Enttäuschend
Der FledermausmannDas ist mein Eindruck nach der Lektüre. Ich habe mit mir gerungen,ob ich dem Schmöker 2 oder 3 Sterne geben soll. Da ich der Meinung bin, dass es trotz meiner Kritik Menschen gibt, die sich von dem Fledermausmann ...
Das ist mein Eindruck nach der Lektüre. Ich habe mit mir gerungen,ob ich dem Schmöker 2 oder 3 Sterne geben soll. Da ich der Meinung bin, dass es trotz meiner Kritik Menschen gibt, die sich von dem Fledermausmann gut unterhalten fühlen könnten, habe ich mich letztendlich für 3 entschieden.
Worum geht es? Harry Hole, norwegischer Polizist, Alkoholiker und Mann mit schlechtem Gewissen (also ein klassischer Krimi-Protagonist) wird nach Australien geschickt, um die Ermittlungen der dortigen Behörden bei der Aufklärung des Mordes an einer norwegischen Staatsbürgerin in Sydne zu unterstützen.
Da nicht alles so läuft, wie geplant verliert er die Kontrolle über seine Alkoholsucht und wird von einem düsteren Strudel in einen tiefen Abgrund gerissen. Es gelingt ihm, am Ende den Mörder zu überführen, allerdings muss er dafür große Verluste hinnehmen.
Was mir gut gefallen hat: Jo Nesbø beherrscht einen angenehmen, gut lesbaren Schreibstil, von dem man sich gut unterhalten fühlt. Besonders am Anfang des Buches lässt Nesbø immer wieder Humor einfließen, den ich in einem Skandinavien-Krimi nicht unbedingt erwartet habe, was ich aber erfrischend fand.
Außerdem wird noch auf den ersten Seiten klargestellt, wie man Harry Holes Namen korrekt ausspricht - woran sich Harrys australische Kollegen größtenteils nicht halten.
Um sich bisser in Harrys Situation, der ja selber kein englischer/australischer Muttersprachler ist, tauchen immer mal wieder Sätze oder Satzteile auf Englisch auf. Diese sind auch ohne große Englischkenntnisse gut verständlich. "Tricky" wird es bei typisch australischen Begriffen, die nicht zum englischen Standardvokabular gehören. Ich hatte das Gefühl, dass man diese Wörter auch nicht 100% verstehen soll/muss, da Harry sie sicher auch nicht verstanden hat und deren Bedeutung auch keine große Rolle spielte.
Da Harry viel mit drei Aborigines zu tun hat, erfährt er auch immer wieder etwas aus der Sagen- und Ldgendenwelt der Aborigines. Ob die erzählten Geschichten in dieser Form tatsächlich Aborigine-Legenden sind, weiß ich nicht, aber ich fand es interessant zu lesen.
Der Roman ist zeitlos geschrieben und wirkt auch 20 Jahre nach Erstveröffentlichung nicht "unmodern".
Jemand hat in seiner Rezension viele Tipp-/Rechtschreibfehler im Buch bemängelt. Diesen Kritikpunkt kann ich nicht teilen. Ich bin sehr sensibel, was Schreibfehler betrifft, und in meiner Ausgabe (Ullstein TB 13. Auflage 2009) kam lediglich 1 Tippfehler vor ("esen" statt "essen").
Was mir nicht gefallen hat: VORSICHT! Spoiler!
Ungefähr nach der 1. Hälfte des Buches, die schon recht gut ist, wird der Plot immer unrealistischer, für meinen Geschmack so sehr, dass es nervt.
Harry freundet sich mit einem Aborigine-Cop an, er kennt ihn erst wenige Tage, ehe dieser stirbt.
Genauso beginnt er eine Beziehung mit einer schwedischen Frau, die er auf einmal aus dem Nichts hinterfragt, nur weil sie ihm am Telefon sagt, sie möchte ihn an dem einen Abend nicht treffen, da sie Geburtstag hat und sie mit ihren Eltern ein Skype-Telefonat ausgemacht hat.
Als Ergebnis dieser beiden Ereignisse beginnt er wieder mit dem Trinken. Aber wie. Seine Sauftouren werden im Detail beschrieben und ziehen sich über gut 100 Seiten. So viel kann kein Mensch auf einmal trinken, und wenn doch, dann trinkt er nicht weiter, nachdem er eine kantige Treppe hinuntergestoßen wurde und so weiter. Es wirkt übertrieben.
