Wien im Jahr 1892: Komtess Luise liegt nach einem Reitunfall in Böhmen im Koma. Nach dem Erwachen kann sie sich an nichts mehr erinnern. Um sich wieder in ihr altes, nun völlig fremdes Leben einzugewöhnen, hat sie aber zum Glück Haushofmeister Milan und Zofe Dana an ihrer Seite.
Nach und nach lernt sie wieder was die Hirachien der damaligen Kaiserzeit bedeuten. Und das es auch innerhalb des Adels eine strenge Rangfolge gibt.
Luise lernt den bürgerlichen Zuckerbäcker Stephan kennen und fühlt sich bei ihm viel wohler als im kühlen, distanzierten Palais und mit ihrer Familie.
Als Luise ihre alten Tagebücher liest stellt sie fest, dass sie mit dem verwöhnten, oberflächlichen Mädchen nicht viel gemeinsam hat.
Auch scheint es sehr viele Geheimnisse in der Familie zu geben. Was ist bei dem Unfall wirklich passiert? Warum wird ihr verstorbener Bruder nie erwähnt? Und was verbirgt die Familie ihrer Mutter, die ebenfalls im Palais lebt? Als eine unbekannte tote Frau in Böhmen gefunden wird, die Komtess Luise ähnelt, überschlagen sich die Ereignisse!
Als großer Wien-Fan habe ich mich sehr auf das Buch gefreut und ich wurde, was das Lokalkolorit betrifft, auch nicht enttäuscht. Die Beschreibungen der Stadt sind wunderbar zu lesen. Ich konnte mich jederzeit ins historische Wien versetzen und zusammen mit Luise durch dir Stadt gehen, laufen, reiten oder fahren!
Die Protagonisten sind allesamt zeitgemäß realistisch dargestellt. Besonders Luise wird sehr sympathisch beschrieben. Die lebensnahe Darstellung der Unterschiede zwischen "Herrschaft" und "Dienerschaft" ist, wie ich finde, sehr gut gelungen! Lediglich die Aufzählung der verschiedenen Adelsnamen und die entsprechenden Verflechtungen waren ab und an etwas mühsam, sodass ich schon mal den Überblick verloren habe - was aber nicht entscheidend für den Lesefluss war.
Ich hatte im Großen und Ganzen eine Liebesgeschichte im historischen Wien erwartet - und mich, aufgrund des Klappentextes gefragt, ob Luise ihr Happy-End bei ihrem Verlobten oder dem Zuckerbäcker finden wird.
Aber dann kamen im letzten Drittel der Handlung mehrere Krimielemente ins Spiel, was die komplette Handlung zusätzlich recht spannend werden ließ.
Mir haben die unterschiedlichen Charaktere der Geschichte sehr gut gefallen. Die familiären Beziehungen waren spannend, kompliziert und auch ein wenig mysteriös. Ich hätte mich jedoch gefreut, wenn die eine oder andere Person etwas mehr Raum, und damit mehr Tiefe, bekommen hätte. Auch bei der Dienerschaft wurde Potential für spannende Handlungsstränge verschenkt (Milan, Jovan, Slauko, Angelika....)
Die zu Beginn etwas unterkühlte Beziehung zwischen Komtess Luise und ihrem Verlobten Fürst Rudolf erinnerte ein wenig an Elizabeth und Darcy aus "Stolz und Vorurteil". Absicht?
Ich habe das Buch mit großem Vergnügen gelesen, fand dann aber das recht offene Ende - und den für mich nicht eindeutig schlüssigen Epilog - etwas seltsam. Daher habe ich einen Stern in meiner Bewertung abgezogen.