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Veröffentlicht am 13.10.2019

Enttäuschend

Der Fledermausmann
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Das ist mein Eindruck nach der Lektüre. Ich habe mit mir gerungen,ob ich dem Schmöker 2 oder 3 Sterne geben soll. Da ich der Meinung bin, dass es trotz meiner Kritik Menschen gibt, die sich von dem Fledermausmann ...

Das ist mein Eindruck nach der Lektüre. Ich habe mit mir gerungen,ob ich dem Schmöker 2 oder 3 Sterne geben soll. Da ich der Meinung bin, dass es trotz meiner Kritik Menschen gibt, die sich von dem Fledermausmann gut unterhalten fühlen könnten, habe ich mich letztendlich für 3 entschieden.

Worum geht es? Harry Hole, norwegischer Polizist, Alkoholiker und Mann mit schlechtem Gewissen (also ein klassischer Krimi-Protagonist) wird nach Australien geschickt, um die Ermittlungen der dortigen Behörden bei der Aufklärung des Mordes an einer norwegischen Staatsbürgerin in Sydne zu unterstützen.

Da nicht alles so läuft, wie geplant verliert er die Kontrolle über seine Alkoholsucht und wird von einem düsteren Strudel in einen tiefen Abgrund gerissen. Es gelingt ihm, am Ende den Mörder zu überführen, allerdings muss er dafür große Verluste hinnehmen.

Was mir gut gefallen hat: Jo Nesbø beherrscht einen angenehmen, gut lesbaren Schreibstil, von dem man sich gut unterhalten fühlt. Besonders am Anfang des Buches lässt Nesbø immer wieder Humor einfließen, den ich in einem Skandinavien-Krimi nicht unbedingt erwartet habe, was ich aber erfrischend fand.
Außerdem wird noch auf den ersten Seiten klargestellt, wie man Harry Holes Namen korrekt ausspricht - woran sich Harrys australische Kollegen größtenteils nicht halten.
Um sich bisser in Harrys Situation, der ja selber kein englischer/australischer Muttersprachler ist, tauchen immer mal wieder Sätze oder Satzteile auf Englisch auf. Diese sind auch ohne große Englischkenntnisse gut verständlich. "Tricky" wird es bei typisch australischen Begriffen, die nicht zum englischen Standardvokabular gehören. Ich hatte das Gefühl, dass man diese Wörter auch nicht 100% verstehen soll/muss, da Harry sie sicher auch nicht verstanden hat und deren Bedeutung auch keine große Rolle spielte.
Da Harry viel mit drei Aborigines zu tun hat, erfährt er auch immer wieder etwas aus der Sagen- und Ldgendenwelt der Aborigines. Ob die erzählten Geschichten in dieser Form tatsächlich Aborigine-Legenden sind, weiß ich nicht, aber ich fand es interessant zu lesen.
Der Roman ist zeitlos geschrieben und wirkt auch 20 Jahre nach Erstveröffentlichung nicht "unmodern".
Jemand hat in seiner Rezension viele Tipp-/Rechtschreibfehler im Buch bemängelt. Diesen Kritikpunkt kann ich nicht teilen. Ich bin sehr sensibel, was Schreibfehler betrifft, und in meiner Ausgabe (Ullstein TB 13. Auflage 2009) kam lediglich 1 Tippfehler vor ("esen" statt "essen").

Was mir nicht gefallen hat: VORSICHT! Spoiler!

