln. Gerade der kursiv geschriebene Teil des Buches hat für mich einige Längen beinhaltet, wobei ich zugegebenermaßen aber auch erst im Verlauf der Handlung dessen Wichtigkeit und Bedeutung erkannt habe. Aber es ist so faszinierend, was für eine Geschichte Jodi Picoult konstruiert hat, wie sich auf verschiedenste Arten und Weisen Kreise schließen und Verbindungen entstehen, mit denen man nicht gerechnet hat. Und das Ende hat mich dann einfach fassungslos, mit offenem Mund und kullernden Tränen zurückgelassen. Nie, nie, nie hätte ich mit diesem Ende gerechnet und ich glaube, ich habe es immer noch nicht ganz verdaut. Ich bin froh, dass Jodi Picoult nicht den einfachen Ausweg gewählt hat. Aber dass sie mich so treffen würde, damit hatte ich wirklich nicht gerechnet.

Die Autorin ist bekannt dafür, nicht nur die verschiedensten Sichtweisen auf bestimmte Thematiken, die durch ihre Charaktere repräsentiert werden, zu entwickeln, sondern auch gleichzeitig ihre Leser dazu zu bringen, selbst Position zu beziehen. Wobei ich sagen muss, dass es mir beim Lesen dieses Buches extrem schwergefallen ist, eine klare Position zu finden. Vielleicht habe ich das auch jetzt noch nicht. Vielleicht brauche ich einfach noch ein paar Tage, um diesen Roman zu verarbeiten.

Jodi Picoult hat für ihr neuestes Werk unfassbar gut und intensiv Recherche betrieben, was sie in ihrem Nachwort schildert und auch an einer Parallele zu Oskar Schindler zu erkennen war. Dadurch ist ihr ein unglaublich authentischer Roman gelungen, der Fakt und Fiktion vereint und ein Werk darstellt, bei dem sich nach dem Lesen nicht mehr die Frage stellt, ob denn noch ein Buch über die Zeit des Zweiten Weltkrieges wirklich notwendig gewesen ist.

Mein Fazit

"Bis ans Ende der Geschichte" ist ein erschreckender und beängstigender Roman, der dennoch so lesenswert ist und mich völlig sprachlos zurückgelassen hat.

Veröffentlicht am 06.10.2019

Hat mich echt überrascht!

Das Feuerzeichen
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Wenn man "Das Feuerzeichen" auf seinen Kern zurückführt, ist es tatsächlich ein Roman über die besondere Beziehung von Geschwistern. Lediglich das Setting ist fantastisch und die Handlung drumherum düster, ...

Wenn man "Das Feuerzeichen" auf seinen Kern zurückführt, ist es tatsächlich ein Roman über die besondere Beziehung von Geschwistern. Lediglich das Setting ist fantastisch und die Handlung drumherum düster, stellenweise brutal. Aber was mich an diesem Buch am meisten fasziniert hat, war tatsächlich, wie Cass und ihr Zwillingsbruder Zach, aber auch andere Zwillingspaare, miteinander umgegangen sind.

Denn in der düsteren Zukunft, in der das Buch spielt, hängt das Leben der jeweiligen Zwillinge voneinander ab. Es werden immer ein Junge und ein Mädchen geboren. Und während eines der beiden Kinder als Alpha nahezu perfekt ist - gutaussehend, stark und gesund -, ist der andere Zwilling als Omega sein Schattenstück - mit fehlenden oder zusätzlichen Gliedmaßen. Aber auch jeder Alpha hat eine Schwachstelle. Denn nicht nur werden die Zwillinge zur selben Zeit geboren, sie sterben auch zur selben Zeit. Ihre Gesundheit betreffend sind die Zwillingspaare untrennbar miteinander verbunden, was sich auch nicht dadurch umgehen lässt, dass man die Omegas unmittelbar nach Sichtbarwerden ihrer Missbildung aus der Familie nimmt und in eine der Omega-Siedlungen schafft. Nicht immer zeigt sich die Fehlbildung direkt nach der Geburt. Es können auch einige Jahre vergehen, bis sich diese entwickelt. Aber es gibt auch Omegas, deren "Fehlbildung" nicht äußerlich zu erkennen ist.

