Profilbild von schnaeppchenjaegerin

schnaeppchenjaegerin

Lesejury Star
offline

schnaeppchenjaegerin ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit schnaeppchenjaegerin über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.10.2019

Unblutiger, unaufgeregter Krimi aus Skandinavien über zwei unaufgeklärte Verbrechen der Vergangenheit - spannend erzählt und mit glaubwürdigen Ermittlern

Wisting und der Tag der Vermissten
0

Kriminalkommissar William Wisting trifft sich jährlich mit Martin Haugen, dessen Ehefrau Katharina vor 24 Jahren verschwunden ist. Haugen war zunächst selbst verdächtig, hat jedoch ein Alibi, was die vermeintliche ...

Kriminalkommissar William Wisting trifft sich jährlich mit Martin Haugen, dessen Ehefrau Katharina vor 24 Jahren verschwunden ist. Haugen war zunächst selbst verdächtig, hat jedoch ein Alibi, was die vermeintliche Tatzeit betrifft. Wisting hat sich mit dem zurückgezogen lebenden Mann angefreundet, auch wenn er nach wie vor glaubt, dass Haugen mehr über das Verschwinden seiner Ehefrau weiß.

In diesem Jahr verläuft der Jahrestag anders als sonst, denn Wisting trifft Haugen zunächst nicht an. Dafür erfährt er, dass Haugen Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren eines anderen Vermisstenfalls ist, der sich vor 26 Jahren ereignet hat und nicht aufgeklärt werden konnte. Damals ging es um die Entführung einer gut situierten 17-Jährigen. Zusammen mit einem Kriminalkommissar für Cold Cases aus Oslo, Adrian Stiller, beginnt die Polizei beide Fälle wieder aufzurollen - in der Hoffnung, Haugen nach all den Jahren überführen zu können.

"Wisting und der Tag der Vermissten" ist Band 1 der "Cold Cases" von Jørn Lier Horst, aber bereits Band 12 um den norwegischen Kriminalkommissar William Wisting. Der Krimi entwickelt sich gemächlich, wirkt aber durch die kurzen Kapitel und Perspektivenwechsel sehr dynamisch. Der Fall und die Ermittlungen werden überwiegend aus Sicht von Wisting, aber auch aus der Perspektive des jungen, ehrgeizigen Ermittlers Stiller sowie Wistings Tochter Line geschildert, die als Journalistin den "Cold Case" um die Entführung aufarbeitet, mit dem Haugen aus der Reserve gelockt werden soll.

Der Krimi ist abwechslungsreich erzählt, da man nicht nur Einblick in die Ermittlungen, sondern auch in die Pressearbeit und das Privatleben von Wisting erhält. Zudem ist Wisting ein Polizist, der ruhig und besonnen agiert und im Gegensatz zu vielen anderen literarischen Kommissaren herrlich normal und glaubwürdig ist.

Es ist ein unblutiger, ruhiger Krimi, bei dem es um die Aufklärung jahrzehntealter Fälle geht, weshalb die Ermittler weitgehend ohne Druck neuen Spuren folgen und von neuen Ermittlungsmethoden, die Ende der 1980er-Jahre noch nicht existierten, Gebrauch machen können. Spannung entsteht damit nicht durch die Frage, ob die vermissten oder entführten Personen noch gerettet werden können, sondern wie die beiden Fälle mit einander in Zusammenhang stehen, welche Rolle dabei der ominöse "Katharina-Code" spielt, der bisher nicht entschlüsselt werden konnte, und ob der oder die Täter nach all den Jahren zur Rechenschaft gezogen werden können.

Fazit: ein unaufgeregter, solider Krimi aus Skandinavien mit einem sympathischen Ermittler und subtiler Spannung.
Band 2 der Reihe erscheint bereits am 3. Januar 2020, in dem Wisting wieder mit Stiller einen unaufgeklärten Kriminalfall aufrollt.

Veröffentlicht am 21.10.2019

modernes Weihnachtsmärchen, das die Botschaft der Nächstenliebe und das Gefühl von Weihnachten als ein Fest der Liebe und Gemeinschaft sowie der Achtsamkeit und Vergebung vorbildhaft vermittelt

Das Weihnachtswunder von Hope Street
0

Ruth schreibt eine Kolumne bei einer Zeitung und hat eine eigene Radiosendung, in der sie Menschen, die Rat suchen, versucht zu helfen. Sie ist eine hilfsbereite "Kummerkastentante", jedoch selbst einsam ...

