Zwei einsame Seelen
Noch alle ZeitNachdem der Vater von Edvard die Familie ohne ein Wort verlassen hat, hat er sich sein ganzes Leben lang um seine Mutter gekümmert, die an der "Automatenkrankheit" litt. Dabei ist sein eigenes Leben ins ...
Nachdem der Vater von Edvard die Familie ohne ein Wort verlassen hat, hat er sich sein ganzes Leben lang um seine Mutter gekümmert, die an der "Automatenkrankheit" litt. Dabei ist sein eigenes Leben ins Hintertreffen geraten. Nun ist die Mutter tot und Edvard auch nicht mehr der Jüngste. Seine große Liebe Elsie hat er gehen lassen, da er das Gefühl hatte seine Mutter nicht verlassen zu können. Nun ist Elsie, nach einer gescheiterten Ehe, wieder in das kleine Dorf am Deich zurückgekehrt. Da findet Edvard im Schrank seiner Mutter ein Sparbuch auf seinem Namen, auf demjahrelang regelmäßig eingezahlt wurde. Es scheint, als hätte sein Vater aus Norwegen Geld überwiesen. Edvard, der sonst eher ein stilles Leben geführt hat, das mehr an ihm vorbeigegangen ist, als dass er es lebte, packt seine Sachen und macht sich auf den Weg nach Norwegen. Er will endlich die Wahrheit wissen und seinen Vater aufspüren. Auf der Fähre lernt er Alva kennen. Die knapp 30jährige ist auf der Suche nach sich selbst. Die Journalistin hat ihre Tochter bei der Mutter gelassen und möchte einen Artikel über das magische Norwegen schreiben. Sie möchte den Kollegen zeigen, dass sie etwas kann und nicht nur das Liebchen des Chefs ist. Bis die Beiden sich gemeinsam auf die Suche nach Evards Vater machen, gibt es zuerst einige Meinungsverschiedenheiten auszuräumen....
Man braucht etwas Zeit um in diesen Roman zu finden. Die spezielle und poetische Sprache des Autors ist anfangs etwas ungewöhnlich. Durch den Klappentext hatte ich mir neben der Story viele Landschafts- und Naturbeschreibungen von Norwegen erhofft. Doch erst in der zweiten Hälfte gibt es einige Darstellungen, die jedoch durch die sprachgewaltige Prosa anders ausfallen, als man es sich vorstellt. Da wird eine Sage erzählt, die die Magie des Landes widerspiegelt - einem Land voller Trolle, Elfen und anderen magischen Wesen - oder die Beschreibung, wie Alva zufällig einen Wal aufs Foto bannt. Diese Szenen berühren auf eigene Weise und verbreiten dabei eine melancholische Stimmung.
Der Schwerpunkt der Geschichte liegt auf der Sinnsuche. Die außergwöhnliche Charakterstudie macht den Roman zu etwas Besonderem. Man lernt die Figuren sehr gut und intensiv kennen. Dazu kommt noch der poetische Schreibstil des Autors.
Alva und Edvard sind zwei einsame und verlorene Seelen, die sich nach anfänglichen Schwierigkeiten gegenseitig Halt geben. Sie sind ähnlich gestrickt. Beide sind Einzelgänger und kommen mit ihrem Leben nicht zurecht. Sowohl Edvard, als auch Alva, lassen sich vom Leben treiben, doch die gemeinsame Reise lässt sie beide an sich selbst wachsen. Während Alva Schuldgefühle wegen ihrer Tochter hat und keine rechte Liebe aufbauen kann, verliert sich Edvard in seinem unspektakulären Leben. In Gedanken schweift er oft in die Vergangenheit ab. Dadurch erhält der Leser einen Einblick in sein früheres, eher tristes Leben und in seine Lebenslüge.
Diese Reise und die daraus resultierende Wahrnehmung des Lebens lässt sowohl Alva, als auch Edvard bei der Rückkehr nach Deutschland den Mut finden neue Wege zu gehen. Das Ende ist etwas offen gelassen, aber nicht so, dass es mich stören würde (ich hasse in der Regel offene Enden!), sondern für diese Geschichte ist sie perfekt gewählt.
Fazit:
Ein melancholischer Roman über die Sinnsuche zweier Menschen. Die poetische Sprache und die Charakterstudie sind das Herausragende an dieser Geschichte. Sie hallt nach und lässt einem nachdenklich zurück. Trotzdem brauchte ich einige Zeit um in die Erzählung zu finden und vergebe 4 von 5 Sternen.