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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.10.2019

Höchst amüsant, dennoch aber auch nachdenklich stimmend

Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse
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"Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse" von Thomas Meyer war ein herrlich ausgewogener Lesegenuss.
Der Schreibstil ist locker und mitreißend. So manche Szene ist höchst amüsant, so ...

"Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse" von Thomas Meyer war ein herrlich ausgewogener Lesegenuss.
Der Schreibstil ist locker und mitreißend. So manche Szene ist höchst amüsant, so dass ich einige Male herzhaft lachen konnte. Gleichzeitig gelingt es jedoch Thomas Meyer in seiner lockeren Schreibweise auch Kritik anklingen zu lassen. So befasst er sich mit Übermüttern, Männern, die sich nicht trauen gegenüber ihren Frauen ihre Meinung zu vertreten, Vorurteilen gegenüber jüdischen Menschen und erzwungenen Lebenswegen, die jungen Menschen ihrer Entwicklungsmöglichkeiten berauben.
Die Sprache ist etwas ganz besonderes und neu für mich. Die Protagonisten sprechen überwiegend jiddisch und so musste mancher Satz ein zweites Mal gelesen und dabei auf Anregung des Autors laut mitgesprochen werden. Damit findet man sich dann sehr gut zurecht und notfalls besteht die Möglichkeit im Glossar nachzusehen. Da ich sehr gerne Bücher mit außergewöhnlicher Sprache lese, hatte ich viel Freude beim Lesen.
Die Protagonisten selbst sind ebenfalls jiddisch dargestellt. Das hat mir gut gefallen, gewinnt man doch einen guten Einblick in die Umgangsformen und Gebräuche einer jüdischen Familie. Auch wenn vermutlich einiges humoristisch-überspitzt dargestellt ist, habe ich noch einiges neue Wissen vermittelt bekommen.
Mordechai - Motti - Wolkenbruch kann sich nicht mehr mit dem Leben identifizieren, das seine Eltern, insbesondere seine Mame, für ihn vorgesehen haben. Ist er Anfangs noch sehr unsicher und rebelliert eher innerlich, beginnt er immer mutiger zu werden. "Den eigenen Weg zu gehen, überlegte ich, heißt wohl nichts anderes, als sich den Dingen zu stellen, die einem begegneten. Nicht zu versuchen, sie zu umschleichen. Nicht vor ihnen stehen zu bleiben. Sondern durch die Schwierigkeiten hindurchzumarschieren."
Mitzuerleben, welche Schwierigkeiten ihn alles erwarten, ist teils sehr komisch, teils auch tragisch. Es ist ein leichtes, Motti gegenüber Sympathie zu entwickeln und mit ihm mitzufühlen.
Die größte Schwierigkeit, die Motti auf seinem Weg zu sich selbst begegnet, ist seine Mame. Seine "stets leicht agitierte, überpräsente Mutter, um alles besorgt und unnachgiebig in ihrem Willen". Diese Frau sympathisch zu finden, ist bei weitem nicht so leicht, macht sie doch ihrer Familie so manches Mal das Leben unnötig schwer. Aber dennoch geht gerade von ihr auch durchaus ein Teil des Humors dieses Buches aus.
"Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse" von Thomas Meyer hat mir vergnügliche Lesestunden beschert. Ich kann diesen Roman allen Lesern empfehlen, die Freude an speziellen Charakteren und einem höchst amüsanten Schreibstil haben.

Veröffentlicht am 28.10.2019

Gelungenes Debüt mit Porträt einer beeindruckenden Frau

Die Zeit des Lichts
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"Die Zeit des Lichts" von Whitney Scharer ist ein fesselndes und mitreißendes Porträt der Fotografin Lee Miller.

Sowohl Lee Miller als Persönlichkeit als auch die Art, wie ihr in diesem Roman ein Andenken ...

