Inhalt
Die Adelstochter Dayana soll auf Geheiss ihres Vaters einen Verwandten der Königin ehelichen, der für seine Abartigkeit und Brutalität bekannt ist. Kurzerhand beschliesst sie, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und flieht vom Familienanwesen in die Wildnis. Doch ihr Versprochener lässt die Schmach nicht auf sich sitzen und so wird Dayana fortan gejagt und gesucht. Notgedrungen schliesst sie sich einem geheimnisvollen Fremden an, der sein Gesicht unter einer Kapuze versteckt, nichtsahnend, dass dieser seit Jahren versucht, einen auf ihm lastenden Fluch zu brechen.
Meine Meinung
Mit Durch Magie erwacht konnte mich die Autorin damals nicht zu 100 % abholen. Als ich dann Wüstenruf aus ihrer Feder entdeckt habe, hat mich aber der Klappentext so sehr angesprochen, dass ich ihr und ihren Werken noch eine Chance geben wollte. Und ich habe es nicht bereut! Der Stil der Autorin hat mir hier viel besser gefallen - er ist an den richtigen Stellen humor- und gefühlvoll, spannend und er lässt sich sehr flüssig lesen.
Dayana soll einen Anverwandten der Königin ehelichen, um den Ruf ihrer Familie wiederherzustellen. Doch sie entscheidet sich, dem Luxus den Rücken zu kehren und flieht in die Arme eines Freundes, dem Grossmagier Loran. Bis eines Tages ein Fremder namens Falk in Lorans Haus auftaucht. Falk hat nur ein Ziel: Den Magier in die Finger zu bekommen, der ihm so viel genommen hat. Doch Loran ist verschwunden und so nimmt sich Falk Dayana als Geisel, macht sich auf, den Magier im Wüstenstaat Sulakan aufzusuchen und will sich so zurückholen, was dieser ihm einst genommen hat. Doch er hat seine Rechnung nicht mit Dayana gemacht, die sich heimlich in sein Herz schleicht.
Wüstenruf ist eines dieser Bücher, die man fast nicht zusammenfassen kann und das vor allem auch kaum, ohne zu spoilern. Denn das Buch ist so unglaublich vielseitig und facettenreich, es passiert so vieles, dass man dies kaum in ein paar Worten zusammenfassen kann. Es ist ein High Fantasy-Werk, das mich von der ersten Seite an packen konnte und nicht mehr loslässt (und mir ein fieses Bookhangover beschert hat).
Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven geschrieben. Hauptsächlich begleitet der Leser Dayana, die vor einer arrangierten Ehe flieht und keine dieser braven, gebeugten Frauen sein will. Dann gibt es Ausschnitte aus dem Leben von Falk, der nur endlich wieder "er" sein will. Ausserdem wird das Leben der Königskinder Katherina und Rondell beleuchtet, Halbgeschwister, die beide mit ihren ganz eigenen Dämonen zu kämpfen haben - Katherina als künftige Herrscherin, die sich vor Attentaten kaum retten kann und als schwach gilt, und Rondell, dessen Gefühle verbotener Natur sind und in bis in die Nächte hinein quälen. Aber auch die Familie und Freunde von Dayana kommen gelegentlich zum Zug. Diese Vielfalt hat mir unglaublich gut gefallen und sie ist perfekt gewählt für diese Art Buch.
Königliche Intrigen, fremde Länder und Völker, eine Gottheit, die sich eine Priesterin sucht, Luftpiraten, Kämpfe, Assassinen, verbotene Liebe, exotische Orte, Magie und Sandreiter, all das bietet Wüstenruf. Man sollte sich also nicht von dem meines Erachtens nicht so gelungenen Cover oder dem Klappentext, der nicht mal ansatzweise aufzeigt, was einen erwartet, in die Irre führen lassen. Denn Wüstenruf ist High Fantasy auf hohem Niveau, die alles bietet, was der Leser sich wünschen kann.
