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Veröffentlicht am 25.11.2016

Terroristen unter uns

Schwarzblende
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Der Kameramann Niall Stuart träumt eigentlich von einem großen und interessanten Auftrag, schlägt sich aber mit kleinen Reportagen durch. Dann sieht er zwei Männer mit Machete mitten in London. Er folgt ...

Der Kameramann Niall Stuart träumt eigentlich von einem großen und interessanten Auftrag, schlägt sich aber mit kleinen Reportagen durch. Dann sieht er zwei Männer mit Machete mitten in London. Er folgt ihnen und filmt mit seinem Handy. Im Park bringen sie einen jungen Mann um und verlangen von Niall, dass er weiterfilmt während sie verkünden, dass sie zum „Islamischen Staat“ gehören. Dann soll er den Film auch noch im Internet hochladen. Niall macht das alles ohne groß nachzudenken. Kurz darauf wird er von der Polizei verhaftet und muss eine Nacht im Gefängnis verbringen. Man geht nicht gerade zimperlich mit ihm um.
Am nächsten Tag bietet man ihm an, eine Dokumentation über die Täter und ihre Beweggründe zu erstellen. Ein Team wird ihm zur Seite gestellt.
Dieses Buch wird als Kriminalroman angeboten, aber es ist viel mehr als ein Krimi. Das Thema ist aktuell wie nie, zudem Gesellschaftskritisch und politisch. Wie kommen junge Männer aus gut bürgerlichem Haus dazu, sich zu radikalisieren und zu Terroristen zu werden? Eine Frage, auf die viele Menschen vermeintlich Antworten haben und dennoch weiß keiner wirklich, wie das Problem zu lösen ist.
Auch Niall weiß eigentlich nicht, die er an die Geschichte herangehen soll. Ziemlich naiv und unvorbereitet geht er in die ersten Interviews. Er ist nicht wirklich zufrieden mit der Vorgehensweise, wird aber von allen möglichen Seiten beeinflusst und gelenkt.
Bedenkenlos wird die Kamera auch dann noch draufgehalten, wenn man in emotionalen Momenten dem Gegenüber versichert hat, dass sie ausgeschaltet ist. Bereits bei der Situation im Park war es für mich sehr grenzwertig, zu filmen während ein Mensch sterben muss. Wieviel Voyeur steckt in jedem von uns?
Während Niall versucht sein Dokumentation zu Ende zu bringen, kommt es immer wieder zu bedrohlichen und auch gefährlichen Situationen. Weder Niall noch dem Leser wird klar, wer da die Fäden zieht und wer sich Hass und Gewalt zunutze macht. Als man es am Schluss dann erfährt, ist man schockiert, dass jemand die Gewalt schürte aus finanziellen und machtgierigen Motiven.
Die Geschichte ist brandaktuell, sie ist verstörend und komplex. Man wird über das Lesen hinaus im Thema festgehalten und kann gar nicht anders, als sich intensiver damit auseinander zu setzen.
Aktuell, spannend, absolut lesenswert.

Veröffentlicht am 25.11.2016

Ausbeutung

Todesdeal
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Zunächst einmal sei gesagt, wer einen typischer Veit Etzold Thriller erwartet, wird sich wundern. Dieses Buch ist ein sehr politisches mit Thriller-Elementen und es wird polarisieren.
Journalist Martin ...

Zunächst einmal sei gesagt, wer einen typischer Veit Etzold Thriller erwartet, wird sich wundern. Dieses Buch ist ein sehr politisches mit Thriller-Elementen und es wird polarisieren.
Journalist Martin Fischer soll mit einem Kollegen zusammen eine Reportage über Diane Fossey und die Berggorillas erstellen. Aber im Kongo gibt es auch riesige Rohstoffvorkommen und deshalb einen erbarmungsloser Krieg um diese Ressourcen. Viele versuchen dort ihre wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen. Die Chinesen haben großes Interesse, auf dem afrikanischen Kontinent zu investieren und russische Oligarchen versuchen ihr Stück vom Kuchen abzubekommen. Auch Deutschland als großer Waffenexporteur verfolgt dort eigene Interessen. In diesem konfliktreichen Gebiet sind neugierige Journalisten gar nicht gerne gesehen. Bernd wird getötet und Martin gejagt und als Geisel genommen.
Es ist eine sehr realistische Geschichte, die alle aktuellen Probleme Afrikas aufgreift, sei es das Thema der Kindersoldaten, Waffengeschäfte, Piratentum und ausbeuterische Arbeitsbedingungen, bei denen ein Menschenleben nichts gilt. Dazu wurde auch noch der Konflikt der Tutsi und Hutu mit dem Völkermord in Ruanda beleuchtet. Aufgrund der vielen Themen wurde natürlich keines wirklich vertieft, aber ich glaube, dass trotzdem alle ihre Bedeutung für diese Geschichte haben.
Es dauert etwas, bis alle Protagonisten aufgestellt und die politischen Hintergründe beschrieben sind. Die Charaktere werden authentisch entsprechend ihrer jeweiligen Rolle dargestellt. Das Verzeichnis der Personen am Anfang hilft dabei, den Überblick zu behalten.
Der Schreibstil ist flüssig und anschaulich und die Geschichte spannend und auch grausam. Unmissverständlich wird uns klargemacht, was wir mit unserer Wegwerfgesellschaft verursachen. Das Buch ist lesenswert und macht nachdenklich.