Es hat mich stellenweise schier fassungslos und mit offenem Mund zurückgelassen, welche Gedanken den Charakteren durch den Kopf gehen, welche Fäden sie spinnen, wie weit sie um die Ecke denken, um dahinter zu kommen, wie sie ihrem Zwilling schaden können, ohne sich selbst zu schaden bzw. dabei und damit für ihre eigene Sicherheit zu garantieren. Dieses Debüt wurde so klug durchdacht und ich habe selten ein Buch gelesen, bei dem so viel im Hintergrund passiert, während die eigentliche Handlung doch eher ruhiger bleibt.

Denn tatsächlich umfasst die Handlung des Buches mehrere Jahre, in denen nicht mehr passiert, als dass Cass gefangen in einem Verlies sitzt. In dieser Zeit denkt Cass viel über ihre Vergangenheit nach und sie nimmt dabei den Leser mit in ihre Kindheit. Auch bei ihr und ihrem Zwilling Zach zeigte sich nicht direkt nach der Geburt, wer Alpha und wer Omega ist. Stattdessen gingen viele Jahre ins Land, in denen vor allem für Zach nicht klar war, auf welcher Seite er steht, während Cass schon längst wusste, wer von ihnen das "schwächere" Glied ist. Großartig beschreibt die Autorin, wie Cass sich darum bemüht, die düsteren Träume und Visionen, die sie vor allem nachts überfallen, zu verbergen. Wie Zach immer stärker darunter leidet, dass er nicht weiß, ob er wirklich zur Familie gehört oder diese bald verlassen muss. Die ersten Kapitel, in denen die Kindheit der Zwillinge beschrieben wird, waren sehr fesselnd und intensiv beschrieben und damit hat die Autorin mich direkt gepackt. Und gerade in diesen ersten Kapiteln wird deutlich, wieso dieses Buch tatsächlich ein Buch über Geschwister ist, denn so intensiv wird die Beziehung zwischen Cass und Zach deutlich und wirkt sich bis in die Gegenwart aus.

Eine Gegenwart, in der Cass nach Jahren der Gefangenschaft durch ihren Bruder endlich die Flucht gelingt. Und sie macht sich auf die Suche nach der Insel, die sie in ihren Träumen und Visionen vor sich sieht, auf der sich ein Widerstand zu organisieren scheint. Dabei ist sie nicht allein, denn auf ihrer Flucht trifft sie auf Kip, der eine völlige neue Wendung in die Handlung und das Verhalten der Alphas bringt.

Obwohl ich von "Flucht" spreche, wird das Buch nun ruhiger. So viel Zeit, wie sich Francesca Haig bislang genommen hat, um die Kindheit von Cass und Zach zu schildern, so viel Zeit nimmt sie sich nun, um die Handlungsumgebung die Handlung der Charaktere selbst zu beschreiben. Es gibt in diesem Buch viele Seiten, die mit Beschreibungen gefüllt sind, auf denen nicht gesprochen wird. Die Autorin schafft es auch selbst damit, ihre Leser komplett zu fesseln. Durch den angenehmen Schreibstil kommen dabei nur selten Längen auf. Und letztlich schreitet die Handlung natürlich dennoch voran und die Autorin baut Entwicklungen ein, die den Spannungsbogen aufrechthalten und den Leser überraschen.

Vor allem mit dem Ende hatte ich nicht gerechnet. Da hat die Autorin echt was rausgehauen, was mich total überrascht hat. Und obwohl das Buch nicht mit einem fiesen Cliffhanger endet, kann ich die Fortsetzung gar nicht mehr erwarten, auf die wir zum Glück gar nicht mehr so lange warten müssen.

Ein Buch wie "Das Feuerzeichen" habe ich noch nie gelesen. Es hat mich wirklich direkt von der ersten Seite an gepackt und mich mit seiner Handlung und seiner Tiefgründigkeit sofort fasziniert. Die Idee hinter dem Buch finde ich einzigartig, so etwas kannte ich bislang noch nicht, und das macht für mich den besonderen Reiz an diesem Buch aus. Dazu kommen die unfassbar tiefgründigen Charaktere und die Handlung, die so genial konstruiert und durchdacht ist. Ich kann "Das Feuerzeichen" nur empfehlen, wobei ich der Altersempfehlung des Verlags nicht ganz zustimmen kann. Für jüngere Leser, gerade ab 13 Jahren, halte ich das Buch noch nicht geeignet. Der Inhalt ist schon auf eine gewisse Art und Weise einfach krass und brutal und auch den Schreibstil empfinde ich als zu anspruchsvoll für jüngere Leser.


