„...Siehst du, Lettie, so geht man mit Jungen um. Die sind genau wie alle Mannsbilder: Sorge dafür, dass sie sich wie echte Kerle fühlen, dann fressen sie dir aus der Hand...“
Lettie Louw lebt in einem kleinen Ort in Südafrika. Ihr Vater ist Arzt. Zusammen mit ihren Freundinnen Klara, Christine und Annabel verbringt sie die Kindheit. Klaras Bruder De Wet ist der umschwärmte Star bei den jungen Mädchen. Lettie allerdings sieht keine Chance, weil sie mit ihren hübschen Freundinnen nicht mithalten kann, denn sie ist vollschlank. Sie entschließt sich, Medizin zu studieren, um später die Praxis ihres Vaters zu übernehmen.
Die Autorin erzählt bewegende Lebensschicksale über einen Zeitraum von etwa 50 Jahre. Im Mittelpunkt steht Lettie, doch auch das Leben ihrer Freundinnen darf ich mitverfolgen.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Er unterstützt die abwechslungsreiche Handlung.
Die Personen werden ausreichend charakterisiert. Während Christine im Freundeskreis eher zurückhaltend ist, steht Annabel gern im Mittelpunkt. Schnell hat sie begriffen, wie sie bei den Jungen mit ihrem Äußeren punkten kann. Das Eingangszitat stammt von ihr. Annabel hat kein Problem damit, andere auf ihre Unzulänglichkeiten hinzuweisen. Ihre Art von Freundschaft ist sehr gewöhnungsbedürftig.
Während in den Geschehnissen in Südafrika die Politik so gut wie keine Rolle spielt und höchstens marginal vorkommt, steht sie in einem zweiten Handlungsstrang im Mittelpunkt.
Der junge Italiener Marco Romanelli verliebt sich in die Jüdin Rachel Rosenberg. Das wird bei ihm Spuren für sein gesamtes künftiges Leben hinterlassen und ihn nach Südafrika führen.
Die Autorin versteht es, die Emotionen ihrer Protagonisten nachvollziehbar wiederzugeben, sei es die Freude über das Erreichte, die Trauer bei Tod und Verlust oder die Eifersucht, die zu falschen Entscheidungen führt. Gleichzeitig werden die inneren Kämpfe der Protagonisten wiedergegeben. Besonders deutlich wird es in dem Kapitel, wo Eltern ihren Sohn gehen lassen, weil das für eine Gesundheit das Beste ist. Sie wissen in dem Moment nicht, ob sie ihn je wiedersehen.
Ein Thema durchzieht mehrere Kapitel des Buches. Nach dem zweiten Weltkrieg kam es zu einer epidemischen Ausbreitung der Kinderlähmung. Das betraf auch Südafrika Durch Lettie als Ärztin erfahre ich, wie die Krankheit wirkte und welche Behandlungsmöglichkeiten es gab, um die Folgen abzumildern. Eine Heilung war nicht möglich, aber die Suche nach eine Impfstoff wird ebenfalls thematisiert. Es ist hart, wenn man als Ärztin den Eltern sagen muss, dass eine Krankheit bleibende Behinderungen hinterlassen wird. Für die jungen Patienten zerschlägt sich so manch Lebenstraum.
Die folgenden Worte von Lettie bilden den Rahmen für all das Geschehen:
„...Meine Mutter hat mir einmal, das ist schon einige Jahre her, gesagt, dass das Leben manchmal auf verschlungene Pfaden verläuft, aber trotzdem passiert immer das, was Gott im Himmel vorherbestimmt hat...“
Christliche Fragen werden gekonnt in die Handlung integriert, ohne bewusst im Vordergrund zu stehen. Das Gebet gehört in den Familien zum Alltag.
Im Ort entwickelt sich um Lettie, Klara und Christine ein Freundeskreis, der auch schwere Zeiten durchsteht. Daraus folgt die Erkenntnis:
„...Mit guten Freunden ist es genau wie mit gutem Wein und guter Musik: Sie gehören zum Wesentlichen des Lebens...“
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es spiegelt das Leben in seine ganzen Vielfalt wider.