Veröffentlicht am 24.11.2016

Eine große Liebe

Und unter uns die Welt
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Als ich Kind war, war ich immer begeistert, wenn ich einen dieser „Zeppeline“ am Himmel beobachten konnte. Obwohl ich einige Jahre nach dem zweiten Weltkrieg geboren bin, war so ein Luftschiff in meiner ...

Als ich Kind war, war ich immer begeistert, wenn ich einen dieser „Zeppeline“ am Himmel beobachten konnte. Obwohl ich einige Jahre nach dem zweiten Weltkrieg geboren bin, war so ein Luftschiff in meiner Kindheit hin und wieder am Himmel zu sehen. Daher musste ich dieses Buch einfach lesen, egal welche Geschichte dahinterstecken würde und dann hat mich dieses Buch gepackt.
Christian Nielsen wächst auf Sylt auf und sieht 1914 eines dieser Luftschiffe über der Insel und er weiß sofort, dass er einmal auf einem solchen Luftschiff mitfahren möchte. Doch so einfach ist das nicht und er muss Umwege in Kauf nehmen. Zunächst macht er das, was die meisten Jungen machen, die am Meer leben: Er wird Matrose. Aber ehrgeizig verfolgt er sein Ziel weiter und schafft es sogar, Ausbildungen zu machen, obwohl er nicht in die Partei eingetreten ist.
Lil Kimming lebt seit einigen Jahren mit ihren Eltern auf Hawaii. Auch sie hat einen Traum. Sie möchte Journalistin werden, doch das scheint undenkbar, denn es ist eine reine Männerdomäne. Sie versucht es in New York und erlebt doch den Börsencrash an der Wallstreet. Aber auch die Zeppeline haben es ihr angetan und sie will darüber berichten. In New York lernt sie Amy kennen. Die beiden werden gute Freundinnen und sie genießen das Nachtleben der Stadt, müssen aber auch oft hungern.
In New York haben Christian und Lil ein kurzen Blickkontakt und sind sofort in den anderen verliebt. Doch es wird dauern, bis sie sich zufällig auf Hawaii begegnen. Es ist eine große Liebe, aber immer wieder werden Christian und Lil getrennt.
Die Autorin hat rund um die Biographie ihres Großvaters eine Geschichte gesponnen. Sie verknüpft reale Personen mit fiktiven und hat daraus eine wunderbare Geschichte geschaffen. Lil und Christian sind so liebenswerte Personen, das man mit ihnen fiebert. Man spürt ihren Schmerz und ihr Glück. Aber neben diesen Hauptprotagonisten haben die Luftschiffe ihre Hauptrolle. Wir erleben mit Hugo Eckener die Umrundung der Erde, die seinerzeit ein Riesenspektakel war. Ich hatte dabei das Gefühl, dass ich mich selbst in diesem Luftschiff befinde und auf die Erde hinabschaue.
Ich möchte nicht mehr zu dieser Geschichte sagen, denn der Klappentext verrät schon viel zu viel und die Geschichte der „Hindenburg“ ist hinlänglich bekannt. Aber ich kann das Buch nur empfehlen, denn ich bin restlos begeistert.
Dieses Buch ist mein absolutes Highlight 2016.

Veröffentlicht am 24.11.2016

Etta will das Meer sehen

Etta und Otto und Russell und James
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Etta ist 83 Jahre alt und hat noch nie das Meer gesehen. Als Sie sich ausgestattet mit Schokolade, Wanderschuhen und einem Gewehr auf den 3.232 Kilometer langen Weg macht, lasst ihr Mann Otto sie ziehen, ...