Mein Fazit

Francesca Haig hat mich mit ihrem Debüt vollkommen überrascht, ich war total begeistert von "Das Feuerzeichen" und freue mich schon riesig auf die Fortsetzung!

Veröffentlicht am 06.10.2019

Ein wahnsinnig mitreißendes Buch

Feuer & Flut
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Diese Rezension könnte eventuell den kleinen Nachteil haben, dass ich sie schreibe, nachdem ich auch schon Band 2 gelesen habe. Ich versuche natürlich dennoch, meine Bewertung von den Eindrücken zu Band ...

Diese Rezension könnte eventuell den kleinen Nachteil haben, dass ich sie schreibe, nachdem ich auch schon Band 2 gelesen habe. Ich versuche natürlich dennoch, meine Bewertung von den Eindrücken zu Band 2 zu trennen und natürlich nicht zu spoilern! "Feuer & Flut" habe ich bereits letztes Jahr in meinem Sommerurlaub gelesen und ich war damals (ok - so lange ist es jetzt noch nicht her ...) schon sehr beeindruckt von diesem Buch. In diesem Monat habe ich mich an einen Re-Read gemacht, bevor ich Band 2 gelesen habe, und war beim zweiten Lesen noch begeisterter.

Ich weiß nicht, wie ich darauf gekommen bin, aber vor dem ersten Lesen des Buches hatte ich erwartet, dass "Feuer & Flut" in einer dystopischen Welt viele, viele Jahre in der Zukunft spielen würde. Außerdem hatte ich mit einem viel größeren Fantasy-Anteil gerechnet. Ich war überrascht, dass das Buch doch in der Neuzeit spielt und dabei relativ bodenständig ist. Klar, die genetisch veränderten Tiere sind Dystopie genug, aber ich hatte mir den Handlungshintergrund drastischer vorgestellt.

Weil Tella, die weibliche Hauptperson, eine angenehme Ich-Erzählerin ist, die mich als Leserin schnell überzeugt hat mit ihrer schnippischen und frechen Art, habe ich total schnell in das Buch hineingefunden. Ich mochte ihren Sarkasmus und überhaupt ihre Art, mich mit ihrem Leben vertraut zu machen. Natürlich ist das Leben, das Tella führt, nicht gerade beneidenswert, und ich fand es großartig, wie Tella das deutlich macht, ohne auf die Tränendrüse zu drücken. Sie ist tough und das war für mich einfach nur bewundernswert. Es gab auch ein paar Seiten an ihr, die ich nicht mochte, zum Beispiel ihre Markenaffinität, die mich teilweise doch etwas genervt hat. Aber so ist Tella nun mal und es ist auch ganz interessant zu beobachten, wie sie manche negativen Eigenschaften im Laufe des Buches einfach ablegt.

Die Handlung nimmt recht schnell an Fahrt auf, Tella wird relativ schnell mit dem Brimstone Bleed konfrontiert und es dauert auch nicht lange, bis das Rennen startet. Vielleicht hätte ich mir noch etwas mehr Zeit gewünscht, um Tellas Familie und ihr Leben kennenzulernen. Andererseits schafft es die Autorin auch auf den wenigen Seiten, zu zeigen, wie sehr Tella ihre Familie liebt und wie viel Zuneigung innerhalb dieser Familie steckt, auch wenn das nicht immer öffentlich gezeigt wird. Und natürlich ist mir als Leser auch auf diesen wenigen Seiten bewusst geworden, wie scheiße es ist, dass Tellas Bruder so krank ist und niemand ein Heilmittel findet. Ich glaube, es wird schon deutlich, welche Motivation Tella hat, um am Brimstone Bleed, das einfach nur total abgefahren klingt, teilzunehmen.

