Eine ganz besondere Leseerfahrung
“Wie viel Leben passt in eine Tüte?” – der Titel für dieses Buch könnte wohl kaum treffender gewählt sein. Er ist nicht nur originell, sondern passt auch noch perfekt zum Inhalt. Als ich gesehen habe, ...
“Wie viel Leben passt in eine Tüte?” – der Titel für dieses Buch könnte wohl kaum treffender gewählt sein. Er ist nicht nur originell, sondern passt auch noch perfekt zum Inhalt. Als ich gesehen habe, dass das Buch im Gabriel Verlag erschienen ist, hatte ich die Vermutung, dass es sich um ein religiös angehauchtes Buch handeln könnte. Aber das hat sich nach dem Lesen nicht bestätigt, obwohl beim Gabriel Verlag auch viele religiöse Bücher erschienen sind / erscheinen. Die Aufmachung des Buches finde ich ebenfalls ganz besonders. Die Buchstaben des Titels auf dem Schutzumschlag sind ausgestanzt und darunter scheint der Einband des Buches durch. Das habe ich so bislang noch bei keinem anderen Buch gesehen und finde es ebenfalls sehr originell. Da hat sich der Verlag wirklich etwas einfallen lassen.
Der Roman gliedert sich in 40 Kapitel, die als Überschrift jeweils einen Songtitel und den Namen des Künstlers tragen. Die ausgewählten Lieder passen nicht nur zu den Ereignissen der jeweiligen Kapitel, sondern ergeben fast ganz am Ende sogar noch einen viel größeren Sinn, den ich aber an dieser Stelle natürlich nicht verraten werde. :wink: Geschrieben ist “Wie viel Leben passt in eine Tüte?” in der Vergangenheitsform aus Sicht der Ich-Erzählerin Rose.
Die Handlung des Buches umfasst noch viel mehr als “nur” die Trauerbewältigung von Rose. Denn auch ihr Vater und ihr Bruder leiden natürlich sehr unter dem Verlust der Ehefrau bzw. Mutter. Und leider hat Roses Vater einen ganz bestimmten Weg gefunden, mit seinem Schmerz umzugehen. Rose muss lernen, die Verantwortung für ihn zu übernehmen, da er selbst keine Kraft hat und einen verzweifelten Ausweg aus seiner Trauer sucht. Zum Glück bleibt Rose damit nicht lange allein, denn ihre Großmutter und gleichzeitig Mutter von Roses Vater taucht unerwartet auf, um das Familienleben wieder ins rechte Lot zu rücken. Sie ist eine tolle Figur und ich habe sie von Anfang an gemocht, auch wenn sie nicht ganz einfach ist. Überhaupt sind die Figuren in diesem Buch allesamt sehr liebevoll und detailreich gezeichnet. Jeder Charakter ist sehr greifbar und lebendig und baut eine gewisse Beziehung zu dem Leser auf. So ist es auch bei Roses Freundinnen, die versuchen, sie wieder in den gewöhnlich Alltag des Schullebens zu integrieren und sie auch mehr in ihre Freizeitaktivitäten einzubeziehen. Bislang hat sich Rose sehr zurückgezogen und viel Zeit zu Hause verbracht. Aber nach und nach merkt sie, wie wichtig es ist, Freunde zu haben und Zeit mit ihnen zu verbringen. Das war wirklich sehr schön zu beobachten. Vor allem, weil Roses Freundinnen einfach nur Gold wert sind und mich stellenweise mit ihren Aktionen zum Lachen gebracht haben.
Obwohl dieses Buch doch sehr gefühlvoll ist und vor allem auf zwischenmenschlicher Ebene viel passiert, war es mir stellenweise doch zu oberflächlich. Ich hätte mir an manchen Stellen doch mehr Erklärungen oder Hintergrundinformationen gewünscht. Roses Mutter, die nur indirekt eine Rolle in diesem Buch spielt, hätte ich gerne näher kennengelernt, vielleicht durch mehr Rückblicke in die Vergangenheit. Ich kann verstehen, warum sie nur selten in Gesprächen erwähnt wird – denn natürlich fällt es Rose und ihrer Familie nach ihrem Tod sehr schwer, über sie zu reden. Aber irgendwie ist sie doch eine so wichtige Figur in diesem Buch, dass ich gerne mehr über sie erfahren hätte.
Stellenweise war mir die Handlung dann auch etwas zu vorhersehbar. Wirklich überraschend kommt die Liebe zwischen Will und Rose nun wirklich nicht. Und auch der dramatische Schnitt in der Geschichte, der einen Keil zwischen die beiden treibt, kommt nicht gerade unerwartet. Aber es gibt auch Szenen in diesem Buch, die ich SO nicht erwartet hätte und die die vorhersehbaren Szenen wieder ausgleichen.
Ich glaube, dass das Buch leicht auto-biographisch angehaucht ist, denn in ihrer Danksagung erwähnt Donna Freitas, dass sie sich wünscht, ihre Mutter hätte dieses Buch lesen können. Das macht die Leseerfahrung irgendwie noch besonderer und emotionaler.