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Veröffentlicht am 26.10.2019

Grossartige Binnengeschichte - schwache Rahmenhandlung

Wenn Martha tanzt
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Tom Saller hat ein beeindruckendes Porträt einer jungen Frau geschrieben.
Martha wächst in einem musikalischen Haushalt in Pommern auf. Sie hat eine besondere musikalische Gabe, die weder sie noch ihre ...


Tom Saller hat ein beeindruckendes Porträt einer jungen Frau geschrieben.
Martha wächst in einem musikalischen Haushalt in Pommern auf. Sie hat eine besondere musikalische Gabe, die weder sie noch ihre Umgebung richtig einordnen können. Bis Martha 1919 ans Bauhaus nach Weimar geht. Hier findet sie genau, was sie gesucht hat, ohne es vorher gewusst zu haben.
Wenige Jahre später wird das Bauhaus jedoch geschlossen und sie kehrt in ihre Heimat zurück; mit einem Kind und einer unkonventionellen Idee.
Marthas Geschichte, die von 1900 bis 1945 spielt, wird von einer Rahmenhandlung eingefasst, die wiederum in 2001 und 2002 angesiedelt ist.

Der Roman hat mich sofort gefesselt. Die Sprache ist stellenweise sehr bildhaft, wenn z.B. beschrieben wird, wie die kleine Martha zwischen den Musikern und Notenständern herumkrabbelt. Wunderschön auch die Szene, in der Martha Wolfgang erklärt, wie sie Töne sehen kann. Andererseits wirkt die Sprache oft zackig: Kurze Sätze und viele Hauptsätze. Dazu kommt, dass die Szenen in Weimar und in Pommern im Präsens geschrieben sind. Alles wirkt näher und unmittelbarer.
Die Rahmenhandlung ist dagegen im Präteritum geschrieben. Auch bin ich mit der Figur des Thomas nicht ganz warm worden. Insgesamt gefällt mir die Binnengeschichte wesentlich besser. Die Rahmenhandlung scheint zwar mit der Entdeckung des Tagebuchs recht spektakulär, ich wollte aber immer ganz schnell wissen, wie es in Weimar oder Pommern weitergeht. Marthas Schicksal und das der sie umgebenden Menschen nimmt einen gefangen.
Hervorragend hat mir auch gefallen, wie Saller reale Personen und Ereignisse in die Geschichte eingeflochten hat.
Ich kann das Buch nur empfehlen, auch wenn man bisher keinen Bezug zum Bauhaus hatte.

Veröffentlicht am 18.10.2019

Historischer Schwedenkrimi - Hier wird im Dreck gewühlt

1793
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Ein Schwedenkrimi: Eine verstümmelte Leiche in Stockholm und zwei Ermittler, die selbst ein schweres Schicksalspäckchen zu tragen haben. Das scheint man schon zur Genüge zu kennen, wenn die Geschichte ...

Ein Schwedenkrimi: Eine verstümmelte Leiche in Stockholm und zwei Ermittler, die selbst ein schweres Schicksalspäckchen zu tragen haben. Das scheint man schon zur Genüge zu kennen, wenn die Geschichte nicht 1793 spielen würde.
„1793“ so heißt auch der mit dem Schwedischen Krimipreis für das beste Spannungsdebüt ausgezeichnete historische Kriminalroman von Niklas Natt och Dag. Der 1979 geborene Autor stammt aus der ältesten Adelsfamilie Schwedens. Der Bezug zur schwedischen Geschichte liegt ihm also quasi im Blut.

Im Fatburen-See in Södermalm wird eine stark verstümmelte Leiche entdeckt. Herausgefischt von Stadthäscher Jean Michael Cardell, einem einarmigen Kriegsveteran. Ihm zur Seite stellt sich bald der Jurist Cecil Winge, vom Präsidenten der Polizeikammer mit besonderen Freiheiten ausgestattet. Allerdings ist der fortschrittlich denkende Winge nicht überall beliebt. Gemeinsam müssen sie unter Zeitdruck den Mörder finden.