Ruth schreibt eine Kolumne bei einer Zeitung und hat eine eigene Radiosendung, in der sie Menschen, die Rat suchen, versucht zu helfen. Sie ist eine hilfsbereite "Kummerkastentante", jedoch selbst einsam und allein. Besonder spürt sie das in der Vorweihnachtszeit, als sich der erste Todestag ihres Vaters, der für sie ein großes Vorbild war, nähert. Ruth möchte Weihnachten dieses Jahr am liebsten ausfallen lassen und überlegt auch, ihr Elternhaus zu verkauf, das für sie allein viel zu groß ist.
Da begegnet sie Michael, einem Kellner in ihrem Stammcafé, dem sie bisher wenig Beachtung geschenkt hatte. Er ist der Obdachlose, dem sie vor einem Jahr Geld gegeben hat und der damit eine neue Perspektive im Leben erhalten hatte. Er bringt sie zum Nachdenken und zum Handeln statt in Trübsal zu verfallen. Sie beschließt, an Weihnachten ein Dinner zu veranstalten und neben Michael sechs weitere einsame Menschen einzuladen. Während der Vorbereitungen kommt sie Michael näher und erlebt ihr persönliches Weihnachtswunder.

Der Roman ist trotz der unterschwelligen Traurigkeit, die aufgrund der vielen Einzelschicksale unweigerlich vorhanden ist, eine Feelgood-Geschichte. Ruth ist ein herzensguter Mensch, der sich lieber den Problemen Fremder widmet, als sich ihren eigenen zu stellen. Sie verdrängt die Einsamkeit bis sie sie wenige Tage vor Weihnachten einfach nicht mehr ignorieren kann. Statt zu verzweifeln erfährt sie Halt durch Michael, dem sie das Leben gerettet hatte, was ihr ein gutes Gefühl vermittel. Sie stürzt sich in die Vorbereitungen für ein Weihnachtsfest, dass sie für einsame Menschen ausrichtet, die in ihrer Kolumne Rat gesucht haben.

"Das Weihnachtswunder von Hope Street" ist ein modernes Weihnachtsmärchen, das die Botschaft der Nächstenliebe und das Gefühl von Weihnachten als ein Fest der Liebe und Gemeinschaft sowie der Achtsamkeit und Vergebung vorbildhaft vermittelt. Es ist eine süße Geschichte, die einen schon jetzt wunderschön in Weihnachtsstimmung versetzt und trotz des Happy-End-Charakters mit Wendungen aufwarten kann, so dass man über die zumal hölzernen Dialoge zwischen Ruth und Michael hinwegsehen kann.

Veröffentlicht am 18.10.2019

Atmosphärischer Roman mit einer tragischen Geschichte und vielschichtigen Charakteren - eine düstere Geschichte über Liebe und Verrat

Die Farbe von Glas
0

Die 25-jährige Rósa lebt mit ihrer Mutter Sigridúr zusammen in Skálholt in Island. Im Sommer 1686 erkrankt die Mutter an einem Husten, dass Rósa die Befürchtung hat, dass diese den Winter aufgrund von ...

Die 25-jährige Rósa lebt mit ihrer Mutter Sigridúr zusammen in Skálholt in Island. Im Sommer 1686 erkrankt die Mutter an einem Husten, dass Rósa die Befürchtung hat, dass diese den Winter aufgrund von Kälte und Hunger nicht überleben könnte. In ihrer Verzweiflung heiratet sie Jón Eiríksson, einen reichen Händler, der verspricht, ihre Mutter mit Medizin und Lebensmitteln zu versorgen.

Rósa muss sodann ihr Dorf verlassen und in Jóns abgelegene Kate nach Stykkishólmur ziehen, wo sie sich um Haushalt und Hof kümmern soll. Jón, um den verschiedene düstere Gerüchte ranken, macht ihr Angst und auch in seiner Kate scheint es zu spuken. Rósa hört Geräusche, ist einsam, darf sich aber nicht der Dorfgemeinschaft anschließen. Auch Jón ist kaum bei ihr, arbeitet auf dem Feld und schläft im Stall.