Das Brimstone Bleed an und für sich war einfach nur krass! In diesem ersten Band müssen die Teilnehmer an diesem Wettrennen die ersten zwei von vier Stationen durchlaufen und überleben. Es gilt, sich durch den Dschungel zu schlagen und die Wüste zu durchqueren. Als Anhaltspunkt dienen den Teilnehmern blaue Flaggen, die ihnen den Weg zum Basislager - dem Ziel - zeigen. Die Aufgabe in den ersten beiden Etappen ist also gleich, nur die Umstände sind anders. Und es ist einfach erschreckend, zu beobachten, wie sich Menschen verhalten können, wenn sie ein so kostbares Ziel wie ein Heilmittel für ihren geliebten Menschen vor Augen haben. Das Buch ist stellenweise einfach sehr grausam. Sowohl auf physischer als auch auf psychischer Ebene fügen sich die Kandidaten Schmerzen zu und es gibt Wendungen, mit denen ich niemals im Leben gerechnet hätte. Doch zum Glück zeigt die Autorin auch, wie in solchen Extremsituationen Freundschaften entstehen und Menschen zusammenwachsen. Es hat unglaublich gut getan, wenn bei all der Schwierigkeit und der Härte dieses Wettkampfes doch Szenen zum Lachen zu lesen waren.

Es sind über 100 Teilnehmer, die am Brimstone Bleed teilnehmen, natürlich spielt nicht jeder von ihnen im Buch eine tragende Rolle. Dennoch waren es einige Figuren, die man als Leser näher kennenlernt. Teilweise war es für mich schwierig, sie mir genauer vorzustellen. Besonders was das Alter der Charaktere betrifft, hatte ich so meine Schwierigkeiten. Aber während des Lesens sind mir einige Figuren immer mehr ans Herz gewachsen und ich fand es toll, was Victoria Scott für eine Geschichte um diese Charaktere drumherum gesponnen hat.

Es gibt einen Grund, warum ich nicht gerne Bücher lese, in denen Tiere eine Rolle spielen. Ich bin in der Beziehung furchtbar nah am Wasser gebaut und beim Lesen von "Feuer & Flut" ist mir das nur noch einmal so richtig bewusst geworden. Ich kann es nicht ertragen, wenn Tiere Gefühle zeigen, wenn sie ihre Liebe zu ihrem Herrchen zeigen, wenn sie Trauer oder Angst zeigen, weil sie geschlagen oder gequält werden. Leider gab es in diesem Buch Szenen, die ich gar nicht gerne gelesen habe. Zum Glück weitet Victoria Scott diese nicht unnötig aus. Es ist eher meine Fantasie gewesen, die mir das Lesen schwer gemacht hat. Und letztlich sind es auch einfach die Tiere, die Pandoras, gewesen, die diesem Buch seinen ganz besonderen Reiz geben. Es ist unglaublich, welchen Ideenreichtum die Autorin an den Tag gelegt hat, um ganz besondere Tiere mit ganz besonderen Fähigkeiten zu erschaffen. Auch hier gibt es Figuren, die mir ganz besonders ans Herz gewachsen sind, mit denen ich mitgefiebert habe, über die ich gestaunt und gelacht habe, die mir das Herz schwer gemacht haben.

In diesem ersten Band wird bereits erklärt, was der Hintergrund des Brimstone Bleeds ist. So unspektakulär ich diesen Aufhänger doch fand, so krankhafter und abscheulicher ist er doch. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich der Altersempfehlung des Verlages unter anderem aufgrund dieses Aspekts anschließen kann. Für Leser ab 14 Jahren ist das Buch doch schon recht krass. Selbst mich als Erwachsene hat es stellenweise echt erschüttert und wahnsinnig berührt.

Der erste Band hat mich nach dem ersten Lesen mit großer Spannung und Vorfreude auf Band 2 zurückgelassen. Umso froher war ich beim Re-Read, dass ich direkt zur Fortsetzung greifen konnte.


Mein Fazit

Ich bin einfach überwältigt vom Ideenreichtum der Autorin, vom Tempo dieses Buches, von den Charakteren - den menschlichen und den tierischen -, die mir ans Herz gewachsen sind, die ich stellenweise aber auch einfach verabscheut habe. Victoria Scott hat ein wahnsinnig mitreißendes Buch geschrieben, das ich einfach nur als krass empfunden habe.

Veröffentlicht am 06.10.2019

Ich hoffe auf eine Fortsetzung

Salz & Stein
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Zwei von vier Etappen haben die mutigen Teilnehmer des Brimstone Bleeds überstanden, jetzt folgen die Etappen Meer und Berge. Und je mehr Teilnehmer zurückbleiben, umso mehr wächst in den bisher erfolgreichen ...