Ungefähr nach der 1. Hälfte des Buches, die schon recht gut ist, wird der Plot immer unrealistischer, für meinen Geschmack so sehr, dass es nervt.
Harry freundet sich mit einem Aborigine-Cop an, er kennt ihn erst wenige Tage, ehe dieser stirbt.
Genauso beginnt er eine Beziehung mit einer schwedischen Frau, die er auf einmal aus dem Nichts hinterfragt, nur weil sie ihm am Telefon sagt, sie möchte ihn an dem einen Abend nicht treffen, da sie Geburtstag hat und sie mit ihren Eltern ein Skype-Telefonat ausgemacht hat.
Als Ergebnis dieser beiden Ereignisse beginnt er wieder mit dem Trinken. Aber wie. Seine Sauftouren werden im Detail beschrieben und ziehen sich über gut 100 Seiten. So viel kann kein Mensch auf einmal trinken, und wenn doch, dann trinkt er nicht weiter, nachdem er eine kantige Treppe hinuntergestoßen wurde und so weiter. Es wirkt übertrieben.
Harrys neue schwedische Freundin, die in einer Bar als Tänzerin/Bedienung arbeitet und nie bei der Polizei war, wird später als Köder benutzt, um den Mörder aus der Deckung zu locken. Es war Harrys Idee und sie ist damkt einverstanden. Natürlich geht der Plan schief und sie wird ermordet - womit zu rechnen war, weswegen vermutlich keine Polizei der Welt eine unschuldige Zivilistin als Lockvogel eingesetzt wird, um einen MÖRDER zu schnappen!
Zu guter Letzt ist auch noch der sympathischste Charakter der Story der Mörder. Ja, sowas kann passieren, aber es gibt einen Unterschied zwischen überraschender Wendung und unrealistischer Wendung, um den Leser zur Überraschung zu zwingen. Der Mörder, ein Aborigine, nennt als Motiv dass die Weißen seinem Volk das Land wegnahmen mit der Begründung, es sei ja nicht von ihnen bestellt und beerntet worden (die Aborigines waren ein Nomadenvolk, also nicht sesshaft und daher Jäger und Sammler). Und er würde das genauso machen, da die Frauen, die er vergewaltigt und ermordet, keine Kinder haben. Er bezeichnet sich selbst als krank und als Psychopath, doch trotzdem wirkt das Motiv wie an den Haaren herbeigezogen.
Harrys Aborigine-Kollege, mit dem er sich angefreundet hatte, erklärte zu Beginn der Geschichte, dass die Aborigines zu Unrecht einen schlechten Ruf genössen und dass er sich daher so darum bemühe, ein positives Beispiel darzustellen. Dies gelingt ihm auch ganz gut, doch der Mörder macht all das, wofür der Kollege kämpft, wieder zu nichte. Es wirkte erst wie eine Geschichte, die den Rassismus in Australien in Bezug auf Aborigines und Weiße kritisch betrachtet, doch durch die Auflösung des Falls zeigt sich, dass das Buch überhaupt keine kritische Betrachtung des Rassismus darstellen wollte, sondern dies lediglich ein Mittel zum Zweck war. Das kommt mir unausgegoren vor, mir gefällt es beser, wenn das Geschriebene auch einen Sinn hat und Aussagen miteinander verknüpft werden und am Ende ein komplexes Gebilde erstellen.

SPOILER ENDE

Laut Hamburger Abendblatt (Zitat auf der Rückseite meiner Ausgabe) sei es eine "komplex konstruierte Geschichte". Diese Meinung kann ich nicht teilen. Sicher gibt es noch wesentlich simpler gestrickte Geschichten, aber sonderlich komplex ist diese nicht.

Das Cover passt zum Titel, aber der Titel nicht zur Geschichte. Das Wort "Fledermaus" kommt gerade zweimal im ganzen Text vor! Einmal handelt es sich dabei um eine echte Fledermaus und einmal um das Theaterkostüm eines Typen, der mit dem Fall nicht das geringste zu tun hat und der in der Geschichte auch nicht weiter vorkommt. Der Titel scheint auch kein Problem der Übersetzung zu sein, denn der Originaltitel (Flaggermusmannen) klingt schon sehr nach dem deutschen Titel.

Mein Fazit: Puh, ich bin echt enttäuscht. Da Nesbø ja überall hochgelobt wird, habe uch mir von der Lektüre echt was versprochen. Vielleicht habe ich dadurch auch zu viel erwartet, aber wie gesagt, an der ersten Hälfte habe ich eigentlich nichts auszusetzen.

Ich habe inzwischen gelesen, dass der 1. Band der schlechteste der Reihe sein soll, daher denke ich, dass ich Nesbø früher oder später noch eine Chance geben und den 2. Band lesen werde. "Der Fledermausmann" war mein 1. Buch von Jo Nesbø. Da es eben kein 100% Reinfall war, sondern nur 50% gebe ich 3 Sterne: Für den Schreibstil, die australischen Vokabeln und Gepflogenheiten sowie geschichtliche Hintergrundfakten und die Aborigine-Legenden.
Der Abzug der 2 Punkte basiert auf der maßlosen Übertreibung des Dramas und das unrealistische Verschlimmern der Situation.

Veröffentlicht am 15.01.2020

Akte X - War wohl nix

Die drei ??? und der dreiTag (drei Fragezeichen)
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[Gelesen als Printausgabe. Hier leider nicht auswählbar.]

Die drei ??? und der dreiTag ist ein Special aus dem Jahr 2011: Ein Schreibprojekt vierer DDF-Autoren, gepackt in drei Bücher in einem Schuber ...

[Gelesen als Printausgabe. Hier leider nicht auswählbar.]

