ein starker Roman über den langen Weg einer syrischen Flüchtlingsfamilie
Das Versprechen des BienenhütersDer andauernde Krieg in Syrien und die Flüchtlingsproblematik sind durch die aktuellen Berichterstattungen allgegenwärtig. In der Masse geht jedoch oftmals unter, dass sich darin unzählige Einzelschicksale ...
Der andauernde Krieg in Syrien und die Flüchtlingsproblematik sind durch die aktuellen Berichterstattungen allgegenwärtig. In der Masse geht jedoch oftmals unter, dass sich darin unzählige Einzelschicksale verbergen. Hier setzt Christy Lefteris Roman „Das Versprechen des Bienenhüters“ an, der im September 2019 bei Limes veröffentlicht wurde.
Beispielhaft steht hier die Geschichte von Nuri und Afra Ibrahim aus Aleppo für das Schicksal vieler, die vor Gewalt und Zerstörung in ihrer Heimat nach Europa geflohen sind. Vor dem Krieg führen Nuri und Afra ein erfülltes und glückliches Leben, Afra ist passionierte Malerin, Nuri arbeitet in dem Imkerei-Geschäft seines Cousins Mustafa mit, die Familien haben ein enges Verhältnis zueinander. Der Krieg zerstört nicht nur ihre Lebensgrundlage, in einem Bombenanschlag verliert ihr Sohn Sami das Leben, Afra ihr Augenlicht und beide die Hoffnung auf eine glückliche Zukunft.
Nuri kann seine Frau nur mit Mühen überreden, die Heimat zu verlassen und zu versuchen, sich auf den Weg nach England zu machen, wo Mustafas Familie auf sie wartet.
Das Buch ist in zwei Handlungsstränge untergliedert, die sich abwechseln. In der Gegenwart warten Nuri und Afra in England auf die Anhörung für ihr Asylverfahren, in der Vergangenheit lernt der Leser zunächst ihr Leben in Aleppo kennen und begleitet sie im Verlauf der Geschichte auf den Stationen ihrer Flucht.
Der Kontrast zwischen dem Leben vor dem Krieg, das abgesehen von der Landschaft gar nicht so anders ist als das Leben bei uns, und der Wucht der Zerstörung im Krieg mit seiner sinnlosen Gewalt hat mich beim Lesen sehr bewegt. Christy Lefteri verwendet eine sehr bildhafte Sprache, die Intensität der Geschichten war oft nur schwer zu ertragen. Ich finde es wundervoll, wie sehr es die Autorin versteht, den Leser an den Gefühlen ihrer Hauptpersonen teilhaben zu lassen. Und dabei wird wenig von Gefühlen gesprochen, im Gegenteil, Afra und Nuri sind in sich selbst gefangen, die Stimmung entwickelt sich aus ihren Eindrücken.
Als Leser begleitet man Nuri und Afra nicht nur auf ihrer Reise sondern nimmt Anteil an ihren unterschiedlichen Wegen, die traumatisierenden Ereignisse zu kompensieren und an den Veränderungen innerhalb ihrer Beziehung. Der sporadische Email-Kontakt zu Mustafa, der in England bereits mit neuen Bienenstöcken experimentiert, bietet einen Hoffnungsschimmer, um das eigene Überleben zu kämpfen.
Man spürt in diesem Roman deutlich das emotionale Engagement der Autorin, sie hat selbst zwei Sommer lang in Athen in einem Hilfszentrum für Geflüchtete gearbeitet und dort Einblick in viele individuelle Schicksale erhalten. Diese Erfahrungen verleihen der hier erzählten Geschichte zusätzliche Authentizität und Bedeutung. Diese Buch für mich eines des Highlights des Jahres.