Zwei von vier Etappen haben die mutigen Teilnehmer des Brimstone Bleeds überstanden, jetzt folgen die Etappen Meer und Berge. Und je mehr Teilnehmer zurückbleiben, umso mehr wächst in den bisher erfolgreichen Kandidaten der Wunsch heran, für sich und ihre geliebten Menschen das rettende Medikament zu ergattern. Band 2 schließt also nahtlos an Band 1 an und es ist nicht empfehlenswert, dieses Buch ohne die Vorkenntnisse aus Band 1 zu lesen!

Ich hatte den Eindruck, dass in diesem zweiten Band vor allem viel auf zwischenmenschlicher Ebene passiert. Die bereits bekannten Kandidaten rücken noch näher zusammen und es gilt herauszufinden, wer tatsächlich vertrauenswürdig ist und wer nicht. Dazu werden auch neue Charaktere vorgestellt, die man bisher noch nicht kannte. Auch hier gilt es auszuloten, wer ins Team passt und wer nicht. Auch das Zusammenspiel der Pandoras rückt stärker in den Vordergrund. Und letztlich lernen auch die Kandidaten ihre Pandoras ganz neu kennen. Das Bewältigen der beiden Etappen Meer und Berge passierte mehr nebenbei, während das Hauptaugenmerk schon verstärkt auf den zwischenmenschlichen und -tierischen Beziehungen lag. Und das hat mir richtig gut gefallen. Denn in Band 1 wurde schon thematisiert, wie die Kandidaten sich von blauer Flagge zu blauer Flagge bewegen. Das blieb natürlich auch in der Fortsetzung nicht aus. Umso froher war ich, dass der Schwerpunkt doch ein anderer war.

Ich muss zugeben, dass ich mit dem Einstieg in "Salz & Stein" ein wenig meine Schwierigkeiten hatte, da das Buch zu ruhig beginnt. Ja, es ist ein zweiter Teil, und ja, ich finde es immer hilfreich, wenn dem Leser noch mal kurz und knapp in Erinnerung gerufen wird, was im ersten Teil passiert ist. Da ich dieses Mal Band 1 und 2 aber unmittelbar hintereinander gelesen habe, war es für mich nicht nötig, noch mal daran erinnert zu werden, was in Band 1 passiert ist. Mit ein wenig Abstand zwischen beiden Büchern wäre ich dankbar dafür gewesen, aber so hat es mich aufgehalten, denn ich wollte doch einfach nur wissen, wie es weitergeht und vor allem endet!

Während ich bereits in Rezis zum ersten Teil Vergleiche zu "Die Tribute von Panem" gelesen habe, ist mir beim Lesen von "Salz & Stein" auch selbst dieser Vergleich in den Kopf gekommen. Erinnert ihr euch daran, wie im ersten Teil kurz vor dem Ende die Regeln geändert wurden, um es den Kandidaten noch schwerer zu machen, um die Hungerspiele noch grausamer zu machen? Ich hatte den Eindruck, dass den Veranstaltern des Brimstone Bleed in diesem zweiten Teil auch spontan Regeländerungen eingefallen sind, um noch einen oben draufzusetzen, um den Kandidaten und ihren Pandoras noch mehr Leid zuzufügen. Furchtbar war das und gar nicht schön zu lesen. Und doch konnte ich das Buch natürlich nicht zur Seite legen ...

Ich habe bereits in meiner Rezi zu Teil 1 erwähnt, dass es seine Gründe hat, warum ich nicht gerne Bücher lese, in denen Tiere eine größere Rolle spielen. Ich bin in der Beziehung einfach sehr nah am Wasser gebaut. In Teil 2 hat sich das nur wieder bestätigt. Und mehr möchte ich an dieser Stelle auch gar nicht dazu sagen.

Es gab einen Aspekt der Handlung, den ich irgendwie unnötig fand. Ich nenne mal das Stichwort "Kabelbinder", um nicht zu viel zu verraten, aber gleichzeitig denjenigen von euch, die das Buch schon gelesen haben, dennoch einen Hinweis zu geben, was ich meine. Alles rund um dieses Thema fand ich einfach nur überflüssig und ich habe den Sinn dahinter nicht so recht verstanden, da es letztlich keinerlei Auswirkungen auf die Handlung hatte.