Der Roman ist in vier Teile gegliedert: Im 1. Teil „Herbst 1793“ wird die Leiche entdeckt und die Ermittlungen beginnen. Dann folgt im 2. Teil der „Sommer 1793“ und der Leser erfährt aus der Perspektive einer anderen Person, was vor dem Mord geschah. Im 3. Teil „Frühling 1793“ wird erneut die Perspektive gewechselt und der Beginn der Geschichte erzählt, bevor im letzten Teil „Winter 1793“ die Fäden zusammenlaufen und der Fall gelöst wird.
Dieser Kunstgriff des versetzten Zeitablaufs verleiht der Geschichte ungemein viel Spannung.
Dem Roman liegt arbeitsintensive Quellenrecherche zugrunde, das merkt man dem Text auf jeder Seite an. Er strotzt vor Details aus dem historischen Alltag und der politischen Geschichte Schwedens. Der Autor nimmt dabei kein Blatt vor den Mund und beschreibt schonungslos weiter, wo andere verschämt ausblenden. Der Leser trifft auf Gewalt, Blut und Exkremente auf Schritt und Tritt. Gerade das macht aber auch einen großen Teil der Faszination dieses Romans aus.

Die Beweggründe, die zur Tat geführt haben, waren letztlich für mich etwas enttäuschend. Da hätte ich mir nach dem Spannungsaufbau etwas Spektakuläreres erhofft.
Dennoch hat der Autor den Schwedischen Krimipreis absolut verdient.
Das Buch wirkt noch lange nach. Für alle hartgesottenen Krimifans ein Muss.

Veröffentlicht am 18.10.2019

Hochspannung aus Dänemark

Der Kastanienmann
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Ein wirklich gut gemachter Thriller aus Dänemark wartet mit interessantem Personal auf: Eine Kommissarin, die die Abteilung wechseln möchte und ein Verbindungsoffizier von Europol, der gerade von Den Haag ...

Ein wirklich gut gemachter Thriller aus Dänemark wartet mit interessantem Personal auf: Eine Kommissarin, die die Abteilung wechseln möchte und ein Verbindungsoffizier von Europol, der gerade von Den Haag nach Kopenhagen zurückgeschickt wurde. Auch er möchte eigentlich lieber woanders sein. Die Zweckgemeinschaft wird mit einem grausigen Mord konfrontiert und stutzt über den titelgebenden Kastanienmann, der bei der Leiche entdeckt wird. Dieses Kastanienmännchen ist offenbar das Verbindungsstück zu einem älteren Entführungsfall, der bereits als abgeschlossen gilt. Der Täter wurde überführt und sitzt hinter Schloss und Riegel. Doch der Mord ist erst der Anfang und zum Ende hin überschlagen sich die Ereignisse.

Den Leser erwarten 600 Seiten Hochspannung mit vielen Wendungen, die die Geschichte am laufen halten und immer wieder für Überraschungen sorgen. Manches ist jedoch auch vorhersehbar und anderes offenbar fester Bestandteil im Thriller-Baukasten. Z.B. muss wieder einmal ein Außenseiter gegen nervende, besserwisserische Kollegen und einen sturen Chef anrennen. Die Protagonisten bleiben etwas blass. Dennoch haben Thulin und Hess ohne Frage das Potential für eine Fortsetzung. Das Ende spricht für sich ...

Gestolpert bin ich über den Namen eines Polizisten: Martin Ricks. Da hatte ich immer Martin Riggs bzw. Mel Gibson vor Augen.

Vier Sterne für die Wendungen, mit denen ich nicht gerechnet hatte und das Ende.

Veröffentlicht am 30.12.2024

Die Unsichtbare

Lempi, das heißt Liebe
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Lempi, Kaufmannstochter aus der Stadt, heiratet kurzentschlossen den jungen Bauern Viljami und geht mit ihm auf seinen Hof in Lappland. Bald muss Viljami in den Krieg ziehen und seine Frau bleibt allein ...

Lempi, Kaufmannstochter aus der Stadt, heiratet kurzentschlossen den jungen Bauern Viljami und geht mit ihm auf seinen Hof in Lappland. Bald muss Viljami in den Krieg ziehen und seine Frau bleibt allein mit der Magd auf dem Hof zurück. Als er heimkehrt, ist seine große Liebe Lempi verschwunden.

Die Figur der Lempi bleibt undeutlich, wie auf dem Cover. Wir lernen sie nur durch die Augen anderer kennen. Im ersten Dritten verzehrt sich Viljami auf dem Weg nach Hause nach ihr und kann nicht fassen, dass sie ihn verlassen haben soll. Der zweite Abschnitt wird aus der Sicht der Magd Elli erzählt, die letzte Sicht auf Lempi gewährt uns ihre Zwillingsschwester Sisko.