Die Dorfbewohner misstrauen Jón, der in aller Heimlichkeit seine erste Ehefrau Anna begraben haben soll. Rósa weiß nicht, was sie von den Gerüchten und düsteren Legenden halten soll, kann ihren Ehemann, der ihr die kalte Schulter, aber dann und wann auch menschliche Züge zeigt, nicht einschätzen. Sie spürt eine lauernde Bedrohung, wünscht sich nach Hause und befürchtet, dass sie nach Anna, die Aufgrund von Einsamkeit verrückt geworden sein soll, das nächste Opfer sein könnte.

"Die Farbe von Glas" ist ein atmosphärischer Roman mit einer tragischen Geschichte und vielschichtigen Charakteren. Durch die anschauliche Beschreibung fühlt man sich bildlich in das 17. Jahrhundert nach Island versetzt und kann die eisige Kälte nachempfinden. Es herrschen Armut und Hungersnot um Winterhalbjahr. Aberglaube und Sagen sind tief verwurzelt in der Mentalität der Menschen, aber wie Hexerei verboten und mit dem Tode zu bestrafen. Frauen haben sich den Männern zu unterwerfen und ihnen zu dienen. So ergeht es auch Rósa, die ihre Freiheit aufgibt und den reichen Bonði statt dem von ihr geliebten Jugendfreund Páll zu heiraten, um ihre Mutter zu retten. Man fühlt mit ihr mit und kann in der Abgeschiedenheit schon bald ihre Angst nachvollziehen, in der Kate, die Geheimnisse verbirgt und aus Einsamkeit, den Verstand zu verlieren.

Der Roman ist zunächst nur aus der Perspektive von Rósa geschrieben, so dass man nur ihren begrenzten Horizont betrachten kann. Später wird diese durch Jóns Sicht ergänzt, die zwei Monate später handelt. Aus der Ich-Perspektive blickt dieser zurück, was sein abweisendes und herrisches Verhalten besser erklären kann. Die Motive und Charaktere erscheinen damit nicht mehr nur Schwarz-Weiß und es ist spannend zu sehen, wie Rósa, aber vor allem Jón, auf den durch die Dorfgemeinschaft erzeugten Druck reagieren werden.

"Die Farbe von Glas" ist eine düstere, mysteriöse Geschichte, die ruhig beginnt und als sich die Geheimnisse um Jón und seine erste Ehefrau offenbare, fesselnd geschrieben ist. Es ist eine Geschichte über Liebe, Verrat und Vergebung, die durch Wendungen überrascht und insbesondere durch die Kulisse, Atmosphäre und starken Charaktere überzeugt.

Veröffentlicht am 14.10.2019

Eine Novelle über die Liebe und die Bindung zwischen Mann und Frau, die nach wie vor aktuell ist

Mann im Zoo
0

John Cromartie ist mit seiner Freundin Josephine Lackett gemeinsam im Zoo und erklärt ihr, dass er sie gern heiraten würde. Für Josephine kommt dies nicht in Frage. Sie möchte sich nicht nur an ihn binden ...

John Cromartie ist mit seiner Freundin Josephine Lackett gemeinsam im Zoo und erklärt ihr, dass er sie gern heiraten würde. Für Josephine kommt dies nicht in Frage. Sie möchte sich nicht nur an ihn binden und hat Angst um ihre Freiheit. Es kommt zum Streit, in dem sie ihm ein barbarisches Verhalten vorwirft und meint, er gehöre zu den Tieren im Zoo. John ist enttäuscht, dass seine Liebe so abgeschmettert wurde und beschließt, ihrer Idee Folge zu leisten. Er schreibt einen Brief an den Zoo und zieht anschließend in das Affenhaus.