Die Entwicklung von Tella macht in diesem zweiten Band noch mal einen richtigen Sprung und sie ist mir noch mehr ans Herz gewachsen. Ich fand sie einfach großartig in diesem Buch. Sie ist so clever, gleichzeitig einfach so wichtig für die gesamte Gruppe, und sie erkennt auch selbst, wie man seine Prioritäten richtig setzt. Das habe ich ihr in diesem Buch hoch angerechnet.

Das Ende des Buches war für mich ok, auch wenn ganz klar nicht alle Fragen beantwortet werden. Ich möchte schon gerne wissen, wie es weitergeht, aber sollte es tatsächlich kein weiteres Buch mehr geben, könnte ich mich durchaus damit zufriedengeben, wie Band 2 nun geendet hat.


Mein Fazit

Ich hatte ein paar Schwierigkeiten, in das Buch hineinzufinden, aber als die dritte Etappe des Rennens startete, war ich wieder drin in der Handlung und habe bis zum Schluss mit den Charakteren und ihren Pandoras mitgefiebert. Mit dem Ende kann ich mich zufriedengeben, wäre aber dennoch wahnsinnig interessiert an einer weiteren Fortsetzung.

Veröffentlicht am 06.10.2019

Ein ganz besonderes Buch

Eins
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"Eins" ist mal wieder eines dieser Bücher, bei denen ich unbedingt etwas zur Aufmachung sagen muss. Denn die Gestaltung dieses Buches hat mich sehr beeindruckt und fasziniert und als es bei mir angekommen ...

"Eins" ist mal wieder eines dieser Bücher, bei denen ich unbedingt etwas zur Aufmachung sagen muss. Denn die Gestaltung dieses Buches hat mich sehr beeindruckt und fasziniert und als es bei mir angekommen ist, konnte ich es gar nicht fassen, wie großartig es aufgemacht ist und wie wunderschön es ist. Ich habe mich lange mit diesem Buch beschäftigt, nicht nur mit seinem Inhalt, sondern auch mit seinem Äußeren. Es ist ein echter Schatz. Der Schutzumschlag ist transparent und aus stabilem Plastik. Aufgedruckt sind auf den Innenseiten der Klappentext und die Autorenbeschreibung, auf der Vorderseite der Titel sowie in Hellblau die Umrisse des Kopfes eines Mädchens. Erst durch den weißen Einband des Buches, auf den sich der Schutzumschlag legt, werden diese Aufdrucke sichtbar und lesbar. Der Einband des Buches selbst fühlt sich wie sehr hochwertiges Leinen an. Hier aufgedruckt ist der gleiche Umriss des Kopfes wie auf dem Schutzumschlag, nur in Rosa und spiegelverkehrt. Legt man nun den Schutzumschlag um das Buch, ergibt sich ein faszinierendes Zusammenspiel der Farben. Nehmt das Buch unbedingt mal in die Hand, wenn ihr es im Buchladen beim Stöbern seht, und macht mal den Schutzumschlag ab. Ich bin wirklich begeistert von der Aufmachung!

Und wenn ihr das Buch dann schon mal in der Hand habt, dann nehmt es am besten auch direkt mit. Denn es ist so so so lesenswert! Bücher über Zwillinge habe ich durchaus schon gelesen, auch über Geschwisterbeziehungen allgemein. Aber bislang habe ich noch kein Buch über siamesische Zwillinge gelesen, umso faszinierender fand ich dieses Werk von Sarah Crossan.

Und aufgepasst - jetzt kommt auf den ersten Blick ein Widerspruch in sich: Selten habe ich so schnell so ein umfangreiches Buch gelesen und mich dabei doch so intensiv mit dem Inhalt beschäftigt. Denn: Mit seinen gut 420 Seiten ist "Eins" schon ein ordentlicher Schmöker, aber dennoch habe ich wohl nur drei Stunden zum Lesen gebraucht. Denn die inhaltliche Gestaltung erinnert an einen Gedichtband. Oft sind es nur wenige Zeilen, die auf die einzelnen Seiten gedruckt wurden, mit Überschriften, kurzen Zeilen und Absätzen. Beim Lesen passt man sich automatisch diesem Rhythmus an und liest in einem ganz eigenen und besonderem Tempo, was das Lesevergnügen wirklich einzigartig macht.

