Einer für alle und alle für einen
Die Augen spielen dem Verstand einen Streich, weil Sehende sich blind auf sie verlassen. Das kann Jenny Aaron nicht passieren. In den letzten fünf Jahren und sechs Monaten haben sie und ihre Sinnesorgane ...
Die Augen spielen dem Verstand einen Streich, weil Sehende sich blind auf sie verlassen. Das kann Jenny Aaron nicht passieren. In den letzten fünf Jahren und sechs Monaten haben sie und ihre Sinnesorgane eine vollkommen neue Beziehung entwickelt. Bemerkenswerte Fähigkeiten hat sie entwickelt, zusätzlich zu jenen, die sie zuvor schon hatte. Jenny ist eine tödliche Waffe, von klein auf von ihrem Vater darauf trainiert und später vervollkommnet in ihrer Ausbildung. Eine Vergangenheit, die auch zur Last werden kann, so wie jedes einzelne Ereignis, jeder einzelne Auftrag seine Spuren auf ihrer Seele hinterlässt. Die Abteilung, dieses im Verborgenen agierende Gebilde, zwischen BKA, GSG9 und KSK ist ein Hochleistungsbetrieb, eine Maschine aus menschlichen Maschinen – und für die Menschen ein Zuhause, eine Familie, der Himmel und die Hölle zugleich. Dann wird dieses Gebilde hart getroffen, und es wird für alle Beteiligten zur einzig wichtigen Angelegenheit, die Hintergründe aufzudecken und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Der Gegner ist bekannt, und Jenny ist plötzlich mit einer Art Alter Ego konfrontiert und alten Bekannten, mit denen sie ohnehin noch die ein oder andere Rechnung offen hat, nun mehr denn je – doch offensichtlich beruht dies auf Gegenseitigkeit.
Vor ihrer Erblindung gehörte Jenny Aaron zur Abteilung, dann nicht, dann doch wieder, aber nicht so richtig – wie in jeder Beziehung manchmal – „es ist kompliziert“. Fakt ist, sie braucht die Abteilung und die Abteilung und die Menschen in der Abteilung brauchen sie, ihr Gespür, ihre Fähigkeiten. So auch in diesem dritten, abschließenden?, Band der Reihe von Andreas Pflüger, um Jenny Aaron. Wie auch zuvor wird der Leser mit ihren besonderen Fähigkeiten konfrontiert und davon in den Bann gezogen, wie sie damit umgeht, diesmal auch damit, wie es ihr geht, als sie tatsächlich wie im Vorgängerband schon angedeutet, eine Therapie beginnt, es Hoffnung gibt auf eine Rückkehr der Sehkraft, doch will sie das, will sie wieder Gefahr laufen, dass Augen und Verstand ihr Streiche spielen?
Für mich heben sich die Bücher von Andreas Pflüger deutlich ab aus dem manchmal zugegebenermaßen doch recht vergleichbaren Thriller-Einerlei. Nicht nur, dass die Thematik, die Protagonisten einmal aus einem ganz anderen Umfeld stammen, hier ist einfach vieles anders. Die Themen an sich, die Strategien, Vorgehensweisen, Lösungen sind hart und brutal und häufig auch von sehr großer Sachlichkeit geprägt. Dadurch entsteht in meinen Augen, ein ganz spezieller, mittlerweile auch unverwechselbarer Erzählton des Autors, den ich sehr mag. Was ich grandios finde, ist wie er für die Menschen in der Abteilung eine so ganz eigene Art der internen Kommunikation entwickelt hat. Ich könnte seitenweise dem Sarkasmus, den lakonischen Bemerkungen, den harten aber so ehrlichen Worten folgen, die sie für einander finden. Immer hochkonzentriert, manchmal scherzend, immer bereit sich für den anderen in den Kugelhagel zu werfen um ihn zu retten. Insbesondere dieser Ton des Autors hat für mich einen ganz großen Anteil am Reiz, den diese Reihe auf mich ausübt.
Fazit: Absolute Leseempfehlung, wie auch schon die ersten beiden Bücher, spannend, intelligent, beeindruckend. Man sollte nicht mit diesem dritten Band der Reihe beginne, sondern mit dem ersten. Zum einen finde ich ein bisschen Background wichtig, um alles zu verstehen, was mit und um die Protagonisten so vor sich geht, und zum anderen sie die Bücher einfach zu gut, um nur dieses eine zu lesen und die anderen nicht zu kennen!