Toller Ideenreichtum!
Optisch ist „Der Wald der träumenden Geschichten“ ein wahrer Hingucker. Beim Stöbern im Buchladen wäre mir das Buch auch als Kind – denn im Kinderbuch-Programm des Fischer Verlages ist dieses Debüt schließlich ...
Optisch ist „Der Wald der träumenden Geschichten“ ein wahrer Hingucker. Beim Stöbern im Buchladen wäre mir das Buch auch als Kind – denn im Kinderbuch-Programm des Fischer Verlages ist dieses Debüt schließlich erschienen – definitiv aufgefallen. Es ist so ein schöner dicker Schmöker, solche Bücher haben mich schon immer magisch angezogen. Und die Aufmachung des Covers und des Buchrückens fällt einfach sofort ins Auge und macht neugierig. Auch im Inneren des Buches setzt sich die wunderschöne Gestaltung fort: Das Vorsatzpapier zeigt die Abbildung des Covers erneut, jedoch in schlichtem Grau-Weiß; jedes Kapitel wird durch die Abbildung einer auf einem Ast sitzenden Eule eingeleitet, die übrigens auch auf dem Cover zu finden ist; im laufenden Text finden sich Abbildungen von Zetteln oder Schildern, die für die Handlung von Bedeutung sind; lautmalerisch werden Geräusche in Fettdruck, Kursivschrift oder einer größeren Schrift verdeutlicht. Dadurch wird das Buch interaktiv, und ich liebe so etwas einfach.
Inhaltlich überzeugt „Der Wald der träumenden Geschichten“ durch ein sehr hohes Maß an Fantasie. Nicht nur ist die Handlung an sich wunderbar durchdacht und besticht durch ihre Vielseitigkeit, ihren Abwechslungsreichtum und ihre Ideenvielfalt. Auch ist den einzelnen Charakteren des Buches anzumerken, wie viel Liebe der Autor ihnen bei der Entwicklung und Zeichnung gewidmet hat. Vor allem die fantastischen Kreaturen sind einzigartig und mit so viel Blick fürs Detail gezeichnet, dass es eine wahre Freude ist. Neben bereits bekannten Figuren wie Drachen oder Kobolden – die hier jedoch besondere Eigenschaften haben, die sie von den Fantasy-Wesen anderer Bücher unterscheiden – begegnet man zusätzlich einer Wespenhexe, einem Dutzendwolf oder einem Weltler. Malcolm McNeill hat mit seinen kreativen Ideen wirklich eine ganz eigene Welt gesponnen.
Wir Bücherwürmer kommen in dem Buch voll auf unsere Kosten, denn sehr umfassend wird die Liebe zu den Büchern thematisiert. Der Waisenjunge Max nutzt die Macht der Geschichten, um der Realität zu entfliehen und in den Büchern seinen leiblichen Eltern näher zu kommen. Und es gibt einen ganz wunderbaren Buchladen, in dem ich selbst gerne einmal stöbern würde. Doch auch ernste Themen werden angesprochen, wenn die Regierung zum Beispiel das Lesen verbietet, um die Macht der Fantasie einzugrenzen, und dabei Bücherberge anzündet.
Allgemein ist „Der Wald der träumenden Geschichte“ ein teilweise brutales und ernstes Buch. Das zeigt sich nicht nur im Verbrennen von Büchern, sondern zum Beispiel auch in Max’ Umgang mit seinen Adoptiveltern, die er im Laufe des Heranwachsens nicht mehr akzeptiert und ihnen dementsprechend schlimme Dinge an den Kopf wirft. Neben all den fantastischen Elementen geben diese Szenen dem Buch eine gewisse Bodenständigkeit und Authentizität.
Der Schreibstil von Malcolm McNeill erinnert an die Bücher von Lemony Snicket oder Colin Meloys „Wildwood“. Ich würde ihn als nicht gerade anspruchslos bezeichnen. Es gibt einige Wortspielereien, Dinge, die sich zwischen den Zeilen nur herauslesen lassen, der Ausdruck von Malcolm McNeill ist sehr ausgefeilt, dadurch an manchen Stellen aber auch etwas umständlich, wenn der Autor sich zu sehr verheddert und die Sätze dadurch etwas länger werden. Ich kann mir vorstellen, dass dies gerade jüngeren Lesern Schwierigkeiten bereiten könnte. Dazu kommt, dass die Handlung zu einem Teil in Frankreich spielt und dementsprechend die Charaktere auch Französisch sprechen. Zwar findet sich sofort auch die deutsche Übersetzung dazu, aber als Leser, der die französische Sprache nicht beherrscht, stolpert man beim Lesen doch darüber.
Mein Fazit
„Der Wald der träumenden Geschichten“ besticht durch den Ideenreichtum des Autors und die Vielseitigkeit der Handlung, ist für jüngere Leser aber eine doch eher anspruchsvolle Lektüre.