Der Debütroman der ebenfalls aus dem nördlichsten Teil Finnlands stammenden Autorin Rytisalo besticht durch die drei unterschiedlichen Sprachstile, die sie ihren drei Erzählerinnen gibt. Ich muss gestehen, dass mich der erste Abschnitt ziemlich ermüdet hat. Erst mit der Erzählung der Magd nimmt der Roman Schwung auf und auch Spannung. Es lohnt sich also dranzubleiben.

Neben der Sprache und der ungewöhnlichen Erzählweise barg das Buch auch inhaltlich Neues für mich. Hintergrund der Handlung ist der zweite Weltkrieg, der Winterkrieg zwischen Russland und Finnland 1939/40 und die Waffenbruderschaft der Finnen und Deutschen gegen die Russen im Anschluss. Nach einem Waffenstillstandsvertrag mit Russland im September 1944, mussten alle deutsche Soldaten innerhalb von 14 Tagen Finnland verlassen. Plötzlich wurden aus Waffenbrüdern Feinde und viele finnische Frauen, die sich mit den Deutschen eingelassen hatten, wurden noch jahrzehntelang diskriminiert. Ebenso erging es ihren Kindern. Dieses dunkle Kapitel wird im Roman an verschiedenen Stellen thematisiert.

Der Roman läßt viel Spielraum für eigene Interpretationen was die Figuren und ihr Handeln anbelangt. Es wird nicht alles erklärt, vieles nur angedeutet. Letztlich muss sich jede
r selbst sein Bild von Lempi machen, den eigenen Blick scharf stellen, um in den Erzählungen der anderen Personen "seine" oder "ihre" Lempi zu entdecken.

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Veröffentlicht am 10.11.2024

Háldin und der Rentierhirte

Als wir im Schnee Blumen pflückten
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Zu Beginn des Romans tauchen viele Figuren auf, die sich erstmal an die richtige Stelle setzen müssen. Dafür habe ich ein paar Kapitel und Notizen gebraucht. Dann aber entwickelt der ungewöhnliche Roman ...

Zu Beginn des Romans tauchen viele Figuren auf, die sich erstmal an die richtige Stelle setzen müssen. Dafür habe ich ein paar Kapitel und Notizen gebraucht. Dann aber entwickelt der ungewöhnliche Roman einen Sog und ich habe ihn sehr gerne gelesen.

Das romantische Cover wird gleich zu Beginn gebrochen, denn die schon recht betagte Máriddja ist an Krebs erkrankt. Ihr Mann Biera vermutet bei ihr beginnende Demenz, weil sie nichts erzählen will. Gleichzeitig lernen wir das junge Ärztepaar Kaj und Mimmi kennen, die ebenfalls in den Norden Schwedens ziehen. Kaj hat gerade seine Mutter verloren und fühlt sich an seinem neuen Wohnort von dem aufdringlichen Nachbarskind belästigt. Máriddja hat alle Hände voll zu tun, die Behörden von ihrem kleinen Haus fernzuhalten, denn tatsächlich ist es Biera, der an Demenz erkrankt ist und der immer mehr in der Vergangenheit lebt und um seine kleine Schwester und deren Sohn trauert.

Das hört sich alles nicht so spannend an und war zu Beginn auch etwas verwirrend. Bald rückt aber alles an seinen Platz und einiges wird schnell klar, anderes erst später. Das putzige Verhalten von Máriddja zum Beispiel erschließt sich erst später.

Der Roman besticht durch die Darstellung der Folgen der Zwangsumsiedlungen der Samen aus dem Norden in den Süden des Landes. Das hat sicherlich zum Erfolg des Buches in Schweden beigetragen. Der Text ist voll mit Begriffen, Traditionen und Mythen der Samen. Ein kleiner Anhang wäre da nicht schlecht gewesen, denn zu Beginn dachte ich bei einigen Wörtern, es wären Eigennamen, dabei waren es die Ausdrücke für Verwandtschaftsbeziehungen. Daneben hat der Text viele humorvolle Stellen, wobei es manchmal schon haarscharf an der Grenze zum Albernen war. So vertraut sich Máriddja recht bald der "Dame" von der Telefonvermittlung an und bespricht mit ihr alle Kümmernisse, ihr Name ist Siri und diese antwortet manchmal doch etwas "hölzern".

Insgesamt eine nette Geschichte, die durch den Bezug zum Schicksal der Samen, auch die Autorin ist übrigens eine Sami, interessant ist.

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