"Die Zeit des Lichts" von Whitney Scharer ist ein fesselndes und mitreißendes Porträt der Fotografin Lee Miller.

Sowohl Lee Miller als Persönlichkeit als auch die Art, wie ihr in diesem Roman ein Andenken gesetzt wird, sind sehr überzeugend.

Schon das Cover ist ein echter Hingucker. Im Zentrum Lee, deren Frisur zusammen mit dem umgebenden grafischen Print, gut zu der Epoche, in der das Buch spielt passt. Zudem finden sich gold abgesetzte Elemente. Ein sehr edel wirkendes Cover, das mir gut gefällt.

Der Schreibstil von Whitney Scharer ist ausgesprochen gut. Es fiel mir sehr leicht gleich in die Geschichte rein zu finden. Die handelnden Personen und Orte sind genau richtig detailliert geschildert. Die Autorin schafft atmosphärische Bilder, bei denen es ein leichtes ist, sich gedanklich an Lees Seite zu versetzen und die Stationen ihres Lebens nachzuempfinden.

Besonders gut gefallen hat mir, dass die Handlung in mehreren Zeitebenen spielt.
Zunächst lernt man die gealterte Lee kennen, die mit den in jüngeren Jahren erlebten Dingen nicht zurecht kommt und ihren Halt im Alkohol sucht. Später wird dann ein schillerndes, beeindruckendes Portrait der jungen Lee entworfen. Sie ist eine starke, mutige Frau, die versucht ihren Weg zu gehen, etwas bedeutendes zu schaffen. Ihren Werdegang mitzuerleben und dabei auch einen glaubhaften und emotional ansprechenden Einblick in Lees Gefühlswelt zu bekommen, war schön.
Ebenfalls toll war auch das Zeitportrait vom Paris der 30er Jahre. Die Autorin verwebt gekonnt Fantasie mit gut recherchierten tatsächlichen Personen und Begebenheiten.

Mich konnte "Die Zeit des Lichts" von Whitney Scharer begeistern und fesseln. Ich kann das Buch allen Lesern empfehlen, die gern etwas über reale Personen und Orte, eingefasst in einen spannenden, berührenden Roman, lesen möchten.

Veröffentlicht am 27.10.2019

Überzeugendes Kinderbuch mit ansprechenden Details

Die Furchtlosen Fünf
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Bei diesem Kinderbuch für Leser ab 10 Jahren habe ich zunächst gestutzt, als ich die Autorin gesehen habe. Anna McPartlin kannte ich bisher als Autorin von großartigen, bewegenden Romanen mit liebevoll ...

Bei diesem Kinderbuch für Leser ab 10 Jahren habe ich zunächst gestutzt, als ich die Autorin gesehen habe. Anna McPartlin kannte ich bisher als Autorin von großartigen, bewegenden Romanen mit liebevoll gezeichneten Charakteren.

"Die furchtlosen Fünf" ist ihr erstes Kinderbuch und steht ihren Romanen für Erwachsene in nichts nach.

Allein schon das Cover gefällt mir sehr gut. Es passt toll zu dem Thema und macht Lust, das Buch in die Hand zu nehmen. Beim Lesen des Buches fällt dann auch die geschickt gewählte, kindgerechte Gestaltung auf. Gleich zu Beginn findet sich ein Foto (gezeichnet) der furchtlosen Fünf von DEM großen Tag - dem Tag des Überfalls. Dadurch war gleich eine Verbindung aufgebaut, die Vorstellungskraft angeregt. Und so zieht es sich durch das ganze Buch. Die angenehm kurzen Kapitel schließen immer mit einer Zeichnung, die teils gut zum vorangegangen Text passt.