Das Buch ist bereits 1924 erschienen hat aber nichts von seiner Aktualität verloren. Es ist eine Novelle über die Liebe und über das Infragestellen der Konzeption Ehe. Dabei enthält die kurze Erzählung aber noch viel mehr Anspielungen auf das widersinnige Verhalten der Menschen.
So werden die Besucherzahlen des Zoos enorm gesteigert, da die Menschen in Scharen einfallen, um den "Homo Sapiens" zu sehen. Die Affen um John reagieren eifersüchtig, da er die ganze Aufmerksamkeit auf sich zieht. Dieser erlangt bald einen Käfigkoller, erhält einen Karakal als "Schmusekatze" und Freund, während er sich von dem nebenan einziehenden "Neger" - der Zoo möchte ein ganzes "Menschenhaus" - errichten, belästigt fühlt.
Josephine besucht ihn mehrfach, als sie merkt, wie sehr sie John liebt, fühlt sich durch seine freiwillige Inhaftierung in den Zoo jedoch gedemütigt. Das durch den Käfig getrennte Paar streitet sich und niemand möchte nachgeben. Man selbst erkennt sich in Beziehungsfragen in der Unnachgiebigkeit und Sturheit der beiden wieder, was die skurrile Geschichte so lebensnah und unterhaltsam macht. Sie regt zum Nachdenken an über lebenslange Bindungen und wie man in einer Trennung die Chance für eine Gemeinsamkeit finden kann und ist überhaupt nicht altbacken, sondern mit einem Augenzwinkern geschrieben.

Veröffentlicht am 07.10.2019

Emotionale und anrührende Geschichte über zweite Chancen, Familie, Liebe und Freundschaft mit sehr selbstlosen Protagonistinnen

Sag ihr, ich war bei den Sternen
0

Die 28-jährige Maddie ist schwanger und in den letzten Vorbereitungen für die Hochzeit, als sie von einem Transporter angefahren wird und ins Koma fällt.
Als sie wie durch ein Wunder aufwacht, ist nichts ...

Die 28-jährige Maddie ist schwanger und in den letzten Vorbereitungen für die Hochzeit, als sie von einem Transporter angefahren wird und ins Koma fällt.
Als sie wie durch ein Wunder aufwacht, ist nichts mehr wie es wahr. Die Welt hat sich weiter gedreht und ihr Verlobter Ryan hat eine andere Frau, Chloe, die als Freiwillige Sozialstunden im Krankenhaus ableistet.

Alle haben es gehofft, aber niemand hatte wirklich damit gerechnet, dass Maddie wieder aufwachen und sich zurück ins Leben kämpfen könnte. Selbst für die Ärzte gilt sie als "miracle girl". Und so erscheint es auch nur menschlich, dass Ryan um seine Liebe getrauert und mit dem Leben weitergemacht hat.

Der Roman ist aus der Sicht von Maddie und interessanterweise aus der Sicht ihrer Konkurrentin Chloe geschrieben, wobei beide Frauen fast gleich alt, aber komplett unterschiedlich sind und man als Leser zu beiden dieselben Sympathien hegt. Auch Ryan kann man nicht böse sein, dass er sich gegen seine totgesagte Verlobte und für die zunächst engagierte Helferin und Freundin Chloe entschieden hat.

Es ist ein emotionaler Roman, der zu Tränen rührt und bei dem man sich in die Gefühlslagen beider Frauen anschaulich hineinversetzen kann. Maddie hadert mit dem Schicksal und der Zeit, die ihr gestohlen worden ist, während Chloe verunsichert ist und in Angst lebt, ob Ryan nicht doch wieder zu seiner hübschen ehemaligen Verlobten zurückkehren könnte. In Rückblenden erfährt man darüber hinaus, was in der Zeit von Maddies Koma passiert ist, wodurch man nach dem Einstieg in Maddies Leben vor allem Chloe noch näher kommt.

Es ist eine emotionale und anrührende Geschichte über zweite Chancen, Familie, Liebe und Freundschaft, die durchgehend flüssig zu lesen ist und den Leser mit der ein oder anderen Wendung überrascht. Am Ende war sogar wieder ein wenig des typischen Dani-Atkins-Effekts zu spüren, der den Leser verblüfft und was ihren romantischen Büchern stets einen Hauch von Magie verleiht.
Dennoch hätte ich mir vor dem Hintergrund dieser schicksalhaften Erzählung noch mehr Drama gewünscht. Die Figuren waren zwar durchweg sympathisch, aber es fehlte ihnen an Ecken und Kanten, so dass es trotz des Konkurrenzdrucks zwischen den Frauen erstaunlich wenig Reibereien gab, die Protagonistinnen die Fassung wahrten und für meinen Geschmack einfach zu selbstlos und gut waren.