Eine Sci-Fi-Geschichte mit einer sarkastischen Heldin und vielen Skeletten
Ich bin GideonGideon Nav verabscheut den Ort, an dem sie aufgewachsen ist. Der Neunte ist ein düsterer Planet mit noch finsteren Gestalten, gruseligen Ritualen und strengen Regeln. Aber vor allem hat Gideon genug von ...
Gideon Nav verabscheut den Ort, an dem sie aufgewachsen ist. Der Neunte ist ein düsterer Planet mit noch finsteren Gestalten, gruseligen Ritualen und strengen Regeln. Aber vor allem hat Gideon genug von Harrowhark Nonagesimus, der Erbin des Neunten Hauses, die ihr seit ihrer Kindheit das Leben schwer macht. Für Gideon steht fest – sie muss endlich runter von diesem Planeten. Nur ist das leider leichter gesagt, als getan …
„Ich bin Gideon“ hat mich vor allem durch das absolut geniale Cover angezogen, dass zum Glück weitestgehend aus dem Englischen übernommen wurde. Der Klappentext klang definitiv auch vielversprechend – eine Sci-Fi-Geschichte, kombiniert mit Nekromantie und vielen Skeletten, einem düsteren Kult und einer Protagonistin, die mit jedem Atemzug Sarkasmus versprüht und immer einen Spruch auf den Lippen hat. Merkwürdige Kombination, aber wirklich sehr interessant.
Merkwürdig ist auch das Wort, dass dieses Buch für mich am besten beschreibt. Die Geschichte rund um die neun verschiedenen Häuser war auf jeden Fall etwas ganz Neues. Es war einfach anders, als alles, was ich bisher gelesen hatte. Dadurch hat die Geschichte eine Faszination auf mich ausgeübt, die mich wie einen Sog erfasste und mit sich riss. Ich war so gespannt, was dieses Buch zu bieten hat. Ich glaube, man hört das große ABER schon aus meinen Worten heraus. Ich hätte mir gewünscht, dass es ein Highlight wird – Potenzial dafür war nämlich definitiv vorhanden. Aber leider, leider, leider wurde es kein Highlight. Damit will ich nicht sagen, dass „Ich bin Gideon“ schlecht war. Auf keinen Fall. Ehrlich gesagt fällt es mir ziemlich schwer, Worte für diese Geschichte zu finden oder mir überhaupt klar darüber zu werden, ob ich es nun mochte oder eher nicht.
Aber fangen wir mit den positiven Aspekten an – und da gab es wirklich einige. Der Schreibstil ist wirklich angenehm und lässt sich super und sehr schnell lesen. Manche Gespräche zwischen den verschiedenen Nekromanten waren durch viele „wissenschaftliche“ Fachbegriffe etwas kompliziert, haben aber – zumindest bei mir – nicht den Lesefluss gestört.
Das Highlight des Buches war für mich ganz klar unsere Protagonistin Gideon. Sie war so unglaublich witzig – ich mochte ihre Art so sehr und habe ständig über ihre Sprüche lachen müssen. Das hat einfach genau meinen Humor getroffen und viele brenzlige Situationen aufgelockert. Es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht, sie zu begleiten, über ihre Kämpfe zu lesen und mehr über ihre Vergangenheit mit dem Neunten Haus und Harrow zu erfahren.
Ab und an hat sie nicht richtig nachgedacht und einfach wie ein Hitzkopf gehandelt – sie war kein perfekter Charakter, aber sind wir doch ehrlich – die Macken und Fehler machen Charaktere erst richtig interessant. Sie war total badass, witzig und einfach cool.
Auch Harrow als zweiten wichtigen Charakter mochte ich sehr. Der ständige Schlagabtausch mit Gideon, ihre Streitereien, ihr Hass – das war einfach so witzig und unterhaltsam. Und vor allem fand ich hier gut, wie sich die Beziehung der beiden mit den schlimmen Ereignissen, die über sie hereingebrochen sind, immer weiter gewandelt und entwickelt hat. Mir persönlich hat es gut gefallen zu sehen, wie sich diese beiden scheinbar völlig unterschiedlichen Charaktere zusammenreißen und an einen Strang ziehen mussten – einander sogar ein gewisses Maß an Vertrauen entgegenbringen mussten – wenn sie überleben wollten.