Etta ist 83 Jahre alt und hat noch nie das Meer gesehen. Als Sie sich ausgestattet mit Schokolade, Wanderschuhen und einem Gewehr auf den 3.232 Kilometer langen Weg macht, lasst ihr Mann Otto sie ziehen, denn er weiß aus Erfahrung, dass man sich seine Lebensträume erfüllen muss. Natürlich macht sich Otto Sorgen, denn Etta beginnt dement zu werden. Doch ihr gemeinsamer Freund Russell verlässt seine Farm, um Etta zu suchen.
Der Schreibstil des Buch ist einfach zu lesen und sehr ansprechend.
Seit ihrer Jugend sind Etta, Otto und Russell befreundet und beide Männer hatten ein Auge auf sie geworfen. Doch der Krieg verändert diese Freundschaft. Etta und Otto pflegen eine intensive Brieffreundschaft. Russell wird aufgrund von körperlichen Einschränkungen nicht eingezogen und bleibt bei Etta. Nach Ende des Krieges kommt Otto zurück und die Freunde finden eine Möglichkeit, wie sich ihr weiteres Leben gestalten kann, ohne dass die Freundschaft zerbricht. Seither gehen sie ihren Weg gemeinsam und nun gibt es durch Ettas Entscheidung das erste Mal eine Veränderung. Die Männer müssen mit dieser Trennung fertig werden. Otto hat Ettas Rezeptkarten und sie leiten ihn durch die Erinnerungen an eine lange gemeinsame Zeit. Berührend finde ich seine Briefe, die die Adressatin nicht erreichen können. Russell ist immer noch in Etta verliebt und kann nicht untätig sein. Er begibt sich auf die Suche nach ihr und lernt sich selbst besser kennen.
Emma unterdessen begegnet auf ihrer Wanderung James, der sie dann begleitet. Ihre Erinnerungen werden mit jedem Kilometer lebendiger.
Wir lernen die Vergangenheit von Etta, Otto und Russell durch ihre Erinnerungen kennen. So können wir sie durch ihr langes Leben begleiten und ihre Freundschaft erleben, die etwas Besonderes ist.
Mich hat diese ruhige Geschichte sehr gefangen genommen. Sie macht Mut, zu seinen Träumen zu stehen und sie zu verwirklichen.
Eine schöne und berührende Geschichte über Freundschaft.

Veröffentlicht am 21.11.2016

Jeder ist einzigartig

Tage mit Sam
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Alex und Jody waren sehr verliebt, als sie beschlossen, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Das ist neun Jahre her. Nun haben sie einen Sohn von acht Jahren. Eigentlich ist alles so wie geplant und ...

Alex und Jody waren sehr verliebt, als sie beschlossen, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Das ist neun Jahre her. Nun haben sie einen Sohn von acht Jahren. Eigentlich ist alles so wie geplant und doch auch wieder nicht. Alex liebt seine Familie, aber er hat Probleme damit, dass Sam autistisch ist. Daher flüchtet er sich in die Arbeit und überlässt alles andere Jody. Die hat aber irgendwann die Nase voll. Es kommt zur Trennung auf Probe. Erst jetzt wird Alex klar, wie sehr er an seiner Familie hängt.
Sam hat etwas gefunden, das ihm Spaß macht. Das Spiel Minecraft mit seinem logischen Aufbau ist genau das richtige für ihn. Als Alex sich nun bemüht, einen Zugang zu Sam zu finden, ist es dieses Spiel, das eine gemeinsame Basis schafft. Erst beim Spielen lernt Alex seinen Sohn kennen.
Der Autor Keith Stuart weiß, wovon er schreibt, denn er ist selbst Vater eines autistischen Kindes und er kennt sich als Games-Redakteur mit Spielen aus.
Wenn man eine Familie gründet, hat man Vorstellungen, wie alles laufen soll. Doch die Realität schaut schon mal anders aus, vor allem, wenn das Kind dann nicht gesund oder wenn es „anders“ ist. Alex hatte wohl auch solche Vorstellungen und wurde dann in die Realität katapultiert. Statt seinen Sohn so anzunehmen, wie er ist, zieht sich Alex aus dem gemeinsamen Leben zurück. Erst als Jody ihn auffordert seinen Teil an Verantwortung zu übernehmen, begreift er, dass er um seine Familie kämpfen muss. Beim Spielen mit Sam lernt Alex nicht nur seinen Sohn besser kennen, sondern auch sich selbst. Ihm wird durch das Zusammensein mit Sam klar, dass er den lange zurückliegenden Verlust seines Bruder noch nicht verwunden hat. Sein Verantwortungsgefühl für die Familie hält ihn in einem Job, der ihm eigentlich nicht behagt, und erst als er die Kündigung erhält, sieht er andere Möglichkeiten.
Es ist ein sehr ehrliche, manchmal sogar humorvolle Geschichte, welche von den Schwierigkeiten im Leben mit einem autistischen Kind berichtet, die einen auch schon mal an Grenzen bringen. Sie zeigt, dass man jeden Menschen annehmen sollte, so wie er ist – in seiner Einzigartigkeit.
Diese berührende Geschichte hat mir gut gefallen.