Die drei ??? und der dreiTag ist ein Special aus dem Jahr 2011: Ein Schreibprojekt vierer DDF-Autoren, gepackt in drei Bücher in einem Schuber – ohne eine Fallnummer. Ziel des Projekts war es, eine Ausgangssituation zu haben, die sich zu drei komplett unterschiedlichen Fällen entwickelt. Faktisch stoßen DDF in allen dreien auf dieselben Entscheidungspunkte, entscheiden sich aber anders. Oder der Entscheidungspunkt taucht so spät auf, dass die Entscheidung für den Fall keine Relevanz mehr hat. In allen dreien finden sich dieselben Elemente, die aber eine jeweils völlig andere Bedeutung für den Fall haben. Mal ist das eine egal und das andere super wichtig und mal andersherum.

Es fällt mir schwer, das Projekt als Ganzes zu bewerten, sodass ich vor allem auf die einzelnen Bücher eingehen werde. Schreibprojekte bzw. -experimente finde ich an sich immer eine gute Idee, vorausgesetzt, dass sie gut umgesetzt sind.

Hier eine kurze Übersicht meines Gesamteindrucks:

Positiv:

- Ein Dreierschuber außerhalb von Jubiläen
- Mehrere Autoren arbeiten zusammen
- Interessante Idee, aus einer Grundidee 3 komplett verschiedene Geschichten aufzubauen
- Witzige Idee, die Bände statt „Band 1, Band 2 Band 3“ „Band J, Band P und Band B“ zu nennen (1. Detektiv Justus Jonas, 2. Detektiv Peter Shaw, Recherchen und Archiv/3. Detektiv Bob Andrews).
- Leseprobe zum Band „High Strung“ aus der Top Secret-Reihe (bis dahin unveröffentlichte Fälle aus den USA).


Negativ:

- Wirklich überzeugend ist nur Band B
- Prolog in allen drei Büchern exakt derselbe
- Wirkt wie „Reizwortgeschichten“, da bestimmte Begriffe überwiegend künstlich platziert wirken und in jedem Band vorkommen. Zudem gibt es einen Witz, der 1:1 in jedem Band vorkommt.
- Band J = 1, Band P = 3, Band B = 2. Natürlich habe ich an die Nummern der Detektive gedacht und so versehentlich 1, 3, 2 gelesen.


Nun möchte ich auf die einzelnen Bücher eingehen:

Band J - Der Fluch der Sheldon Street – Hendrik Buchna:

Dieser Band hat mich am meisten enttäuscht. Hendrik Buchna ist kein schlechter Schriftsteller, andere Bände von ihm habe ich gern gelesen. Doch dieser wirkte absolut lust- und lieblos verfasst.

Durch die ganze Geschichte hinweg herrscht eine aggressive, feindselige Grundstimmung, auch bzw. gerade unter den drei Detektiven. Es wirkt zu dick aufgetragen und untypisch für Justus, Peter und Bob.

Es wird sich Horrorelementen bedient, was mir zu krass für ein DDF-Buch vorkam.

Der Fall an sich ist nicht schlecht, schleppt sich aber anfangs sehr langatmig und wird dann viel zu schnell erzählt.

Die Bedeutung der Graffiti ist viel zu weit hergeholt, einfach gestrickt und wirkt lächerlich.

Es ist „Justus‘ Buch“, doch es ging in diesem Band nicht mehr um Justus, als in anderen DDF-Büchern. Im Gegensatz zu den anderen beiden dreiTag-Büchern ermittelt er hier aber kurzzeitig alleine, während Peter und Bob zusammen unterwegs sind. Man kriegt von ihnen aber genauso viel mit wie von Justus.


Band P - Fremder Freund – Ivar Leon Menger, John Beckmann:

Dieser Band wirkt merklich weniger aggressiv und überzogen als Band J. Zumindest erst, denn die Entwicklung des Falls als simples, überdrehtes „Beziehungsdrama“ ist dann doch sehr enttäuschend.

Es gibt eine Anspielung (bzw. einen Wink mit dem kompletten Gartenzaun …) auf Enid Blytons Fünf Freunde, die zwar lustig gemeint ist, aber als subtile Anspielung mit der Beschreibung von Georges Namen, ihren Haaren und ihres Interesses am Detektiv spielen wesentlich besser gelungen wäre als zusätzlich ausgiebig darauf herumzureiten, damit auch der letzte ohne Ahnung auf jeden Fall versteht, dass sich hierbei auf die Fünf Freunde bezogen wird. Also eine unnötig langgezogene Szene ohne Aussage für die Geschichte.

Der Epilog ist hier sehr amüsant und gefällt mir gut.