Über einen Zeitraum von acht Monaten (von August bis März) begleitet man als Leser Tippi und Grace. Man erlebt ihren Alltag, man geht mit ihnen zur Schule, man sitzt mit ihnen zusammen am Frühstückstisch, man begleitet sie in ihrer Freizeit. Und dabei ist dieses Buch so viel mehr. Denn natürlich sitzen Tippi und Grace nicht einfach am Frühstückstisch. Sie benötigen dafür einen extra breiten Stuhl. Und natürlich gehen Tippi und Grace nicht einfach so zur Schule. Denn selbst die Schuluniform, die alle Schüler tragen müssen, schafft es nicht, dass Grace und Tippi so aussehen wie alle anderen. Und natürlich ist der Alltag von Tippi und Grace alles andere als normal. Denn da ist der Vater, der verzweifelt auf der Suche nach einem Job ist, um seine Familie zu ernähren, und dabei doch immer wieder scheitert und sich dem Alkohol hingibt; da ist die jüngere Schwester, die sich verbissen im Balletttraining vergräbt, um vor allem für ihre Eltern mehr zu sein als nur die Schwester von Tippi und Grace, und die dabei doch immer mehr entschwindet. Da ist zwar die Lust am Leben, aber dann ist da eben auch der Wunsch, einfach mal allein sein zu können. Da sind die Therapiestunden. Da ist die Angst vor der Zukunft.

Ich-Erzählerin des Buches ist Grace. Sie spricht oft von einem "Wir", aber letztlich sind es ihre Gedanken, die man als Leser am intensivsten mitbekommt. Es sind sehr erwachsene Gedanken, die sie mit dem Leser teilt. Wenn sie zum Beispiel erzählt, dass es wirklich nicht so schlimm sei, mit ihrer Schwester verwachsen zu sein, denn schließlich gebe es ganz andere Fälle von siamesischen Zwillingen, die mit zusammengewachsenen Köpfen oder Herzen leben müssen oder zu zweit nur zwei Arme haben. Oder wenn sie sich fragt, ob es ihre jüngere Schwester Dragon nicht nervt, mit ihnen verwandt zu sein und ob sie das nicht auch zum Freak macht. Es sind sehr bewegende Gedanken, die tief in mir als Leserin viel bewirkt haben. Grace ist eine sehr toughe Ich-Erzählerin, die ich für ihre Einstellung zum Leben extrem bewundert habe. Es ist großartig, wie es Sarah Crossan gelingt, Grace den Lesern des Buches so nahe zu bringen, dass man sich fühlt, als wäre man selbst mit Grace verwachsen. Sie kommt dem Leser so nahe, ihre Geschichte und ihre Gedanken und Gefühle werden so lebendig, dass man gar nicht anders kann, als mit ihr zu fühlen. Man fühlt die Einschränkungen, die ihr Leben mit sich bringt, aber man fühlt auch den enormen Spaß am Leben, die Freude über Kleinigkeiten, die erste Liebe, den Wunsch, doch endlich mal ein paar Minuten für sich selbst zu haben, die Angst, als die Ärzte sie und ihre Familie vor die schwerste Entscheidung ihres Lebens stellen. Denn das Buch nimmt eine drastische Wende.

Dieses Buch ist so viel mehr und so tiefsinnig, dass es gar nicht für eine Rezension reicht. Lest dieses Buch unbedingt selbst! Und vielleicht wisst ihr jetzt auch, warum es kein Widerspruch war, zu schreiben, dass ich noch nie so schnell so ein dickes Buch gelesen habe und dennoch so viel Zeit damit verbracht habe. Denn das Leseerlebnis war so intensiv und das Buch wirkt lange nach. Es hat gut getan, diese Rezi zu schreiben und dabei das Buch noch einmal zu durchleben.


Mein Fazit

"Eins" ist ein ganz einzigartiges und besonderes Buch, das nicht nur von der Aufmachung her überzeugt, was den Schutzumschlag, den Einband und den Textsatz betrifft, sondern vor allem auch durch den Inhalt, der so intensiv und bewegend ist.