Setting
Burg Levenstein, das Flugschiff Sirfayn, das Wüstenreich Sulakan, das Schloss der Königin, der Markt in Sula, die Hütte von Loran mitten im Wald, Kashan mit seinem Fest der Frauen. So viele wunderbare Orte gibt es in Wüstenruf zu entdecken. Das Setting ist eins a! Natürlich haben mich vor allem die Wüstenorte angesprochen, eine Thematik, mit der man mich immer kriegt. Aber auch sonst kann die Autorin mit ihrem Setting komplett überzeugen.
Auch mit dem Worldbuilding hat mich Christina M. Fischer hier ausnahmslos abholen können. Die von ihr geschaffene Welt bietet alles, was High Fantasy haben muss: Magie, eine fremde Welt, eigene Völker mit jeweils eigenem Glaubenssystem und eigenen Traditionen. Während in Khimo nur Frauen regieren dürfen, werden diese im Wüstenreich Sulakan unterdrückt und als Besitz angesehen. Besonders dieser Aspekt hat mir gut gefallen, da er zahlreiche Parallelen zu unserer heutigen Gesellschaft aufzeigt - und hier die Protagonisten und Protagonistinnen mehrheitlich darum kämpfen, eine Gleichberechtigung anzustreben.
Charaktere
Dayana, Tochter von Graf Levenstein, hat schon früh gelernt, wie eine Frau zu sein hat - und dass ihr das nicht vollkommen zusagt. Sie möchte reisen, die Welt sehen, über sich selbst bestimmen. Mit Dayana hat die Autorin eine wunderbare Protagonistin geschaffen: Stark und unabhängig, auf der Suche nach sich selbst und mit einer ordentlichen Portion Sarkasmus.
Falk hat nur seine Rache am Magier Loran im Kopf. Denn dieser hat ihm etwas wichtiges genommen: Seine wahre Gestalt. Und so kämpft sich Falk in einem falschen Körper durch die Geschichte - und erobert dennoch das Herz von Dayana. Besonders seine Entwicklung, ja, man mag es Reifeprozess nennen, ist beachtlich. Charakterentwicklung, wie sie sein muss.
Natürlich lebt ein High Fantasy-Roman auch von einer Vielzahl anderer Charaktere. Diese sind der Autorin wunderbar gelungen. Man lernt unter anderem die Thronerbin Katherina und deren engste Vertraute kennen, ihren Bruder, Prinz Rondell, der immer mit sich hadert, aber auch den Luftkapitän Storik und dessen Truppe, den Piraten Aidan, den Magier Loran, die Königin Amara höchstpersönlich und auch den liebevollen Schiffsjungen Jem kennen. Ganz besonders in mein Herz geschlossen habe ich von diesen Charakteren den Kapitän. Ich würde wirklich gerne mehr über ihn und seine Abenteuer lesen - aber das geht mir auch mit den anderen Charakteren so.
Ohne Antagonisten funktioniert so eine Geschichte natürlich nicht. Zu einem gewissen Part führt Falk dieses Amt. Aber den grossen Auftritt als Antagonist hat Fredel - der Anverwandte der Königin, dem Dayana versprochen ist. Er ist ein Ekelpaket par excellence - er schlägt und quält Frauen und Kinder, missbraucht sie - und er plant die Königin zu stürzen. Als Leser empfindet man gleichermassen Ekel, Hass, aber auch eine grosse Angst vor diesem Typen.
Fazit
Wüstenstädte, Prinzen und Prinzessinnen, Luftpiraten, Göttinnen und Königinnen, Sandreiter, Magie, verbotene Liebe, der Kampf um die Freiheit. All das und noch viel viel mehr bietet Wüstenruf. High Fantasy wie sie sein muss - spannend, aufregend und magisch. Für mich die beste deutsche High Fantasy seit Langem. Bitte mehr davon!
#Lieblingsbuch