Der Schreibstil ist lustig und mitreißend, baut große Spannung auf. Gleichzeitig wird aber auch eine sehr emotionale Ebene angesprochen. Die Wortwahl und Ausdrucksweise sind altersgerecht. Junge Leser können so richtig mit den furchtlosen Fünf mitfiebern. Eine ganz besondere Idee sind die DDDMWS - Drei Dinge, die man wissen sollte. "Lauter Sachen, die man nicht unbedingt wissen muss, aber wissen sollte. Ihr habt die Wahl, ihr entscheidet." Anna McPartlin hat hier ein sehr geschicktes Stilmittel gefunden. Sie kann so ihren Text um charmante und sehr witzige Details erweitern, ohne den Lesefluss zu unterbrechen oder den Text unnötig in die Länge zu ziehen. Jeder der jungen Leser kann selbst entscheiden, ob und wann er die Anmerkungen lesen möchte.

Die furchtlosen Fünf selbst werden unglaublich toll dargestellt. Sie sind sehr verschieden, haben jeder für sich ganz besondere Eigenheiten und ergänzen sich gegenseitig, indem sie ihre Schwächen auffangen und von den Stärken profitieren.

Ich kann dieses Buch uneingeschränkt an junge Leser weiterempfehlen. Es ist ein wunderbares Kinderbuch, das trotz ernster Seite viel Spaß macht und den Wert von Freundschaft und Zusammenhalt toll vermittelt.

Veröffentlicht am 27.10.2019

Großer Lesegenuss für alle Sinne

Der Zwilling von Siam
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"Der Zwilling von Siam" von Tara Haigh ist ein Lesegenuss für alle Sinne.

Die Autorin hat eine solch wundervolle bildreiche und detaillierte Sprache, dass sie es schafft Bilder zu entwerfen, die alle ...

"Der Zwilling von Siam" von Tara Haigh ist ein Lesegenuss für alle Sinne.

Die Autorin hat eine solch wundervolle bildreiche und detaillierte Sprache, dass sie es schafft Bilder zu entwerfen, die alle Sinne ansprechen. Als Leser ist es ein leichtes sich in die Geschichte hineinzuversetzen, das Leben im alten Siam komplett nachzuempfinden. Ich konnte die vielen verschieden und für Europäer oft fremden Gerüche riechen, die Würze und Schärfe des Essens schmecken, all die fremden Geräusche hören - Stimmengewirr in verschiedenen Sprachen, Affengekreische, Elefanten, musische Klänge - und die vielen neuen visuellen Eindrücke vor meinem inneren Auge sehen. Das ist wirklich große schriftstellerische Kunst. Beim Lesen hatte ich viel Spaß, war gefesselt - ich konnte das Buch kaum weg legen.

Das Zeitportrait, welches Tara Haigh gekonnt mit der Handlung ihres Romans verwebt, begeistert mich ebenfalls. Man merkt deutlich, wie gut und engagiert sie recherchiert hat. Viele kleine zeitgenössische Begebenheiten fließen in liebevolle Details ein, welche die Handlung bereichern und ihr eine Tiefe geben, die alles noch realistischer erscheinen lässt. Zudem habe ich so auf unterhaltsame Weise einiges neues erfahren.

Emilie, die Hauptfigur, finde ich sehr sympathisch und beeindruckend. Sie ist so herrlich beschrieben, dass ich ihre Gefühle und Gedanken - ihre Ängste, Hoffnungen, Trauer - gut nachvollziehen konnte. Es fiel leicht von Beginn an eine Nähe zu ihr aufzubauen.
"Mein Leben ist komplett aus den Fugen geraten, und je mehr ich über Maries Tod nachdenke, desto mehr Fragen tauchen auf."
Bis zum Ende konnte ich mitgefieberen, wie es für sie weiter geht und was sie alles herausfindet.

Auch die weiteren Charaktere sind sehr facettenreich und ansprechend geschildert. Es wird in diesem Roman sehr deutlich, dass es nicht nur Schwarz und Weiß gibt, sondern der Mensch und seine Handlungen sehr komplex und vielfältig sind.
Das Ende hat sich dann auch sehr stimmig und wunderbar in die Handlung eingefügt. Es blieben keine Fragen offen, was mir gut gefällt.