Peter steht in diesem Band schon arg auf dem Schlauch. Justus‘ Verhalten ist sehr unlogisch: Erst freut er sich riesig über den Erwerb eines alten Novalux-Projektors, den er anschließend mir nichts, dir nichts verkauft, als läge ihm nichts daran. Dass Bob auch gleich für den Verkauf ist, sieht dem Zögerer und Zweifler nicht ähnlich.

Der komplette Anfang ist absolut irrelevant für die weitere Geschichte (außer Zusammentreffen mit Hedy) und plätschert einfach so vor sich hin.

Peter kommt hier zwar auch nicht deutlich häufiger vor, doch der Fall dreht sich unweigerlich um ihn. Und man erlebt ihn „privat“ in seiner Freizeit, wenn Bob und Justus nicht dabei sind.
Leider sind beide Fälle, J und P, recht oberflächlich.


Band B – Im Zeichen der Ritter – Tim Wenderoth:

Ehrlich gesagt, bin ich froh, diesen Band als letztes gelesen zu haben, denn er hat meine Stimmung wieder deutlich aufgeheitert. Natürlich waren Tim Wenderoth durch den Rahmen des Projekts Grenzen gesetzt, doch im Rahmen seiner Möglichkeiten hat er einen spannenden, komplexen Fall gezaubert, den ich nach den Reinfällen mit Band J und P nicht mehr erwartet habe.

Es finden sich einige klassische DDF-Elemente wieder, die hier im Gegensatz zu den anderen beiden Bänden nicht so gezwungen wirken. Die Geschichte entwickelt einen eigenen, natürlichen Fluss, in dem sie die „Reizwörter“ plausibel und unauffällig mit dem Fall verknüpft. Ein Element, das mir persönlich bei DDF-Büchern sehr wichtig ist, ist, dass man etwas über interessante Themenbereiche lernt. Hier in diesem Band ist das Thema Tempelritter.

Die Auflösung des Falls ist schrecklich und traurig zugleich, erreicht aber nicht diesen Horrorcharakter wie eine bestimmte Szene in Band J.

In diesem Band ist immer mal wieder Humor auf intelligente Weise verwoben. Der Gag steht nicht unbedingt wortwörtlich da, man muss über die gesprochenen Worte kurz nachdenken, um den Witz zu verstehen. Das passt meiner Meinung nach sehr gut zu einer Detektivgeschichte.

Das Thema absolut getroffen hat Wenderoth dadurch, dass Bob dank umfassender Recherchen zum Helden der Geschichte wird, da der Fall ohne seine Entdeckung nicht so richtig aufgeklärt hätte werden können.

Eine Anspielung auf Band J und P bildet einen runden Epilog.

Passend zum Krimi-Trend, handelt es sich bei diesem Fall hier um einen „Cold Case“, also einen ungeklärten Fall, der vor 27 Jahren stattgefunden hatte, auf den sich aktuelle Ereignisse zu beziehen scheinen. Und die Lösung kommt überraschend.

Am Ende dieses Bandes findet sich eine Leseprobe aus dem Top Secret-Fall High Strung – Unter Hochspannung. (Warum auch immer man in den Band, in dem vorne „Band 2“ steht, eine Leseprobe integriert und nicht in Band 3.)

High Strung wurde 1990 von G.H. Stone (Gayle Lynds) in den USA verfasst, erschien dort aber nie.

Das Hörspiel zu diesem Fall kenne ich seit Erscheinen, also seit 2011, das Buch dazu habe ich bisher noch nicht gelesen. Die Leseprobe liest sich auch, obwohl das Buch hier erst 2011 erschienen ist, wie ein älteres DDF-Buch. Für mich als Nostalgiker eine tolle Sache. Ich erinnere mich allerdings daran, dass man dem Hörspiel diesen nostalgischen Charakter absolut nicht anmerkt und es sich anhört wie ein (2011) aktueller Fall. Ich kann mir aufgrund der Leseprobe gut vorstellen, dass mit diesem Fall sowohl den älteren Fans (Buch) als auch den jüngeren Fans (Hörspiel) gut gedient wurde.


Fazit: Die Idee des DDF-Experiments ist lobenswert, aber die Umsetzung scheiterte leider vor allem an der Oberflächlichkeit zweier von drei Fällen. Wären die anderen beiden auf demselben Niveau wie Band B von Tim Wenderoth geschrieben, wäre das hier eine fantastische Box geworden. Leider kann ich den Schuber nur den Hardcore-Fans empfehlen, die alles gelesen haben wollen. Allen anderen empfehle ich lediglich Band B – wobei der leider ohne den Rahmen der Wiedererkenn-Elemente („Reizwörter“) an Charme einbüßt. Alles in allem ist der Schuber ein Special, das nach hinten losging. Specials gerne, aber bitte nicht so undurchdacht.

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