Enttäuschend - Interessante Ausgangslage, jedoch teilweise zäh zu lesen, Fragen bleiben offen
Das BücherhausFolgender Satz aus dem Klappentext hat in mir große Erwartungen geweckt:
»Dieses Buch kann Ihr Leben verändern!«, Wall Street Journal
Worum geht es in dem Buch?
Der Autor, John Kaag, ein vierzigjährige ...
Folgender Satz aus dem Klappentext hat in mir große Erwartungen geweckt:
»Dieses Buch kann Ihr Leben verändern!«, Wall Street Journal
Worum geht es in dem Buch?
Der Autor, John Kaag, ein vierzigjährige amerikanische Philosophieprofessor, stößt durch Zufall in in New Hampshire auf die Bibliothek von William Ernest Hocking.
Hocking sei laut Kaag einer der letzten großen Denker Amerikas gewesen.
Kaag entdeckt in der Bibliothek seltene Erstausgaben und Briefe bekannter Autoren und Philosophen, und er macht sich daran, den Bestand zu sichten.
Während er ausführlich die Landschaft und die Einrichtung der Gebäude beschreibt, erzählt er auch kurz von seiner Kindheit und seinem alkoholkranken Vater. Kaag hat mir Depressionen zu kämpfen und stellt sich, wie William James, die Frage: “Ist das Leben lebenswert?”
"Auf der einen Seite klammern wir uns an die Hoffnung, dass unsere Welt sowohl vernünftig als auch bedeutsam ist; auf der anderen Seite kommen wir vielleicht zu der Einsicht, dass sie weder das eine noch das andere ist."
Den Einstieg fand ich gelungen. Der Autor stellte Fragen und schilderte Gefühle der Einsamkeit, die wohl jeder Mensch hat.
»Wir leben allein, unsere tiefsten Gedanken und die reinsten in unserem innersten Bewusstsein bleiben ungeträumt von der gemeinen Masse.« (Ella Lyman Cabot)
Er schlug einen geschichtlichen Bogen, zurück zu Descartes, Hobbes, Dante, Kant. Und er ging auf Determinismus, Zufall und den amerikanischen Pragmatismus ein.
Ab dem ersten Drittel zerfaserte für mich der Plot. Er erwähnte Namen von (für mich) unbekannten, amerikanische Philosophen, ohne mehr zu ihnen zu erzählen. Er zitierte Griechisch (ohne Übersetzung) und englische Gedichte (mit Übersetzung). Er erwähnte Emerson und Thoreau und Whitman.
Kaags Ehe zerbrach und er zitierte Michel Montaigne »Die Ehe ist wie ein Käfig; man sieht die Vögel außerhalb, die verzweifelt versuchen, hineinzukommen, und diejenigen, die sich ebenso verzweifelt bemühen, wieder herauszugelangen.«
“In einem Pfandhaus außerhalb von Derry verkaufte ich (Kaag) meinen Ehering für 278 Dollar, gerade genug Geld, um eine Kiste mittelmäßigen Pinot Noir zu kaufen, den ich brauchte, um zeitweilig die ganze Qual zu vergessen.”
Der Autor war mir inzwischen unsympathisch geworden. Die Schilderungen seiner Gefühle blieben für mich an der Oberfläche. Es erschien mir, als versuche er ein bestimmtes Bild von sich zu stilisieren. Beim Lesen hatte ich hingegen Mr. Collins aus “Stolz und Vorurteil” vor Augen.
Im letzten Drittel des Buches ging Kaag auf Frauen in der Philosophie ein. Deren Bücher standen auf dem Dachboden von Hockings Anwesen. Bei diesen Schriften hatte ich den Eindruck, dass sie mehr an der Realität orientiert waren und zum Ziel hatten die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu verbessern.
“Frauen wurden zu Schlichtheit und Wahrhaftigkeit ermahnt, damit sie noch etwas ›ansehnlicher‹ werden würden. Von den Männern wurde Gottgefälligkeit erwartet, aber die Frauen sollten bloß den Männern gefallen.”
Zum Ende hin landete Kaag bei Sartre: “nämlich dass die Menschen in dieser Welt vollkommen allein und deshalb radikal und unerschütterlich frei sind.”
Den autobiographischen Teil der Geschichte fand ich wenig berührend, da der Autor weder groß über Emotionen schrieb, noch seine Gedanken und die Schlussfolgerungen nachvollziehbar machte. Er zitierte verschiedene Philosophen, erläuterte dem Leser aber nicht, wieso er sich für diese entschieden hatte und vor allem nicht, wie der Leser selbst in einem Dickicht aus widerstreitenden philosophischen Ansichten eine passende Antwort für sich selbst finden könnte.
Meine Meinung stimmt mit der Kaags überein: Wir sind auf uns allein gestellt und entscheiden selbst, wie wir leben.
Damit endete Kaags Buch. Viel zu früh.
Für mich wird es ab diesem Punkt der Erkenntnis erst richtig interessant. Denn es stellt sich die bedeutende Frage:
“Wie sollte man leben und wie findet man dies für sich heraus?”
Kaags Kritik, die Denker und Philosophen hätten sich in ihren Elfenbeinturm zurückgezogen und nichts Hilfreiches mehr zu Außenpolitik und Religion beizutragen, kann ich übrigens nicht nachvollziehen. Gerade in den letzten Jahren wurde viel zu den Themen “Selbst”, Atheismus, Spiritualität und Werten veröffentlicht.
Was nehme ich aus dem Buch mit?
Es gab einige nette Zitate, die im Text versteckt waren. Ich habe nun eine ungefähre Ahnung von amerikanischen Philosophen und habe einige neue Namen, wie Pierce, James und Hocking gehört.
Dieses Buch könnte Lesern gefallen, die sich für amerikanische Philosophie und alte Bücher interessieren. Ich bin aber sicher, es gibt stringenter geordnete und übersichtlichere Werke.