"Der Zwilling von Siam" von Tara Haigh ist großer Lesegenuss für alle Sinne und spricht Herz und Verstand an. Was will man mehr - klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 17.10.2019

Gesellschaftskritik auf höchsten Niveau

Wolkenbruchs waghalsiges Stelldichein mit der Spionin
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"Wolkenbruchs waghalsiges Stelldichein mit der Spionin" von Thomas Meyer ist Gesellschaftskritik auf höchsten Niveau.

Anhand des Covers und der Leseprobe hatte ich einen guten ersten Eindruck von dem ...

"Wolkenbruchs waghalsiges Stelldichein mit der Spionin" von Thomas Meyer ist Gesellschaftskritik auf höchsten Niveau.

Anhand des Covers und der Leseprobe hatte ich einen guten ersten Eindruck von dem Buch und habe eine humorvolle Geschichte erwartet.
Dieser erste Eindruck hat sich einerseits absolut bestätigt. Ich habe beim Lesen dieses Buches so manches Mal herzhaft lachen können. Andererseits wurde ich jedoch auch etwas überrascht. Das jedoch sehr positiv. Thomas Meyer gelingt es hervorragend einige kritische gesellschaftliche Entwicklungen auf so charmant überspitzte, leicht skurile Art rüberzubringen, dass ich mich als Leser nicht belehrt oder gemaßregelt gefühlt habe. Stattdessen wurde es mir leicht gemacht über Antisemitismus, unkritische Nutzung von sozialen Medien, Konsumverhalten, das fehlende Tolerieren von anderen Lebebsentwürfen und über meinen Beitrag zu einer fairen, offenen und alle Menschen akzeptierenden Gesellschaft nachzudenken.

Der Autor hat eine rege und geniale Fantasie, kreiert Szenarien, die durchaus vorstellbar, aber dennoch nicht real sind und verpackt das Ganze mit einer großen Portion Humor. Ein unbedarfter Leser kann sich einfach unterhalten lassen und den Sarkasmus und Humor genießen. Ein Leser, der sich und die Welt kritisch hinterfragt, erhält wertvolle Denkanstöße. Das gefällt mir wirklich gut. 

Der Schreibstil ist locker, leicht, gespickt mit einigen jüdischen Begriffen, die jedoch gut zu verstehen waren. Neben dem tollen Wortwitz wird auch eine gewisse Spannung aufgebaut und ein ernsthafter Hintergrund vermittelt. Dadurch schwankte ich immer zwischen Amüsemant und einem fast schon unbehaglichen Gefühl. Es ist zwar vieles sehr überspitzt dargestellt, aber mit einem so realen, gesellschaftskritischen Kern, dass ich nur hoffen kann, dass die Ideen des Autors nie Realität werden. Zum Beispiel ist in dem folgenden Zitat erschreckend viel Wahrheit enthalten:

"Dabei sind die Menschen nicht dumm. Sie sind bloß zu faul, die Dinge zu durchdenken, gegen die sie sind. [...] Wer braucht schon Panzer und Flugzeuge, wenn es Angst und Wut gibt? Sie kosten nichts, sind jederzeit verfügbar und bringen das Übelste in den Menschen hervor - und damit das Wertvollste im Kampf gegen die Demokratie. "
Motti Wolkenbruch selbst ist ein sympathischer Charakter. Er ist ein netter Kerl mit einer Schwäche für schöne Frauen, die ihn in eine heikle Situation manövriert. Sein Leben ist ganz schön kompliziert und überwiegend fremdbestimmt. Aber ob das so bleibt?

"Wolkenbruchs waghalsiges Stelldichein mit der Spionin" von Thomas Meyer ist ein lesenswerter, wertvoller Roman, den ich allen Lesern ohne Einschränkung empfehlen kann.