Stimmungsvoller, anrührender, kitschfreier Selbstfindungsroman, der unter die Haut geht.
Sehnsucht nach St. KildaSt. Kilda 1930:
Die kleine Annie liebt mit ihrer Familie auf einer beschaulichen Insel, vor der Küste Schottlands gelegen. Doch diese ist so abgelegen, dass sich höchstens im Sommer Touristen auf der ...
St. Kilda 1930:
Die kleine Annie liebt mit ihrer Familie auf einer beschaulichen Insel, vor der Küste Schottlands gelegen. Doch diese ist so abgelegen, dass sich höchstens im Sommer Touristen auf der Insel sehen lassen. Die Winter sind streng und Nahrung ist zumeist sehr knapp. Und eine ausreichende ärztliche Versorgung ist ebenfalls nicht gegeben. Dennoch liebt Annie die Insel mit jeder Faser ihres Herzens. Da es für die Dorfbewohner jedoch immer schwerer wird, die Winter zu überstehen, beschließen sie schweren Herzens die Insel zu verlassen um stattdessen auf dem Festland zu leben. Annie ist unglücklich, doch zumindest ist ihr bester Freund Finlay auf dem Schiff das sie in die neue Heimat bringt, dabei….
London 2005:
Nachdem ihr geliebter Mann verstirbt, lebt Rachel nun mit ihrem kleinen Sohn allein in der Großstadt und hält sich eher schlecht als recht, mit gleich mehreren Jobs über Wasser. Dazu hat ihr kleiner Sohn große Probleme in der Schule, wird gemobbt und verprügelt. Als er eines Tages nach einem Treppensturz, mit einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus eingeliefert wird, ist Rachel klar, dass sie fort muss aus London. Sie beschließt mit ihrem Sohn zusammen einen Neuanfang zu wagen. Kehrt dafür der Großstadt den Rücken und zieht zu ihrer Großmutter Annie ans Meer.
Doch auch dort wachsen gut bezahlte Jobs nicht auf Bäumen. Ausgerechnet auf St. Kilda jedoch, Annies Heimatinsel, wird für vier Wochen eine Haushaltshilfe gesucht. Annie rät ihr dazu, die Stelle anzunehmen. Währenddessen will sie auf Rachels kleinen Sohn aufpassen. Obwohl Rachel zunächst zögert, lässt sei sich am Ende doch überreden. Und befindet sich nur wenige Tage später auf der windumtosten Insel. Dort lernt sie den Fotografen Ailic kennen, der seit einem schrecklichen Unfall sein seelisches Gleichgewicht verloren hat und sich auf der Insel eine kleine Auszeit nehmen will, während er nebenbei einen kleinen Auftrag übernommen hat.
Obwohl Ailics und Rachels erstes Zusammentreffen nicht gerade harmonisch zu nennen ist, spüren beide doch schnell, dass sie sich zueinander hingezogen fühlen. Doch mehr als eine Affäre ist für Rachel und Ailic nicht drin. Zu groß sind Rachels und Ailics Verlustängste. In den Wochen auf St. Kilda müssen beide jedoch lernen, dass das Leben nicht planbar ist…
„Sehnsucht nach St. Kilda“, ist bereits der zweite Roman den ich von der Autorin las und genau wie auch „Der Herzschlag der Steine“, spielt Isabel Morlands aktueller Roman auf einer Insel, die zu den äußeren Hebriden gehört. Besagte Insel gehört zu den Brutgebieten vieler Seevögel, wie etwa Eissturmvögel, Basstölpel oder Papageientaucher. Die Autorin hat sehr viele historische Fakten in ihre Geschichte einfließen lassen, um den Lesern, das schwere Leben der Insulaner bis zu deren Evakuierung im Jahre 1930, näher zu bringen. Immer im Wechsel erzählt Isabel Morland Annies und Rachels Geschichte. Allerdings beschränkt sich die Autorin dabei lediglich auf Annies Kindheitserlebnisse, was ich ein wenig schade fand. Ich hätte sehr gerne mehr über ihren Werdegang erfahren wollen, ab dem Moment, als sie und ihre Familie fortziehen mussten von der Insel. Und leider erschloss es mir auch daher nicht, dass sie und Finlay Liebende im Geiste waren. Denn beide waren zum Zeitpunkt, als sie sich trennen mussten ja noch Kinder. Beste Freunde, Vertraute ja, aber Liebende?
Abgesehen von diesem Minikritikpunkt hat mir „Sehnsucht nach St. Kilda“ allerdings sehr gut gefallen- sogar noch ein Tickchen besser als „Der Herzschlag der Steine“. Ich fand den Roman atmosphärisch dicht geschrieben, die bildhaften Inselszenerien ließen mich schnell abtauchen in die Story und die Romanfiguren sind sympathisch gestrickt. Man kann sich gut in die Akteure hineinversetzen, ihre Gedanken- und Gefühlswelt wird sensibel beleuchtet und selbst nach dem Lesen hallte die Geschichte noch ein wenig in mir nach. Ich war danach so neugierig auf St. Kilda, dass ich mir im Web Berichte über die damalige Evakuierung der Bewohner und zahlreiche Bilder ansah.
Zugegeben, Liebesromanfans, die sich nicht nur eine unter die Haut gehende Liebesgeschichte erhoffen, sondern dazu einige erotische Liebesszenen erwarten, werden eine kleine Enttäuschung erleben. Denn die Autorin überlässt jegliche Liebesszenen, die über einen Kuss hinausgehen, der Phantasie des Lesers. Wer damit leben kann, wird bestimmt genauso wie ich verzaubert sein von dem stimmungsvollen Roman.
Kurz gefasst: Stimmungsvoller, anrührender, kitschfreier Selbstfindungsroman, der unter die Haut geht.