Auch die ganzen Nebencharaktere haben mich fasziniert. Sie waren alle so unterschiedlich – bei dem ein oder anderen hätte ich mir eventuell noch mehr Informationen, mehr Tiefe gewünscht, aber bei der Vielzahl an Charakteren war das im Grunde schon in Ordnung so. Einige der Nebencharaktere sind mir sogar richtig ans Herz gewachsen.
Und nun muss ich leider zu meinem großen negativen Punkt kommen – dem Worldbuilding. Normalerweise sage ich immer, dass mir die Charaktere am wichtigsten bei einer Geschichte sind. Die Handlung und auch die Welt müssen nicht das originellste sein, was ich je gelesen habe, solange die Charaktere genial sind – und das war in dem Buch auf jeden Fall gegeben. Aber hier hat mir so unglaublich viel bezüglich des Worldbuildings gefehlt, dass es mir zwischenzeitlich wirklich den Lesespaß genommen hat. Die Grundidee war so interessant und einfach mal etwas anderes. Aber warum wurde dann so wenig zu dieser neuen und vielversprechenden Welt erklärt? Im Grunde wurde so gut wie gar nichts erklärt. Man wird in die Geschichte geworfen, als Gideon gerade ihren Fluchtversuch startet. Soweit so gut. Aber über 600 Seiten bekommt man nur Bruchstücke bezüglich der Welt, wie sie funktioniert, was das alles überhaupt bedeutet, wie genau die Häuser entstanden sind, welchem Zweck sie dienen etc. vor die Füße geworfen und darf die Krümel selbst zusammensuchen. Ich war selten so frustriert, weil ich so verwirrt war. Es hagelte Begriffe, mit denen ich nichts anfangen konnte, die aber – wie gesagt – auch nicht wirklich erklärt wurden und deren Bedeutung ich mir dann selbst zusammenreimen durfte. Anfangs hat meine Verwirrung und die vielen Fragezeichen in meinem Kopf dazu geführt, dass ich erst recht weiterlesen wollte, in der Hoffnung, bald Antworten zu finden. Aber nein, leider nicht.
Im Mittelteil hat sich die Geschichte leider auch etwas gezogen, weil es mit der Handlung nur bedingt vorwärts ging und ich eine Weile sowieso nicht so richtig wusste, wohin mich die Story eigentlich führen will.
Ab der Hälfte wurde es dann zum Glück ziemlich spannend, weil allerhand passierte und die Geschichte meiner Ansicht nach kurz in eine geheimnisvolle Mystery-Richtung abdriftete. Das Ende war dann leider wieder etwas zäh mit sehr vielen Kämpfen und immer noch keinen wirklichen Erklärungen.
Das Buch war wirklich auf keinen Fall schlecht und es hat mir die meiste Zeit über auch sehr viel Spaß bereitet, Gideon und Harrow zu begleiten. Wer eine düstere, atmosphärische Nekromanten-Geschichte im Weltraum mit sehr viel Humor und Sarkasmus sucht, kommt hier definitiv auf seine Kosten. Es ist wirklich so schade, dass dieses interessante und vielversprechende Buch mich mit leichter Frustration zurückgelassen hat, weil mir am Ende noch einiges unklar war und meine Hoffnung, mehr über die Welt zu erfahren, spätestens auf der letzten Seite zerplatzte. Eventuell wird der zweite Band in der Hinsicht besser, das bleibt abzuwarten.
Ich kann mich ehrlich gesagt auch nicht so richtig für eine Sternebewertung entscheiden. Zwischenzeitlich war ich mir sicher, dass es mindestens ein 4-Sterne-Buch werden wird, vielleicht sogar besser. Das Ende hat mich aber so ernüchtert, dass ich dann doch eher zu 3 Sternen tendiert habe. Ich glaube, ich werde einfach die Mitte mit 3,5/5 Sternen wählen. Ich glaube, von der Geschichte muss man sich wirklich sein eigenes Bild machen und ich könnte mir vorstellen, dass andere Leser meinen Kritikpunkt gar nicht so schlimm sehen und sehr viel Spaß an „Ich bin Gideon“ haben werden. Deswegen möchte ich trotzdem auf jeden Fall eine Empfehlung für diese besondere und ganz neue Geschichte aussprechen. Vielleicht liefert mir Band 2 ja endlich die ersehnten Antworten!