Harrys neue schwedische Freundin, die in einer Bar als Tänzerin/Bedienung arbeitet und nie bei der Polizei war, wird später als Köder benutzt, um den Mörder aus der Deckung zu locken. Es war Harrys Idee und sie ist damkt einverstanden. Natürlich geht der Plan schief und sie wird ermordet - womit zu rechnen war, weswegen vermutlich keine Polizei der Welt eine unschuldige Zivilistin als Lockvogel eingesetzt wird, um einen MÖRDER zu schnappen!
Zu guter Letzt ist auch noch der sympathischste Charakter der Story der Mörder. Ja, sowas kann passieren, aber es gibt einen Unterschied zwischen überraschender Wendung und unrealistischer Wendung, um den Leser zur Überraschung zu zwingen. Der Mörder, ein Aborigine, nennt als Motiv dass die Weißen seinem Volk das Land wegnahmen mit der Begründung, es sei ja nicht von ihnen bestellt und beerntet worden (die Aborigines waren ein Nomadenvolk, also nicht sesshaft und daher Jäger und Sammler). Und er würde das genauso machen, da die Frauen, die er vergewaltigt und ermordet, keine Kinder haben. Er bezeichnet sich selbst als krank und als Psychopath, doch trotzdem wirkt das Motiv wie an den Haaren herbeigezogen.
Harrys Aborigine-Kollege, mit dem er sich angefreundet hatte, erklärte zu Beginn der Geschichte, dass die Aborigines zu Unrecht einen schlechten Ruf genössen und dass er sich daher so darum bemühe, ein positives Beispiel darzustellen. Dies gelingt ihm auch ganz gut, doch der Mörder macht all das, wofür der Kollege kämpft, wieder zu nichte. Es wirkte erst wie eine Geschichte, die den Rassismus in Australien in Bezug auf Aborigines und Weiße kritisch betrachtet, doch durch die Auflösung des Falls zeigt sich, dass das Buch überhaupt keine kritische Betrachtung des Rassismus darstellen wollte, sondern dies lediglich ein Mittel zum Zweck war. Das kommt mir unausgegoren vor, mir gefällt es beser, wenn das Geschriebene auch einen Sinn hat und Aussagen miteinander verknüpft werden und am Ende ein komplexes Gebilde erstellen.
SPOILER ENDE
Laut Hamburger Abendblatt (Zitat auf der Rückseite meiner Ausgabe) sei es eine "komplex konstruierte Geschichte". Diese Meinung kann ich nicht teilen. Sicher gibt es noch wesentlich simpler gestrickte Geschichten, aber sonderlich komplex ist diese nicht.
Das Cover passt zum Titel, aber der Titel nicht zur Geschichte. Das Wort "Fledermaus" kommt gerade zweimal im ganzen Text vor! Einmal handelt es sich dabei um eine echte Fledermaus und einmal um das Theaterkostüm eines Typen, der mit dem Fall nicht das geringste zu tun hat und der in der Geschichte auch nicht weiter vorkommt. Der Titel scheint auch kein Problem der Übersetzung zu sein, denn der Originaltitel (Flaggermusmannen) klingt schon sehr nach dem deutschen Titel.
Mein Fazit: Puh, ich bin echt enttäuscht. Da Nesbø ja überall hochgelobt wird, habe uch mir von der Lektüre echt was versprochen. Vielleicht habe ich dadurch auch zu viel erwartet, aber wie gesagt, an der ersten Hälfte habe ich eigentlich nichts auszusetzen.
Ich habe inzwischen gelesen, dass der 1. Band der schlechteste der Reihe sein soll, daher denke ich, dass ich Nesbø früher oder später noch eine Chance geben und den 2. Band lesen werde. "Der Fledermausmann" war mein 1. Buch von Jo Nesbø. Da es eben kein 100% Reinfall war, sondern nur 50% gebe ich 3 Sterne: Für den Schreibstil, die australischen Vokabeln und Gepflogenheiten sowie geschichtliche Hintergrundfakten und die Aborigine-Legenden.
Der Abzug der 2 Punkte basiert auf der maßlosen Übertreibung des Dramas und das unrealistische Verschlimmern der Situation.